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OM-Zukunftsmacherin 2025: Schiedsrichterin Sarah Willms und ihr Weg an die Spitze

Am 19. Juni wird in Emstek die vierte OM-Zukunftsmacherin gekürt. Mehr als 120 Frauen werden dabei sein. Eine der starken Frauen im OM ist Sarah Willms.

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Auf dem Fußballplatz zuhause: Sarah Willms pfeift regelmäßig auch in der 2. Frauen-Bundesliga. Foto: Willms

Auf dem Fußballplatz zuhause: Sarah Willms pfeift regelmäßig auch in der 2. Frauen-Bundesliga. Foto: Willms

Es ist Samstagnachmittag. Die Sonne scheint auf den Kunstrasen des TSV Abbehausen in Nordenham. Sarah Willms geht zügig voran Richtung Fußballfeld. Sie trägt eine kurze schwarze Hose, das DFB-Logo auf ihrem schwarzen Aufwärmshirt ist deutlich zu erkennen. Jetzt heißt es erstmal: den Platz überprüfen und den Ablauf besprechen. In 60 Minuten beginnt das Spiel, bei dem Sarah Willms zum letzten Mal in der Saison pfeifen wird: Das Derby der Bezirksliga Weser-Ems 2 zwischen TSV Abbehausen und SV Brake, es geht um die Meisterschaft für den Gast.

Mit aufrechtem Gang geht es im Eiltempo vom Platz aus Richtung Schiedsrichterkabine. Im Koffer: verschiedene Trikots, Fahnen, Headset, Gelbe und Rote Karten und eine Haarbürste. Sarah Willms zieht ihre Stollenschuhe an, überprüft, ob sie alles mithat. Noch 15 Minuten bis zum Anpfiff. „Sind die Teams schon Richtung Platz?“, fragt sie einen vorbeilaufenden Spieler. Heute, das weiß sie, wird kein entspanntes Spiel. „Solche Spiele haben eine enorme Explosionskraft, wenn man Fehler macht. Solche Spiele lassen keinen Raum für Fehler“, sagt sie und läuft in nun gelbem Trikot mit ihren beiden Assistenten von der Kabine zum Fußballfeld. Fokus. Die letzten Minuten vor dem Spiel. Jetzt gleich folgen „90 Minuten harte Arbeit für mich.“


Alle Informationen zur Zukunftsmacherin finden Sie auf unserer Themenseite


Normalerweise pfeift Sarah Willms Spiele in der 2. Frauen-Bundesliga und als vierte Offizielle der Frauen-Bundesliga. Damit ist die gebürtige Friesoytherin eine der 36 besten Schiedsrichterinnen in Deutschland. Heute pfeift sie bei der Herren Bezirksliga. Ihrem Heimatverein FC Sedelsberg blieb die Wahl-Sandkrugerin bis heute treu. Dass sie nun so souverän den Platz dominiert, ist das Ergebnis eines nicht immer einfachen Weges. 

Sarah Willms‘ leibliche Mutter starb früh, da war sie gerade drei Jahre alt. Sie wuchs mit Stiefmutter und Geschwistern beim Vater auf, in einer Familie, die ihr bis heute viel bedeutet. „Wat kannst du eigentlich nicht, Kind?“, fragte sie einmal ihr Großvater. Reiten, Schule, Verantwortung übernehmen. 

Nach ihrem Abitur sah Sarah Willms zufällig bei McDonalds eine Ausbildungswerbung der Polizei, bewarb sich und wurde direkt genommen. Sie studierte, machte nebenbei noch Karriere in der Schiedsrichterei und versuchte, alle Erwartungen zu erfüllen. 

Ein Aushängeschild der CLP-Schiedsrichter: Sarah Willms. Foto: WillmsEin Aushängeschild der CLP-Schiedsrichter: Sarah Willms. Foto: Willms

Dann kam 2022 ein großer Wendepunkt in ihrem Leben. „Es war wie ein Knall im Kopf“, erinnerte sie sich. Die Diagnose: hochfunktionale Depression. Ein halbes Jahr lang stand fußballtechnisch alles still. Willms bemerkte, dass sie Grenzen setzen muss und kämpfte sich zurück – aus der Gefühllosigkeit in die Klarheit.

Heute sagte sie schmunzelnd: „Statt Nebel über meinen Gedanken, bin ich insgesamt sehr viel optimistischer geworden.“  Sie lernte wieder das Leben zu bejahen und auf ihre Bedürfnisse zu achten. Häkeln, Reiten, Renovieren, Familie, Freunde, ihr Partner: alles gehört wieder bewusst dazu. Und natürlich: der Fußball. „Ich bin Schiedsrichterin mit ganzem Herzen. Ich denke wie eine Schiedsrichterin, niemals wie eine Fußballerin“, sagte sie.

Willms steht auf dem grünen Feld. Noch steht es null zu null in der ersten Halbzeit. Abbehausen hat vorerst den Ball. Ein Schuss aufs gegnerische Tor, Willms sprintet hinterher, stoppt, geht weiter. Ihr Blick wandert kontrolliert von links nach rechts, dann nach vorn. Während die Zuschauer den Ball verfolgen, betrachtet sie jeden einzelnen Spieler.

