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Zerrissen zwischen Neubau und Erhalt

Nicht jedes stadtbildprägende Haus in ist ein Denkmal. Neubauten mit viel Wohnraum sind im Interesse Vechtas. Trotzdem sei die Stadt am Erhalt historischer Bausubstanz interessiert, heißt es.

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Hinter tausend Stäben: Das Mansardendach des Neubaus an der Falkenrotter Straße ist schon erkennbar. Es erinnert an die alte Villa, die hier bis zum vorherigen Jahr stand. Foto: Ebert

Hinter tausend Stäben: Das Mansardendach des Neubaus an der Falkenrotter Straße ist schon erkennbar. Es erinnert an die alte Villa, die hier bis zum vorherigen Jahr stand. Foto: Ebert

Als die „grüne Villa“ abgerissen wurde, saßen die Nachbarskinder auf der anderen Straßenseite, aßen Eis und bestaunten das schwere Gerät. Zuletzt hatte lange der stadtbekannte verstorbene Lehrer Dr. Paul Brägelmann mit seiner Frau in dem Haus an der Falkenrotter Straße gelebt. Nun wächst an dessen Stelle ein Mehrparteienhaus mit sieben Mietwohnungen in den Himmel.

In den Augen mancher Bürger ist mit der Villa Brägelmann ein Haus verschwunden, das das Stadtbild prägte. Rechtlich aber war die Sache eindeutig: der Abriss war legal. Grundsätzlich sind Eigentümer frei in der Entscheidung, ein Gebäude abzureißen. Sie müssten nicht mal die Verwaltung informieren, erklärt Herbert Fischer, Leiter der Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit, Kultur und Marktwesen der Stadtverwaltung.

Natürlich kann es davon Ausnahmen geben. Die bekannteste ist der Denkmalschutz. Wenn ein Gebäude erstmal als Denkmal eingestuft ist, muss ein Abriss genehmigt werden. Die Hürden dafür sind hoch, wie das Niedersächsische Landesamt für Denkmalpflege (NLD) auf Anfrage erklärt. Abrisse würden nur genehmigt, wenn die Erhaltung eines Gebäudes „wirtschaftlich unzumutbar ist“. Entscheidend ist dafür nicht die finanzielle Lage der Eigentümer im Speziellen, sondern die zu erwartenden Kosten einer Sanierung im Allgemeinen, wie Christel Scharf, Baufachbereichsleitung der Stadt Vechta präzisiert.

Ein Haus kann aus verschiedenen Gründen ein Denkmal sein

Doch wann ist ein Gebäude ein Denkmal? Darüber entscheidet das NLD. Maßgeblich sei, so das Amt, ob einem Objekt „eine geschichtliche, wissenschaftliche, städtebauliche oder künstlerische Bedeutung“ zukomme und „der Erhalt im öffentlichen Interesse steht“. Der Erhalt der Villa Brägelmann war anscheinend nicht in diesem Sinne „im öffentlichen Interesse“.

Bevor das Haus abgerissen wurde, war es bei einer Überprüfung als „nicht denkmalwürdig“ eingestuft worden, wie Petra Borchers erklärt. Sie ist Geschäftsführerin der Firma Aumann & Borchers, die das Haus gekauft hat und nun durch einen Neubau ersetzt.

Grundsätzlich kann ein Haus aus verschiedenen Gründen zum Denkmal erklärt werden. Dabei kann sich der Vergleichsmaßstab unterscheiden: Die künstlerische Bedeutung eines Hauses wird mit jener ähnlicher Objekte in ganz Niedersachsen verglichen. Das bedeutet: Es kann Gebäude geben, die Menschen in Südoldenburg aus künstlerischer Sicht als erhaltenswert betrachten. Weil es aber in anderen Teilen Niedersachsens, etwa in Braunschweig, Hannover oder Oldenburg noch viel bedeutendere Objekte der gleichen Art gibt, kann einem Haus in Vechta der Status als Denkmal verwehrt werden.

Was die städtebauliche Bedeutung eines Hauses angeht, zählt hingegen nur der Maßstab vor Ort, so das NLD. Dabei sei es aber nicht ausschlaggebend, wie Zeitgenossen ein Gebäude bewerteten, stellt das Amt klar: Das „öffentliche Erhaltungsinteresse“ bestimme sich „nicht am Zeitgeist gesellschaftlicher Schichten, (...) sondern nach Kriterien der Authentizität, Originalität und Seltenheit“.

Ein Konzept soll die künftige Verdichtung der Stadt regulieren

Da also die Villa Brägelmann nicht unter Denkmalschutz stand, durfte sie abgerissen werden. Das war aus Sicht von Petra Borchers unumgänglich. Das Haus sei „nicht mehr erhaltenswert“ gewesen und eine Sanierung hätte „den Kostenrahmen gesprengt“, zumal der Kaufpreis „ohnehin hoch“ gewesen sei, so die Immobilienentwicklerin.

Hierin zeigt sich ein Zielkonflikt: Verkaufswillige Eigentümer haben meist das Interesse, Häuser möglichst gewinnbringend zu verkaufen. Höchstpreise können meist aber nur Immobilieninvestoren zahlen. Aufgrund vieler Abrisse in der Vergangenheit ist davon auszugehen, dass dieser hohe Kaufpreis nur refinanziert werden kann, wenn sanierungsbedürftige Gebäude durch Mehrparteienhäuser ersetzt werden. Der Wunsch, historische Bausubstanz zu erhalten, lässt sich häufig also nur schwer mit den wirtschaftlichen Interessen alter und neuer Eigentümer vereinen.

Dazu kommt: Obwohl der Stadt nach Angaben von Sprecher Fischer daran gelegen ist, historische Bausubstanz zu bewahren, liegt es auch im Interesse von Stadtpolitik und Stadtverwaltung, den inneren Bereich Vechtas zu verdichten. Sprich: Häuser zu errichten, die mehr Menschen ein Zuhause bieten können, als es ein Einfamilienhaus kann.

Das spiegelt sich auch im Verdichtungskonzept der Stadt wider. Dieses sei zwar keine rechtlich verbindliche Satzung, aber der Stadtrat habe einen „Selbstbindungsbeschluss“ gefasst, erklärt Fischer auf Anfrage.

Das Konzept soll die künftige Verdichtung in der Stadt Vechta regulieren. Entlang der Großen Straße dürfen demnach unbegrenzt viele Wohnungen in einem Haus entstehen. Auf der Nordseite der Falkenrotter Straße, dort wo die Villa Brägelmann stand, sind höchstens Häuser mit sechs Wohnungen vorgesehen. Der zur Zeit entstehende Bau bekommt nach Borchers' Angaben sieben Einheiten.

Mit Blick auf die optische Gestaltung von Neubauten sagt Baufachbereichsleiterin Scharf, sie wünsche sich, dass Architekten sich noch mehr Fragen der Bauästhetik und der Baukultur annähmen und diese ins Gleichgewicht mit wirtschaftlichen Überlegungen brächten. Borchers meint, für ihr Unternehmen sei das beim Bau an der Falkenrotter Straße geschehen. Mit dem geplanten Mansardendach solle ein Hausgiebel „in Anlehnung an den Vorgängerbau“ entstehen.

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