Sprach-Kitas vor dem Aus? Bei Fachtagung des Ludgerus-Werks ist Verunsicherung spürbar
Mehr als jede 2. Kita im Landkreis Vechta nimmt an dem Bundesprogramm teil. Die ungewisse Zukunft sorgte für Gesprächsstoff bei einer Fachtagung des Ludgerus-Werks im Vechtaer Kreishaus.
Sprache ist der Schlüssel: Speziell geschulte Fachkräfte stärken die Erzieherinnen darin, das eigene Sprechverhalten und die Sprachentwicklung des Kindes zu beobachten, zu fördern und zu fordern. Foto: dpa/Burgi
Ende 2022 läuft das Bundesprogramm "Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist" aus. Ob und wie es anschließend weitergeht, ist derzeit unklar. Das mögliche Aus der Sprach-Kitas beschäftigte auch die etwa 80 Teilnehmer einer Fachtagung, die das Ludgerus-Werk Lohne am Donnerstag im großen Sitzungssaal des Kreishauses Vechta abhielt. Es war große Verunsicherung spürbar, vor allem bei den Sprachfachkräften, die um ihre Jobs zittern.
Auch Sandra Kosmala sagt unumwunden: "Die Unsicherheit ist da." Sollte keine Fortsetzung des Bundesprogramms erfolgen, müsste aus Sicht der Fachberaterin für Sprach-Kitas im Landkreis Vechta eine Alternative geschaffen werden, beispielsweise über eine kommunale Unterstützung. "Sonst verlieren die Kitas viel Professionalität."
Schon jetzt sei es so, berichtet Kosmala, dass die speziell geschulten Fachkräfte, die sonst die Erzieherinnen darin stärken, das eigene Sprechverhalten und die Sprachentwicklung des Kindes zu beobachten, zu fördern und zu fordern, sich beruflich umschauen. Teilweise bewerben sie sich auf Leitungsstellen oder verlassen den Bereich der Kindertagesbetreuung. "Das verstärkt den Fachkräftemangel im Elementarbereich zusätzlich."
Ein Mutmacher: Vechtas Landrat Tobias Gerdesmeyer hielt ein klares Plädoyer für eine alltagsintegrierte sprachliche Bildung als festen Bestandteil in der Kindertagesbetreuung. Foto: Timphaus
Laut der Fachberaterin für Sprach-Kitas sollte die Fachtagung im Kreishaus einen Überblick über die Qualitätsentwicklung in den Kitas geben und die stetige Verbesserung in der sprachlichen Bildung, inklusiven Pädagogik sowie der Zusammenarbeit mit Familien dokumentieren. "Wir wünschen uns, dass Impulse auch in den politischen Entscheidungsprozess mitgenommen werden."
Im Landkreis Vechta gibt es aktuell 73 Kitas. Davon beteiligen sich 42 an dem Bundesprogramm "Sprach-Kitas" – eine starke Quote, auf die auch Kosmala verweist. "Mehr als jede 2. Kita im Landkreis Vechta ist eine Sprach-Kita. Bundesweit ist es etwa jede Zehnte", sagt sie.
Jedes 5. Kind hat eine nicht deutsche Familiensprache
Die Fachberaterin nennt Zahlen, die die Notwendigkeit einer alltagsintegrierten sprachlichen Bildung in der Kindertagesbetreuung verdeutlichen. Nach ihren Angaben weisen 786 Kinder im Landkreis im Jahr vor der Einschulung einen besonderen Sprachbildungs- und Sprachförderbedarf auf. Das sind 14,63 Prozent von allen derzeit verfügbaren 5372 Kindergartenplätzen.
Und weiter: Gemäß der amtlichen Kinder- und Jugendhilfestatistik hat in Deutschland jedes 5. Kind in der Kinderbetreuung eine nicht deutsche Familiensprache – Tendenz steigend.
Vechtas Landrat Tobias Gerdesmeyer, der als einziger politischer Vertreter der Einladung gefolgt war, präsentierte sich gut vorbereitet und informiert. Er hielt ein Plädoyer für eine alltagsintegrierte sprachliche Bildung als festen Bestandteil in der Kindertagesbetreuung. "Da sollte man auch nicht sparen", sagte er und ergänzte später: "Wir dürfen dieses Bundesprogramm nicht einfach auslaufen lassen." Dafür erhielt er Applaus.
"Bleiben sie streithaft für Integration, für Kinderrechte."Tobias Gerdesmeyer, Landrat des Landkreises Vechta
Gerdesmeyer bedankte sich bei den Erzieherinnen für ihr Engagement und ihre Motivation, die trotz Herausforderungen wie der sich weiter verändernden Gesellschaft und zu großer Gruppen nur selten geschmälert werde. "Das ist keine Sonntagsrede", betonte der Lohner. Er appellierte an die Teilnehmer: "Bleiben sie streithaft für Integration, für Kinderrechte."
Kosmala sagte in Richtung des Landrates: "Wir nehmen Sie beim Wort." Anschließend skizzierte sie die Ziele des Bundesprogramms und leitete zu Jasmin Bempreiksz-Luthardt und Sara Awischus über.
Studie bestätigt positive Effekte der Sprach-Kitas
Die beiden Frauen arbeiten beim Zentrum für Professionalisierung der Elementarpädagogik (PEP) in Berlin, das für die Qualifizierung der zusätzlichen Fachberatungen zuständig ist und darüber hinaus inhaltliche Vertiefungen und Inputs über die Projektplattform Sprach-Kitas bereitstellt. Bempreiksz-Luthardt machte den Teilnehmern Mut: "Wir gehen davon aus, dass das Bundesprogramm fortgesetzt wird."
Die PEP-Mitarbeiterinnen stellten künftige Projekte vor und verdeutlichten die Nachhaltigkeit der Sprach-Kitas, deren positive Effekte in einer Studie der Otto-Friedrich-Universität Bamberg und der Freien Universität Berlin jüngst bestätigt wurden. Awischus formulierte den Merksatz: "Zusätzliche Fachkräfte sind Impulsgeber." Die Studie habe die klare Botschaft, dass in der Kindertagesbetreuung ein Bedarf für zusätzliche Ressourcen bestehe.
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