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Schließung bedeutet gigantische Schäden

Das Land Niedersachsen hat gestern die Gartenfachmärkte im Land dicht gemacht. Kritik an Verfügung wird laut. Die gesamte blühende Frühjahrsware wird jetzt vernichtet.

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Im Zuge der erweiterten Kontaktbeschränkungen des Bundes wegen der Coronavirus-Pandemie haben die Länder am Wochenende ebenfalls veränderte Verfügungen erlassen. Seit gestern hat die Niedersächsische Landesregierung nun Baumärkten, Gartenfachmärkten und Gartenbaumärkten die Öffnung für den allgemeinen Kundenverkehr untersagt. Lediglich an gewerbliche Kunden dürfen diese noch verkaufen. Für die Betreiber von Gartencentern im Landkreis ist die Schließungsanordnung ein heftiger Schlag.

Von „gigantischen Schäden“ berichtet Rainer Ostmann, der mittlerweile fünf Gartencenter betreibt, darunter mit Visbek und Vechta zwei im Landkreis. Allein er wird „um die 200000 Pflanzen vernichten“ müssen, berichtet der Gärtnermeister. Das tue auch persönlich „sehr weh“. Als Gärtner sehe man in den Pflanzen mehr als das Geld – man „vergießt gerade viel Herzblut“. Die Schnittblumen haben Ostmann und weitere Kollegen „bevor wir diese wegschmeißen müssen“, in Altenpflegeheimen abgegeben.

Wie die Abgabe der Blumen an dankbare Menschen sei auch „das neue Geschäftsmodell etwas Gutes im Schlechten“, sagt Ostmann. „Wir lernen gerade Onlinehandel.“ Vier Telefonistinnen nehmen derzeit Kundenbestellungen entgegen. In den Centern werden dann Frühlings- oder Salatpakete gepackt, die ausgeliefert oder abgeholt werden können.

Sauer ist Ostmann auf das Land. Er spricht von „völlig unplanbaren Entscheidungen der Politik“ und bemängelt, dass in allen nördlichen Bundesländern Gartencenter noch geöffnet sein dürften, nur in Niedersachsen nicht. Er betitelt solche Anordnungen angesichts seiner verderblichen Ware als „Unsinn“. Jetzt gingen „die ganzen Frühjahrsblüher verloren“. Die notwendigen Abstandsregelungen habe man bis zur vergangenen Woche doch gut eingehalten, außerdem würde die grüne Ware doch meist in Freiluftbereichen angeboten, versteht er die aktuelle Verfügung nicht. Auch eine Ungleichbehandlung sieht Ostmann: „Warum dürfen Geschäfte mit Lebensmittelsortiment, die fast alle auch Pflanzen mit im Angebot haben, diese fleißig weiter verkaufen?“

Er prophezeit für die spätere Saison Engpässe bei Zierpflanzen und wohl auch beim Gemüse-Jungpflanzenangebot. Das wichtigste Ziel für ihn: „Durchhalten bis zum 19. April, dann läuft die Verfügung aus.“ Dann werde man auch lieferfähig sein. Seine 120 Mitarbeiter will Ostmann noch nicht auf Kurzarbeitergeld setzen. Das Personal wird für Aufräumarbeiten eingesetzt, oder „müsse jetzt ja wegschmeißen“, wird er sarkastisch.

Die Gewächshäuser sind voll: Stephan Tebbe.Die Gewächshäuser sind voll: Stephan Tebbe.

Martin Enneking vom gleichnamigen Baumschulgarten in Damme verfügt über ein nur kleines Sortiment von Frühjahrsblühern. Im jetzt geschlossenen Gartencenter bietet er überwiegend Stauden und Gehölze an. Bis zur vergangenen Woche habe man davon profitiert, dass der Nachbarlandkreis Osnabrück schon früh mit eigener Verfügung die Gartenmärkte dicht gemacht hatte. Das sei nun aber vorbei. Er rechnet mit Umsatzeinbußen, verfügt aber mit einem Garten- und Landschaftsbaubetrieb über ein zweites Standbein. Zwar sei jetzt Hauptpflanzzeit für seine Ware, doch könne man diese auch noch im Herbst verkaufen. Man müsse nichts wegschmeißen, wie viele Branchenkollegen.

Das Gartencenter Tebbe in Vechta ist ebenfalls geschlossen. Stephan Tebbe berichtet, dass das Gartencenter seinen Kunden jetzt nur noch Lieferservice oder Abholung anbieten kann. Alle 20 Mitarbeiter werden jetzt in die Kurzarbeit geschickt, denn mittlerweile reicht eine Person, um die über die Serviceleistungen zu erledigenden Aufträge abzuarbeiten. Die wenigen Kunden, die ihre Ware vorbestellt haben, können ihre Pflanzen am EC-Gerät bezahlen, das nun „draußen vor der Tür steht“, oder „sie reichen uns den Rechnungsbetrag in bar in einem Umschlag herein.“

Aber beide Maßnahmen fangen den weggebrochenen Umsatz nicht auf. Wenn auch der Verkauf von Gemüsejungpflanzen wie Salat oder Tomate noch ein kleiner Lichtblick ist, wird das Unternehmen vor allem auf der Frühjahrssaisonware vom Stiefmütterchen bis zur Narzisse, sitzen bleiben. „Es darf ja keiner mehr kommen, obwohl wir hier verderbliche Ware haben“, findet die Verfügung des Landes kein Verständnis bei Tebbe.

Die Hauptpflanzzeit liegt in den Monaten April und Mai. Die Gewächshäuser sind voll mit blühenden Pflanzen, die zeitnah an den Endkunden verkauft werden sollten. Doch jetzt ist alles anders: „Wir müssen bis zum 18. April schließen. Wenn das allein schon eine Katastrophe ist, kommt dann auch noch hinzu, dass in diese Zeit das Osterfest fällt,“ sagt Tebbe. Auch dieses sei ein Anlass, zu dem gerne Blumen verschenkt würden.

Der sich abzeichnende wirtschaftliche Schaden für das Unternehmen durch das Coronavirus ist hoch. Gerade ist ein Lastkraftwagen aus Italien eingetroffen, beladen mit einer Vielzahl an Formgehölzen und Palmen. „Eine teure Lieferung“, meint Tebbe. Nicht wegen der Einstandspreise für die Pflanzen, die seien noch moderat, aber wegen „der extrem hohen Kosten“ für den Transport. „An der Ware wäre für uns ohnehin nicht mehr viel zu verdienen gewesen. Aber absagen mochte ich die Lieferung auch nicht mehr, denn den Italienern geht es auch gerade sehr schlecht. Aber jetzt nach der Schließungsverfügung hier bei uns müssen wir Sorge haben, ob wir die eingetroffene Ware überhaupt noch absetzen können.“

Mit Blick auf die in der vergangenen Woche gelieferten Kräuterpflanzen und Margeriten ahnt Tebbe schon heute: Er wird viel wegwerfen müssen. Da sei es gut, dass man noch den Garten- und Landschaftsbaubetrieb habe, sagt er.

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