In den CDU-Reihen brandete ein Klatschmarsch auf: Mit 65,40 Prozent hat Neidhard Varnhorn die Bürgermeister-Wahl in Cloppenburg klar gewonnen. Jubelnde Parteifreunde überreichten Blumen. Amtsvorgänger Dr. Wolfgang Wiese umarmte den 49-jährigen Juristen. Betretene Gesichter dagegen bei SPD und Grünen, obwohl Christiane Priester, die Kandidatin des Bündnisses „Buntes Cloppenburg“, mit 34,60 Prozent ein respektables Ergebnis erzielt hat.
Im Windschatten der klaren Bürgermeister-Entscheidung, die am Sonntagabend rund 260 Gäste der Stadt und der OM-Medien in der Stadthalle miterlebten, schien sich zunächst eine politische Sensation anzubahnen: Nach dem Verlust ihrer absoluten Mehrheit vor 5 Jahren lagen die Christdemokraten nach den ersten Ergebnissen aus 6 Wahllokalen noch knapp über 50 Prozent. Doch als rund ein Drittel der Wahllokale ausgezählt war, schrumpfte ihr Zwischenstand auf knapp 44 Prozent.
Sollte sich dieses Ergebnis verfestigen, hätte sich die CDU nach ihrem historischen Tief von 43,38 Prozent vor 5 Jahren nicht erholt. Die Christdemokraten, die am Montagabend bereits ihren neuen Fraktionsvorstand wählen, wären damit erneut auf einen strategischen Partner im Rat angewiesen, um eigene Vorhaben durchzusetzen. Bislang bilden sie mit 2 Ratsherren aus Zentrum und FDP eine Gruppe.
Varnhorn ruft erneut zu gemeinsamer Sache auf
Varnhorn verzichtete trotz seines starken persönlichen Ergebnisses auf triumphale Gesten. Von Moderator Hubert Kulgemeyer auf die Bühne gebeten, dankte er für das „tolle Ergebnis“ und das große Vertrauen. Aber am Rande des Jubels sagte der (ehemalige) Dezernet des Landkreises: „Nach der Wahl ist vor der Arbeit: Jetzt geht's erst richtig los. Wir brauchen alle Gewählten, um die Herausforderungen der Zukunft anzugehen.“
Christiane Priester äußerte sich politisch enttäuscht. Es stimme sie „schon nachdenklich, dass doch keine Veränderung gewünscht wird“, sagte die 52-jährige Verfahrenspflegerin aus Bühren (Emstek): „Ich kann damit leben: Der Wähler hat entschieden und muss damit leben, was das dann bedeutet.“ Persönlich bereut die SPD-Fraktionsvorsitzende im Emsteker Gemeinderat ihre Cloppenburger Kandidatur nicht: „Ich habe unwahrscheinlich viele Menschen kennengelernt und persönlich noch einmal eine Entwicklung gemacht.“ Diese Erfahrung komme ihr zugute. Schon jetzt hätten Bildungseinrichtungen sie angefragt für die politische Arbeit mit Frauen, berichtete die 3-fache Mutter, die sich jetzt wieder in der örtlichen SPD engagieren will.
Der neue Bürgermeister, der am 1. November sein Amt antreten wird, warb erneut für eine Überwindung des „Lagerdenkens“ in der Kommunalpolitik: „Wir müssen jetzt zusammenarbeiten und weg von diesem Klein-klein“, forderte er. Dazu müsse gegenseitiges Vertrauen durch Offenheit und frühe Information aufgebaut werden. Dies sei „keine Einbahnstraße“. Bereits vor der Wahl hatte Varnhorn einen jour fixe, ein regelmäßiges Treffen, mit allen Fraktionsspitzen vorgeschlagen, um Ideen auszutauschen und ihre Umsetzung vorzubereiten.
Ob Varnhorn dabei womöglich auch mit einer Fraktion der rechtsextremen AfD zusammenarbeiten würde, erscheint allerdings fraglich, obwohl es so aussieht, als ob die Partei den Sprung in den Rat sicher geschafft hat: Kurz vor Redaktionsschluss lag die AfD über 7 Prozent. Damit würden ihre beiden Kandidaten, die nicht an der Wahlparty in der Stadthalle teilnahmen, sicher in den Rat einziehen.
Nicht Zentrum, sondern AfD profitiert vom Schulstreit
Die CDU hat mit dieser Entwicklung offensichtlich nicht gerechnet. In der Partei war vor der Wahl viel darüber spekuliert worden, dass enttäuschte Wähler vor allem zum Zentrum abwandern könnten. Denn die ultrakonservative Kleinpartei hatte bereits in Molbergen nach einem Streit um eine evangelikale Bekenntisschule enttäuschten Befürworter des Vorhabens eine politische Heimat geboten. Doch dieser Effekt scheint sich in Cloppenburg nicht zu wiederholen: Das Zentrum legte zwar zu, blieb jedoch weit unter der AfD, die offenbar die Protestwähler „abgeschöpft“ hat. Darauf deuten auch die ersten Ergebnisse aus Wahlbezirken hin, in denen traditionell viele deutsche Spätaussiedler und ihre Familien leben.
Für die einzelnen Kandidaten entwickelte sich der Abend zu einem ermüdenden Geduldsspiel. „Das wird Mitternacht“, orakelte Reinhold Frilling, Vorstand im Wahllokal „Caritas-Werkstatt, Ostring“, schon am Morgen, obwohl sein Team auf 8 Helfer/innen aufgestockt worden war. In der Stadt arbeiten 279 Wahlhelfer mit. „Die brauchen wir auch“, meinte Frilling, denn angesichts des Kandidatenrekords von 115 Bewerbern für den Rat war der Auszählungsmarathon nur im Schichtdienst zu bewältigen – auch aus praktischen Gründen, damit die Helfer zwischendurch essen konnten.
Der Rentner freute sich, dass diesmal 2 junge Helfer nachrückten, denn „Nachwuchs ist schwer zu finden.“ Den ermüdeten Schülern versprach Frilling: „Ich schreib' euch 'ne Entschuldigung.“ Der „Lohn“ des persönlichen Aufwands: 25 Euro für 13 bis 14 Stunden konzentrierter Arbeit.