Wellensittiche im Schlafzimmer

Obwohl ich nun schon länger als Gerichtsreporter dabei bin, lerne ich immer noch dazu. Ich weiß jetzt, dass der Spielplatz im Vechtaer Stadtteil Stukenborg (neben Averdams Hof) nicht mit Videokameras ausspioniert wird, und dass Wellensittiche pro Stück 10 Euro kosten.

"Was hat das mit einem Strafgericht zu tun?" Das werden Sie sich jetzt verwundert fragen. Ich kläre auf.

Zwei Männer (40 und 31), die im Stadtteil Stukenborg leben, hatten sich wegen Hehlerei, Diebstahl und Hausfriedensbruch zu verantworten. Folgendes war passiert: Die Kinder des 40-jährigen Angeklagten brachten im Juni 2019 ein Gerät mit nach Hause, das an einem Baum gehangen hatte. Sie wollten von Papa wissen, ob damit der Spielplatz beobachtet werde.

Der Mann war ahnungslos. Er nahm das Gerät auseinander und schaute im Internet nach, um was es sich handeln könnte. Er wurde fündig: Der Nachwuchs hatte einen Batlogger angeschleppt. Das ist ein Gerät, das Fledermausrufe aufzeichnen kann.

"Der Mann traf sich öfter am späten Abend mit Freunden zum Fischen beim „Ententeich in Vechta“; gemeint ist das Regenrückhaltebecken an der Schweriner Straße. Es wurden Bier und Wodka getrunken."

Klaus Esslinger, Gerichtsreporter

Der 40-Jährige meinte nun, ein solches Gerät könne man in Deutschland nicht kaufen und sei so um die 900 Euro wert. Jetzt kam sein Freund und Mitangeklagter ins Spiel, der sich mit Verkäufen auf dem Online-Marktplatz ebay auskennt. Für 600 Euro stellte er den Logger dort ein. Ein Käufer fand sich nicht. Dennoch: Der 40-Jährige und der 31-Jährige machten sich der Fundunterschlagung und des Versuchs der Hehlerei schuldig. 

In einer zweiten Anklage, die nur den alkoholkranken 31-Jährigen betraf, wurde es noch besser. Der Mann traf sich öfter am späten Abend mit Freunden zum Fischen beim „Ententeich in Vechta“; gemeint ist das Regenrückhaltebecken an der Schweriner Straße. Es wurden Bier und Wodka getrunken.

Einmal nun, so heißt es in der Anklage, trat der 31-Jährige den Rückweg so betrunken an, dass er schließlich quer durch die Gärten irrte. Dabei kam er an einer Voliere vorbei, schnitt den Draht auf und stahl alle 9 Wellensittiche. Wie? Daran kann sich der Vechtaer bis heute nicht erinnern. Er erklärte auch vor Gericht, er sei am Morgen aufgewacht und die Vögel seien in seinem Zimmer umhergeflogen. Er habe sie dann „frei gelassen“.

Man lese und staune, der Diebstahl wurde angezeigt und der Täter wurde durch das Blut am Zaun und eine DNA-Analyse ausfindig gemacht. Er wisse nicht, was er sich dabei gedacht habe, erklärte der Vechtaer. Als ihm gesagt wurde, er habe den Schaden von 90 Euro ja schon bezahlt, wusste er auch das nicht. Die Quittung befand sich aber in der Akte, auch ein Entschuldigungsschreiben an den Vogelhalter lag vor.

Bei der Frage der Strafzumessung kamen nicht nur die 13 Vorstrafen beider Angeklagten zur Sprache, sondern auch die Tatsache, dass der Wellensittich-Mann sich in einer stationären Therapie befand, um von der Alkoholsucht abzukommen. Der kurzzeitige Batlogger-Besitzer erhielt eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 40 Euro und der Mann mit den Wellensittichen im Schlafzimmer wurde zu einer 9-monatigen Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Er muss die Therapie abschließen und sich einer Selbsthilfegruppe anschließen. Wegen der Freilassung der Wellensittiche hatte er schon ein Bußgeld von 600 Euro vom Landkreis aufgebrummt bekommen.

Zur Person:

• Klaus Esslinger ist Gerichtsreporter und war viele Jahre Lokalchef der Oldenburgischen Volkszeitung.
• Kontakt zum Autor über: info@ov-online.de.