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Unser Leben in Quoten

Kolumne: Batke dichtet – Ob 9-Euro-Ticket, Fernsehsendung, Corona-Impfung oder Lottosspiel – alles dreht sich um Quoten. Denn Quoten sind elementare Bestandteile gesellschaftlichen Handels.

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Reden wir doch einmal über Dinge, die unseren Alltag messbar machen. Reden wir über Quoten. Unser Leben ist gewissermaßen „quotiert“. Nehmen wir die Bahn. Ein Sprecher nach dem ersten 9-Euro-Ticket-Wochenende über Pfingsten: „Teilweise hatten wir eine Auslastungsquote von 130 Prozent.“ Billigfahren sprengt die Grenzen der Mathematik und schweißt zusammen. Ob es Auswirkungen auf die Infektionsquote hat, werden wir noch sehen.

Lottospieler fiebern den Gewinnquoten entgegen und sind oft ernüchtert, dass sie nicht die Einzigen mit sechs Richtigen sind. Derlei Befürchtungen müssen beispielsweise Öl-Multis nicht haben, sie sind auf das Glücksspiel nicht angewiesen. Betrachten wir zum Beispiel die Gewinnquote von Saudi Aramco im ersten Quartal 2022: Sie liegt bei 82 Prozent, was umgerechnet 39,5 Milliarden Euro entspricht – da nehmen sich die 7,1 Milliarden Gewinn von Shell im gleichen Zeitraum (Quote 36 Prozent) fast schon bescheiden aus.

Quoten sind elementare Bestandteile gesellschaftlichen und politischen Handelns. So bereitet die bei uns ausbaufähige Impfquote (77 Prozent) den Verantwortlichen berechtigterweise Sorgen hinsichtlich des dritten potenziell heißen Corona-Herbstes in Folge. Im gleichen Atemzug wundern wir uns darüber, dass trotz Pandemie und Krieg die Arbeitslosenquote zuletzt sogar gesunken ist (4,9 Prozent), während die Scheidungsquote auf 38,5 Prozent gestiegen ist. Und wir beklagen noch immer die niedrige Frauenquote in den Vorständen unserer Großunternehmen (16,4 Prozent).

"Wenn zum Beispiel im Fernsehen am Nachmittag Angestaubtes aus den Rumpelkammern der Nation bei 'Bares für Rares' verhökert wird, schauen im Schnitt mehr als 2 Millionen Menschen zu."Alfons Batke

Auch im Bereich der Medien sind die Quoten das Maß der Dinge. Wenn zum Beispiel im Fernsehen am Nachmittag Angestaubtes aus den Rumpelkammern der Nation bei „Bares für Rares“ verhökert wird, schauen im Schnitt mehr als 2 Millionen Menschen zu. Händlerkarten-Verteiler Horst Lichter wird als Quotenkönig gefeiert, auch weil er rivalisierende Programme wie „Sturm der Liebe“, „Der Trödeltrupp“ oder „Zwischen Tüll und Tränen“ aus dem Feld schlägt.

Hinsichtlich der Einschaltquoten aber bleiben Fußball-Übertragungen das Maß der Dinge. In der Jahresauswertung für 2021 lagen acht Spiele unter den Top Ten. Schwacher Trost für Ex-Bundestrainer Jogi Löw: Das am 29. Juni mit 0:2 gegen England verlorene EM-Achtelfinale war nicht nur sein letzter Arbeitstag, sondern machte ihn mit 27,49 Millionen Zusehern zum Quotenking des Jahres. Womöglich kann er auf diesen Titel verzichten.

So richtig freuen dürfte sich auch der Bielefelder Fußballer Stefanos Kapino nicht über seine persönliche Traumquote. Er führt das Ranking der Bundesliga-Torhüter in der vergangenen Saison mit 100 Prozent gehaltener Bälle an. Allerdings stand er auch nur in einem Spiel (beim 2:0 in Leipzig) im Kasten. Hätte er immer zwischen den Pfosten gestanden, wäre die Arminia womöglich nicht abgestiegen. Oder doch? Egal, Quoten sind nicht alles, und so kann ich auch mit den 83,67 Prozent leben, die diese Kolumne zu Ende gelesen haben. Schätze ich mal.


Zur Person:

  • Alfons Batke blickt auf eine über 40-jährige journalistische Laufbahn zurück.
  • Der 66-Jährige lebt als freier Ruheständler in Lohne.

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