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Deutschland droht die Überforderung

Die Ungeduld in den Landkreisen wächst. Die unerledigte Asylfrage benötigt dringend konkrete Antworten auf allen politischen Ebenen.

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Die Landräte hoffen bisher vergeblich auf mehr und zügigere Hilfe von Bund und Land angesichts der steigenden Zahl von Flüchtlingen. Deutschland läuft sehenden Auges in eine neue Überforderung – vergleichbar dem staatlichen Kontrollverlust von 2015/16. Die Länder verweisen auf den Bund. Die auf das Regierungsamt in Hessen hoffende Innenministerin Nancy Faeser spielt auf Zeit. Das ist verantwortungslos.

Hilfe brauchen die Kommunen vor allem bei der Unterbringung, bei Kitas, Schulen und der medizinischen Versorgung. Schon im Herbst haben sie angemahnt, dass die Zeit für Lösungen abläuft. Die absehbare Folge sind verunsicherte Anwohner und rechte Rattenfänger vor Unterkünften.

Auf europäischer Ebene muss die angepeilte umfassende Reform bis zur Europawahl im Frühjahr 2024 endlich gelingen. Bisher einigten sich die EU-Staaten lediglich auf eine verschärfte Sicherung der Außengrenzen und eine bessere Zusammenarbeit mit Transit- und Herkunftsländern, damit sich möglichst wenige Menschen auf den Weg machen. Bei der solidarischen Verteilung von Schutzsuchenden sind die 27 Staaten dagegen weit von einer Lösung entfernt.

In Deutschland muss die Ampel die im Koalitionsvertrag angekündigte Rückführungsoffensive, insbesondere die konsequente Abschiebung von Straftätern und Gefährdern, in Angriff nehmen. Zugleich müssen die Länder zügig zusätzliche Kapazitäten der Erstaufnahme schaffen. Die Ankommenden sollten schließlich stärker differenziert werden: Menschen, die vor Kriegen und Verfolgung fliehen, sind die eine Sache. Aber es macht wenig Sinn, Migranten ohne absehbare Bleibeperspektive weiterhin an die kommunale Ebene weiterzureichen.

Die unerledigte Asylfrage hat negative Auswirkungen auch auf die wirtschaftspolitische Aufgabe, mehr qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland nach Deutschland zu locken. Die Wirtschaft benötigt diese dringend. Mit der Zahl der Flüchtlinge sinkt laut aktueller Umfragen aber die Akzeptanz in der Bevölkerung für liberalere Einwanderungsgesetze.

"Der gute Wille, aber auch die drohende Überforderung vor Ort sollte in Berlin endlich zur Kenntnis genommen werden."

Ulrich Suffner, Chefredakteur OM-Medien

Vor Ort mangelt es immerhin weiter nicht an Ernsthaftigkeit und Kreativität zu helfen. Die Caritas und andere machen ihr Hilfeangebot aktuell im Netz noch einmal präsenter. Der Landkreis Vechta hat zuletzt 47 Mobilheime angeschafft. Das ist zukunftsweisend, denn 2015/16 hat sich gezeigt, dass das Herrichten von Sporthallen auf Dauer keine Lösung ist. Auf zu engem Raum leidet die Privatsphäre. Zudem sind die Hallen dann für den Sport gesperrt.

Dieser gute Wille, aber auch die drohende Überforderung vor Ort sollte in Berlin endlich zur Kenntnis genommen werden. Kanzler Olaf Scholz muss das Thema Flüchtlinge zur Chefsache erklären. Da hat die Opposition schon recht. Noch ein folgenloser Flüchtlingsgipfel im Bundesinnenministerium würde nur den extremen Parteien am rechten Rand in die Karten spielen.

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