Sie hat das Glück vom "Traumberuf" gelebt
Mechthild Beckermann war 23 Jahre Direktorin des Amtsgerichts Vechta. Nun genießt sie den Ruhestand. Bekannt ist sie auch für ihr Engagement für die Kunst.
Giorgio Tzimurtas | 08.07.2020
Mechthild Beckermann war 23 Jahre Direktorin des Amtsgerichts Vechta. Nun genießt sie den Ruhestand. Bekannt ist sie auch für ihr Engagement für die Kunst.
Giorgio Tzimurtas | 08.07.2020

Justiz und Kunst: Mechthild Beckermann vor dem Amtsgericht Vechta. Foto: M. Niehues
Zwei Mal hat sie ihre ehemalige Wirkungsstätte am Kapitelplatz 8 in Vechta in den vergangenen Wochen wieder besucht. "Ein wenig wie Nachhausekommen" habe sich das angefühlt, sagt Mechthild Beckermann, "weil das Amtsgericht Vechta wie mein zweites Zuhause war".  Am 1. Juni ist sie als Direktorin am Amtsgericht Vechta in den Ruhestand verabschiedet worden – nach 23 Jahren an der Spitze von Justitias Erstinstanz in der Kreisstadt. Beckermann war das Gesicht der Gerichtsbarkeit vor Ort – eine bekannte und prägende Persönlichkeit der Region. Beckermann selbst sagt, jeder sei nur so stark wie sein Team. Und die etwa 85 Mitarbeiter des Amtsgerichts seien ein "sehr gutes und motiviertes Team".  Sie und ihr Team hatten erst vor Kurzem eine extreme Ausnahmesituation zu meistern – wegen der Corona-Pandemie. Ausgerechnet wenige Wochen vor ihrer Pensionierung erlebte Beckermann "eine der größten Herausforderungen" ihrer Laufbahn.  Der "Spagat zwischen Infektionsschutz und Wahrnehmung der Aufgaben der Justiz" sei zu leisten gewesen. Von Ende März bis Mai gab es – abgesehen von einstweiligen Anordnungsverfahren – zwar keine Sitzungen. Aber die Arbeit des Gerichts musste weitergehen. Schichtmodelle habe sie organisiert, sagt Beckermann. Auch aus dem Urlaub heraus sei sie "immer zugeschaltet" gewesen.  Nach den Regeln der Corona-Zeit fand dann auch ihre Verabschiedung und die Einführung ihres Nachfolgers Dr. Ralph Seifert statt – mit Abstand. Während ihrer Amtszeit hat Beckermann sich allerdings stets für das Prinzip "Nähe" stark gemacht.  So setzte sie sich im Jahr 2005 vehement dafür ein, die Handelsregister bei den Amtsgerichten vor Ort zu behalten. Dass es doch anders kam und die Handelsregister in Niedersachsen an den Amtsgerichten konzentriert wurden, wo auch ein Landgericht seinen Sitz hat (in Oldenburg, Osnabrück und Aurich), das habe sie "besonders geärgert".  Denn das Amtsgericht Vechta habe eines der größten Handelsregister im Oberlandesgerichtsbezirk Oldenburg geführt – wegen der ausgeprägten Wirtschaftskraft im Landkreis. Außerdem: Die Kenntnis von Region und Leuten spiele eine wichtige Rolle bei einem Handelsregister. Erfolgreich allerdings war ihr Engagement, das Insolvenzgericht in Vechta zu behalten. Auch hier sollte es eine Zusammenführung geben.  Eine Besonderheit des Amtsgerichts Vechta ist zudem: Es ist der Kunst verbunden. Vor dem Eingang steht die Skulptur "Ritt gegen das Vorurteil" von Peter Lehmann. Das Werk zeigt eine junge Frau, seitlich auf einem Esel sitzend und mit einer Ente in der linken Hand. Die Reiterin ist bemüht, die Balance zu halten. Der Künstler habe vermutlich "die Symbolik der Justitia mit der Waage im Hinterkopf gehabt", sagt Beckermann. Diese Interpretation mag sie sehr.  