Wolfsexperte kritisiert Anfüttern des Rudels
Ulrich Wotschikowsky befürchtet, dass die Wölfe auf diese Weise die Scheu vor Menschen verlieren können.
Matthias Niehues | 23.12.2017
Ulrich Wotschikowsky befürchtet, dass die Wölfe auf diese Weise die Scheu vor Menschen verlieren können.
Matthias Niehues | 23.12.2017
Niederländische Petition: Der Wolfs-Fan und die Tiere mit Fischen lockende Hans Hasper sucht Unterstützter für „Goldie“. Foto: M. Niehues
Der Jäger staunte nicht schlecht. Aus geringer Entfernung sah er am Freitagmittag vor einer Woche, wie der Rüde des Goldenstedter/Barnstorfer Wolfsrudels im Grünenmoor in Vechta ein gerissenes Reh ins Gras zog und daran fraß. Wenig später konnte er das Tier beim Ausruhen erneut beobachten. 15 Minuten schaute er zu und machte sogar Fotos. „Der Wolf zeigte keinerlei Scheu“, sagt er. Begegnungen zwischen Mensch und Wolf im Bereich der Moore zwischen Vechta und Barnstorf häufen sich in letzter Zeit. Betroffene sorgen sich, dass das Rudel der Goldenstedter Wölfin die Scheu vor Menschen verlieren könnte. Liegt es am Anfüttern für Tieraufnahmen? Nachdem diese Zeitung im November erstmals darüber berichtet hatte, dass Tierfilmer aus den Niederlanden mit Makrelen aus der Fischdose Wölfe anlocken, um sie filmen zu können, meldet sich jetzt Ulrich Wotschikowsky zu Wort. Der bekannte Wolfsexperte kritisiert, dass Wölfe auf diese Weise die Distanz zu Menschen verlieren könnten und weist auf die Gefahr einer Futterkonditionierung hin. So musste in Niedersachsen in jüngster Zeit ein Wolf des Munsteraner Rudels mit der Bezeichnung MT6 erschossen werden, weil er offensichtlich von Soldaten angefüttert wurde und sich wiederholt Menschen mit der Futtererwartung näherte. Wotschikowsky kritisiert zudem, dass das gefährliche Anfüttern von Wölfen zwar in Schleswig Holstein verboten ist, nicht aber in Niedersachsen. Angesichts der Erfahrungen mit MT6 sei das ein Versäumnis. Die niederländischen Tierfilmer hatten im Herbst wiederholt mit Fischen die Wölfe angelockt. Urheber Hans Hasper berichtet darüber genauso wie sein niederländischer Kollege via Facebook. Die Wölfe hätten mitunter sofort auf die ausgelegten Makrelen reagiert, heißt es dort. Das Vorgehen der Niederländer zeigten die Goldenstedter Naturfreunde bei den Landkreisen Vechta und Diepholz an. Gebündelt wird der Vorgang bei der Unteren Naturschutzbehörde in Diepholz, die aber mangels rechtlicher Handhabe jetzt mit einem Schreiben an die Tierfilmer darauf drängen will, das Anfüttern einzustellen. Detlef Tänzer, Leiter der Behörde, will das Gespräch suchen. Ein Druckmittel hat er immerhin: Offensichtlich haben die Niederländer auch Bereiche des Moores betreten, die unter Naturschutz stehen. Das Verlassen der Wege ist dort nicht gestattet. Wie Hans Hasper gegenüber dieser Zeitung einräumt, steht er auch in engem Kontakt zu Jan Olsson vom Verein Wolf-Informations- und Schutz-ZentrumVechta und zu Christian Berge aus Buchholz, ein Ex-Rechtsanwalt und Wolfshundezüchter. Olsson behauptete noch vor wenigen Monaten, er könne nur noch zwei lebende Welpen des Rudels bestätigen. Zugleich warb er um Spenden für den Wolfsverein. Diese Darstellung erhält Olsson auch jetzt noch aufrecht, obwohl seine holländischen Freunde mit ihren Fisch-Filmen die Existenz aller Welpen nachweisen können. Christian Berge, der sich selbst als Anwalt der Wölfe sieht, zeigte im vergangenen Jahr zwei Jäger im Kreis Diepholz an, weil sie ein totes Reh in der Natur liegen ließen und für das Wolfsmonitoring mit einer Wildtierkamera bestückten. Er unterstellte den Jägern illegales Anfüttern. Auf seiner Webseite erklärte er, dass man „Wölfe auf gar keinem Fall“ anfüttern darf. Das Verhalten der Jäger wurde zwar abschließend nicht als solches eingestuft, aber Berge wertet offensichtlich mit zweierlei Maß. Denn das Anlocken mit Makrelen seiner niederländischen Videofreunde kritisiert Berge nicht. Stattdessen hat er Hans Hasper gewinnen können, mit ihm gemeinsam gegen die Resolution des Goldenstedter Rates vorzugehen, die eine Entnahme des Rudels verlangt. In mehreren Mails, die Berge jetzt an alle Beteiligten von der Gemeinde Goldenstedt bis zum Ministerpräsidenten schickte, stellt der Jurist die Behauptung auf, das Goldenstedter Rudel bilde in Westniedersachsen eine eigene Population, die es besonders zu schützen gelte. Gerade dieses Rudel sei wichtig für die Niederlande. Der Nachwuchs werde dort Fuß fassen. Im Mailanhang verweist er auf „3 Videos von Goldie und ihren Kindern und Gatten“. Hans Hasper startete als Urheber der Videos daraufhin gleich eine entsprechende Online-Petition in den Niederlanden. Er verwendete dafür eine Nahaufnahme von „Goldie“. Dass seine Makrelen-Aufnahmen möglicherweise schneller zum Tod seiner geliebten Goldenstedter Wölfin führen könnten als die Goldenstedter Resolution, hatte er vorher wohl nicht bedacht.
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