Wo gestresste Reisende zur Ruhe kommen
Am 14. Juni 1970 wurde die Neuenkirchener Autobahnkapelle eingeweiht. 50 Jahre danach pflegen Josef und Else Rechtien das Objekt.
Klaus-Peter Lammert | 07.06.2020
Am 14. Juni 1970 wurde die Neuenkirchener Autobahnkapelle eingeweiht. 50 Jahre danach pflegen Josef und Else Rechtien das Objekt.
Klaus-Peter Lammert | 07.06.2020
Josef und Else Rechtien kümmern sich seit fast acht Jahren um das kleine Gotteshaus auf dem Gelände des Brückenrestaurants. Foto: Lammert
Das kleine Gotteshaus auf dem Gelände der Rastanlage Dammer Berge an der Autobahn 1 auf Neuenkirchener Gebiet ist zwar längst nicht die einzige Autobahnkapelle im Land, insgesamt gibt es 44, aber sie ist eine besondere. Sie war bei ihrer Einweihung die erste ökumenische Autobahnkapelle. Zwar wurde die Kapelle am 3. Oktober 1969 eröffnet, trotzdem findet auch am 14. Juni ein Jubiläum statt: Die Einweihung fand dann vor exakt 50 Jahren statt. Der damalige Landesbischof Dr. Hans-Heinrich Harms von der Evangelisch-lutherischen Kirche in Oldenburg und Offizial Heinrich Grafenhorst aus Vechta nahmen die Segngung vor. Das Grundstück, auf dem das Gotteshaus entstand, stammte vom Nellinghofer Landwirt Ewald Kronlage. Einer, der damals am Bau der runden Kapelle mit ihrem Durchmesser von rund acht Metern beteiligt war, ist Josef Rechtien. Noch immer ist er dem Gotteshaus eng verbunden. Denn der Maurer im Ruhestand pflegt mit seiner Frau Else die Kapelle seit dem 18. Juni 2012. Damals übernahmen beide die Aufgabe von Klemens Moormann. Seitdem hüten die beiden Rechtiens das Gebäude mit seiner weiß gestrichenen Wand, den beiden runden Sitzbänken und dem Altar wie ihren Augapfel. Ein bis zwei Mal pro Woche fahren sie zum Gotteshaus, alle Putzutensilien im Auto verpackt. Bis zu zwei Stunden sind sie beschäftigt, um alles wieder schier zu machen. Aber nicht nur das Reinigen gehört zu den Aufgaben. Die Rechtiens sorgen auch für den Kerzennachschub. "Alle zwei Wochen legen wir einen Karton mit 230 Kerzen hin", erzählt Josef Rechtien. Die Kerzen können die Besucher der Kapelle anzünden und damit Bitten an Gott oder an die Gottesmutter Maria verbinden, deren hölzerne Skulptur seinerzeit der Neuenkirchener Künstler Ferdinand Starmann für die Kapelle geschaffen hatte. "Eigentlich brennt fast immer mindestens eine Kerze in der Kapelle", sagt Else Rechtien. Das zeige, wie gut das kleine Gotteshaus an der viel befahrenen A 1 angenommen wird. Davon zeugt auch das Anliegenbuch auf dem Altar, in das die Reisenden Wünsche, Sorgen oder auch einfach mal ein Lob für die Rechtiens eintragen, weil die Kapelle so gepflegt ist. Da gibt es dann auch mal etwas kuriose Einträge. So erinnert sich Josef Rechtien an einen Fanclub des Fußballbundesligisten Schalke 04, der auf der Fahrt zu einem Spiel der Knappen an der Kapelle Pause machte. Jemand trug in das Buch ein "Schenke uns drei Punkte". Etwas weiter hinten las sich: "Hat leider nicht geklappt." Etwa alle sechs Monate ist ein solches Buch von der ersten bis zur letzten Seite vollgeschrieben. Dann tauschen die Rechtiens es aus. Die vollgeschriebenen Exemplare bekommt das Pfarrbüro. Seit der Eingliederung der Neuenkirchener Kirchengemeinde St. Bonifatius in die St.-Viktor-Kirchengemeinde Damme vor sechs Jahren ist letztere auch für die 2015 zuletzt mit einem neuen Innenanstrich versehene Autobahnkapelle zuständig. Vom Seelsorgeteam kümmert sich seit 2017 Pastoralreferent Florian Rolfes um das Gebäude. Das, so verrät er, erfülle eigentlich nicht die damaligen Vorgaben, das eine "Busladung Menschen" Platz in einer Autobahnkapelle haben müsse. Nur zirka 15 könnten in Neuenkirchen sitzen. Noch etwas aus der Geschichte: Den Anstoß zum Bau der Kapelle gab nach Worten Florian Rolfes' Max Graf von Merveldt aus Vechta, als das Brückenrestaurant Dammer Berge entstand. Ein Kapellenverein plante und setzte das Gotteshaus durch. Der Entwurf stammte vom Leitenden Baudirektor Paul Wolters aus Hannover, die künstlerische Gestaltung übernahm der Vechtaer Albert Bocklage. So hat es Hildegard Kronlage in der Chronik "700 Jahre Nellinghof" geschrieben. "Auch Moslems beten in der Kapelle." Wie viele Menschen im Laufe der 50 Jahre einen Moment der Ruhe und Besinnung abseits der Autobahn in der rund um die Uhr geöffneten Kapelle gesucht haben, hat nach Worten Florian Rolfes' niemand erfasst. Das Buch auf dem Altar mit den Anliegen und Wünschen verrät aber, dass es viele sind. Und längst nicht nur Christen. "Auch Moslems beten in der Kapelle", erzählt Josef Rechtien. "Die Kapelle ist in erster Linie ein Ort der Einkehr", stellt Florian Rolfes fest. Einmal im Jahr, immer am 7. Juli, dem Tag der Autobahnkirchen, findet am Gotteshaus vormittags ein Gottesdienst und nachmittags im Gebäude eine Andacht statt. Beide bietet die Pfarrgemeinde St. Viktor an. Und 2021 richtet sie die jährlich stattfindende Konferenz der Autobahnkirchen aus. Dieses Jahr reist Florian Rolfes deswegen nach Himmelkron bei Bayreuth. Die Feier des 50-jährigen Weihejubiläums der Autobahnkapelle hat die Pfarrgemeinde auf später verschoben. Wegen der Corona-Pandemie hat sie das Fest am 14. Juni, an dem auch Bischof Dr. Felix Genn teilnehmen wollte, abgesagt.Ehepaar Rechtien pflegt das Gotteshaus
Schalke-Fanclub bat um drei Punkte
Ein Kapellenverein plante den Bau
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