Im Giebel des Amtsgerichtsgebäudes ist zudem ein Sandsteinrelief aus den 50er Jahren, das vermutlich den Heiligen Georg zeigt. Früher, berichtet Beckermann, da habe es einen gesonderten Haushaltstitel für Kunst am Bau gegeben. "Ich bedauere, dass es das heute nicht mehr gibt", betont sie. Beckermann hat selbst für Kunst in den Fluren des Amtsgerichts gesorgt. So hängen dort Picasso-Drucke. "Das Schaffen einer guten Arbeitsatmosphäre war mir immer wichtig", sagt sie.  Kunst spielt seit langer Zeit auch in ihrem Privatleben eine besondere Rolle – mit öffentlicher Wirkung. Beckermann ist seit 14 Jahren Vorsitzende des Vereins "Freundeskreis Luzie Uptmoor", der sich die Pflege des Werks der aus Lohne stammenden Künstlerin zur Aufgabe gemacht hat.  "Wir widmen uns der regionalen Kunst. Es geht um die Förderung regionaler Identität", erklärt Beckermann, die mit ihrem Mann in Lohne wohnt. Aktuell stehe "einiges an Planungsarbeit" an, denn die Galerie Luzie Uptmoor soll Räumlichkeiten im Anbau des Industriemuseums Lohne bekommen.  Für solche Aufgaben habe sie im Ruhestand mehr Zeit. Zuvor sei ihr Alltag "eng getaktet gewesen". Über den neuen Abschnitt sagt sie: "Es fühlt sich gut an. Ich genieße das."  Auch ihre sportlichen Aktivitäten könne sie ausweiten. Walken, Fahrradfahren und Schwimmen zählen dazu. Ebenso sei sie von der guten Wirkung, die Yoga habe, überzeugt. Und zu ihren Plänen zählt, noch einmal die West-Küste der USA von Seattle nach Kalifornien entlangzufahren. Rückblickend sagt sie, sie habe Glück im Leben gehabt, sie sei "ein Sonntagskind", und das auch im wahren Wortsinn. Ihre Eltern unterstützten ihren Bildungsweg. Beckermann besuchte das gerade neu gegründete Gymnasium in ihrer Heimatstadt Löningen.  Das Vorbild eines Onkels, der Rechtsanwalt und Notar war, brachte sie selbst zur Juristerei. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Göttingen und Münster kam sie zurück ins Oldenburger Land. Im Jahr 1997 wurde sie im Bezirk des Oberlandesgerichts Oldenburg die erste Frau an der Spitze eines Amtsgerichts – in Vechta.  Hier hatte sie nicht nur die Leitungsfunktion inne, sondern saß auch Verhandlungen vor. Genau das habe ihr sehr gefallen. Zu ihrem Glück gehöre auch, dass ihre Familie immer hinter ihr gestanden habe. Ihr Sohn ist derweil ebenfalls Richter – am Verwaltungsgericht Hannover. Soweit die Corona-Regeln es zulassen, steht noch eine Verabschiedung Beckermanns im großen Rahmen an – mit der Einführung ihres Nachfolgers Dr. Seifert. Und nun, da sie mehr Zeit für ihre privaten Interessen hat, begleitet sie zugleich diese Gewissheit: "Ich habe meinen Beruf sehr geliebt." Es sei ihr „Traumberuf“ gewesen.Spagat zwischen Infektionsschutz und Aufgaben der Justiz
Einsatz für das Prinzip "Nähe"
"Das Schaffen einer guten Arbeitsatmosphäre war mir immer wichtig."Mechthild Beckermann, ehemalige Direktorin des Amtsgerichts Vechta
"Wir widmen uns der regionalen Kunst. Es geht um die Förderung regionaler Identität."Mechthild Beckermann, Vorsitzende des Freundeskreises Luzie Uptmoor
Mehr Zeit für Walken und Schwimmen
Verabschiedung im großen Rahmen soll folgen 
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