DGB in der Region fordert Behörde zur Arbeitskontrolle
Die Kreisvorsitzenden treten für ein schärferes Verbot von Werkverträgen in der Fleischbranche ein. Es dürfe keine Lücken geben - auch nicht bei der Überprüfung.
Giorgio Tzimurtas | 14.08.2020
Die Kreisvorsitzenden treten für ein schärferes Verbot von Werkverträgen in der Fleischbranche ein. Es dürfe keine Lücken geben - auch nicht bei der Überprüfung.
Giorgio Tzimurtas | 14.08.2020
Schufterei im Akkord: Beschäftigte in der Fleischindustrie. Foto: dpa / Krato
Falsch abgerechnete Arbeitszeiten, ungerechtfertigte Abzüge vom Lohn, Kündigungen im Urlaub oder bei Krankschreibung: Das sind nur einige der typischen Beispiele, wie zahlreiche Subunternehmen der Fleischindustrie mit den Werkvertrags- und Leiharbeitern, die zumeist aus Osteuropa stammen, umgehen. Welche Praktiken der Ausbeutung in der Branche herrschen, wie rücksichtslos und menschenverachtend es zugeht, wie sehr die Angst zu diesem System gehört, das weiß Audra Brinkhus-Saltys genau. "Warum soll es Ausnahmen geben? Das ist doch unlogisch." Sie hat im Oldenburger Münsterland das "Netzwerk für Menschenwürde in der Arbeitswelt" gegründet, dem 17 regionale Organisationen und Einrichtungen aus den Bereichen Gewerkschaft, Kirche und Politik angehören. Und: Drei Jahre, von 2013 bis 2016, hat die Bakumerin mit ihrem Ehemann, dem Juristen Johannes Brinkhus, ehrenamtlich eine Anlaufstelle mit Rechtsberatung für osteuropäische Arbeiter in Not im Forum der katholischen Kirchengemeinde St. Andreas in Cloppenburg geführt. Eine der zentralen Forderungen der DGB-Vorsitzenden war stets die Rückkehr zur Stammbelegschaft in der Fleischindustrie. Genau das soll jetzt sogar gesetzlich geregelt werden - infolge der massenhaften Corona-Ausbrüche in Schlachthöfen, die die prekären Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeiter erneut in den Fokus rückten. Nach den Plänen von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sieht das künftige "Arbeitsschutzkontrollgesetz" vor, dass in größeren Betrieben vom 1. Januar 2021 an im Kerngeschäft Schlachtung, Zerlegung und Fleischverarbeitung keine Werkvertragsarbeiter und vom 1. April 2021 an auch keine Leiharbeiter mehr beschäftigt werden dürfen. Bei Verstößen drohen hohe Bußgelder. Ausgenommen sind Betriebe des Fleischerhandwerks mit maximal 49 Mitarbeitern. Brinkhus-Saltys sieht in der Gesetzesinitiative "einen großen Erfolg im Kampf gegen unrechtmäßige und unmenschliche Arbeitsbedingungen". Allerdings warnt sie auch vor Lücken in dem geplanten Gesetz und fordert eine schärfere Fassung. Dem schließt sich der Cloppenburger DGB-Kreisvorsitzende Benno Schwarz an. Ein Überblick: Umfassendes Verbot: Das Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit in der Fleischindustrie soll nicht nur für das Kerngeschäft der Schlachtung, Zerlegung und Verarbeitung gelten, sondern umfassend, fordert Brinkhus-Saltys. Auch für Bereiche wie Verpackung, Logistik und Reinigung müsse es die Rückkehr zur Stammbelegschaft geben. "Warum soll es Ausnahmen geben? Das ist doch unlogisch", sagt Brinkhus-Saltys. Keine Unterschiede nach Betriebsgröße: Keine Ausnahmen – dieses Prinzip, sagt Brinkhus-Saltys, müsse auch mit Blick auf die Betriebsgröße gelten. Dass das Verbot von Werkverträgen und Leiharbeit erst ab einer Mitarbeiterzahl von 50 Personen gelten soll, kann sie nicht nachvollziehen. Auch der Cloppenburger DGB-Kreisvorsitzende Schwarz sagt: "Normalerweise muss das Verbot für alle gelten." Brinkhus-Saltys erklärt: "Wer mit Werkverträgen in der Fleischbranche arbeitet, bereitet den Boden für den unrechtmäßigen Umgang mit Arbeitsbedingungen." Sie sieht die Gefahr, dass mehrere kleine Firmen von Großunternehmen engagiert werden können – und so die Werkvertragsarbeit doch wieder in der Branche verbreitet sei. Nun sei es an der Zeit, "ein konsequentes Gesetz" zu formulieren, das keine neuen Lücken zulasse. Es müsse sichergestellt sein, dass gesetzliche Regelungen nicht umgangen werden können, betont Brinkhus-Saltys. Keine Ausnahme bei Zeiterfassung: Dass Kleinbetriebe von der Pflicht zur elektronischen Aufzeichnung der Arbeitszeit ausgenommen sein sollen, sei unverständlich, sagt Brinkhus-Saltys. Jeder Beschäftigte – ob in einem kleinen Betrieb oder in einem großen Unternehmen – müsse das Recht auf die Aushändigung einer schriftlichen Niederschrift seiner Arbeitszeit haben. Schwarz sagt: Es sei heutzutage kein Problem, auf digitalem Wege die Arbeitszeit "sekundengenau zu erfassen". Arbeitskontrollbehörde: Zu den seit langer Zeit erhobenen Forderungen des DGB-Kreisverbandes Vechta gehört die Einrichtung einer bundesweit einheitlichen Arbeitskontrollbehörde. "Ob Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz, Arbeitsbedingungen inklusive des Lohns und der Arbeitszeit – die neue Behörde wäre zuständig für alle Prüfkriterien, die in einem Betrieb kontrolliert werden müssen", erklärt Brinkhus-Saltys ihre Idee. Dabei soll eine digitale Vernetzung helfen – mit anderen zuständigen Organen wie Polizei, Gesundheitsamt, Finanzamt. Das soll Kontrollen ermöglichen, die "effektiv, regelmäßig und flächendeckend erfolgen", sagt Brinkhus-Saltys. Denn: "Die besten Gesetze nützen nichts, wenn es keine Kontrollen gibt." Und Schwarz sagt: Eine solche Arbeitskontrollbehörde "wäre die optimale Lösung".
Seit Jahren setzt sich die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) im Landkreis Vechta für die Rechte der Beschäftigten in der Fleischbranche ein.
Rückkehr zur Stammbelegschaft
DGB: Gesetz muss generelles Verbot enthalten
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