„Aus“, sagt eine Stimme im Headset – ein kurzes Signal des Assistenten. Der Ball nun bei Brake. Willms läuft wieder, diesmal auf die andere Seite des Spielfelds. Ein Zweikampf zwischen zwei Spielern. „Ey Schiri‘“, schreit es aus der Menge. Sowohl von den Auswechselbänken als auch bei den Gästen ertönen immer wieder Zwischenrufe. Gekonnt ignoriert Willms die Einmischungen von außen. Sarah Willms kontrolliert den Innenraum. „Für alles außerhalb des Feldes ist die Heimmannschaft verantwortlich“, sagte sie später. 

Gleich ist Halbzeit, ihre erste kurze Verschnaufpause.

An ihr erstes Spiel mit 14 kann sich Willms noch gut erinnern. Das war „planlos“, wie sie sagt. „Ich hatte mein Trikot aus der Hose. Ich hatte nicht mal eine Uhr dabei, sondern mein altes Klapp-Handy“. Nun ist sie Profi, hat Assistenten und wird am Spielrand nach Leistung und Können benotet. „Viele Schiedsrichter, die neu anfangen, die müssen ja auch erst mal diese Schiedsrichterrolle reinkommen“, sagte Willms. 

Fußball wurde ihr in die Wiege gelegt

Der Fußball wurde Sarah Willms quasi in die Wiege gelegt. Alle Geschwister spielten Fußball, ihre Eltern waren beide Trainer. Aber: „das war aber in dem Moment irgendwie nichts für mich. Ich habe mich mit sechs Jahren irgendwie auf andere Dinge konzentriert, als dem Ball nachzulaufen“, erzählte die 33-Jährige. Mit 12 spielte sie dann im zweiten Anlauf doch wieder Fußball. 

Dann, mit 14 Jahren, suchte ihr damaliger Trainer nach Schiedsrichtern. Warum nicht, dachte sich Willms und bestand kurzerhand den Schiedsrichterlehgang. Schritt für Schritt arbeitete sie sich nach oben und sammelte Erfahrung. Mit 17 Jahren kam dann ein Anruf mit Lehrgangseinladung – und ihre Karriere im Verband nahm ihren Lauf. Ab dann durfte sie Partien in der Oberliga der Frauen pfeifen, drei Jahre später folgten Einsätze in der 2. Frauen-Bundesliga als Assistentin. Mittlerweile hat sie 47 Spiele in der zweithöchsten Spielklasse der Frauen selber gepfiffen und 52 Partien als Assistentin und Vierte Offizielle in der Frauen-Bundesliga betreut.

Es ist die 50. Minute, die zweite Halbzeit. Wieder ein Zweikampf. Diesmal ein kleines Foul. Selbstbewusst greift sie schnell zur Pfeife, pfeift und hebt ihren rechten Arm, die Hand ausgestreckt zum rechten Tor. Mit der linken Hand zückt sie die Gelbe Karte. Nach einigen kniffligen Situationen geht sie zu den Spielern, erklärt, warum sie eingegriffen hat, redet mit ihnen. Später sagte sie trocken: „Ich treffe eine Entscheidung und automatisch sind 50 Prozent dagegen“.

Setzt sich auf dem Platz durch: Sarah Willms vom FC Sedelsberg. Foto: WIllmsSetzt sich auf dem Platz durch: Sarah Willms vom FC Sedelsberg. Foto: WIllms

Für die Schiedsrichterei brauche man eine hohe Kritikfähigkeit und Reflexion. Fehler können immer passieren, doch „die Mannschaften haben ein Recht darauf, dass ich die bestmöglichen Entscheidungen treffe“, so Willms. 

Dass sie dabei auch blöde Kommentare abbekommt, hatte die Polizistin bereits früh gelernt. „Das ist so im Fußball.“ Ohne die Realität zu beschönigen, begegnet die 33-Jährige den Herausforderungen mit klarem Blick. Sie sieht als größtes Problem die noch ausbaufähigen Strukturen, insbesondere in den unteren Ebenen. „Wie sollen wir uns weiterentwickeln, wenn wir im Moment noch gar nicht die Kapazitäten und die Strukturen dafür haben?“ Die offizielle Mitgliederstatistik der Saison 2023/24 des DFB zeigte, dass nur 4,6 Prozent der ungefähr 58 Tausend Schiedsrichter weiblich sind. Es zeigte auch, dass die Schiedsrichterei immer attraktiver wird.

Ein Grund: Viele weibliche Schiedsrichterinnen müssen noch nebenbei einer Beschäftigung nachgehen. Deshalb wünscht sich die Sandkrugerin langfristig eine Weitentwicklung der Strukturen und Entwicklungsmöglichkeiten. „[Frauenfußball] ist einfach ein wahnsinnig toller Fußball“, sagte sie. „Im ganzen Spielablauf – technisch, spielerisch, taktisch – werden die Frauen oft unterschätzt“, so die Schiedsrichterin. Dass Frauenfußball immer beliebter wird, stimme sie positiv und sie hofft auf mehr.

Polizeieuropameisterschaft steht im Juni in Lohne an

Was die Zukunft für sie persönlich bringt, weiß sie noch nicht genau. Aktuell ist sie zufrieden, lebt ihr Leben selbstbestimmt und glücklich. Ein Highlight für sie wird aber noch die Polizeieuropameisterschaft im Juni in Lohne sein. „Das ist schon was Besonderes“, wie sie findet. Aber: „Mir geht es wirklich darum: das nächste Spiel soll immer das Beste sein“.

Sarah Willms pfeift ein letztes Mal lange in die Schiedsrichterpfeife. Endstand: null zu zwei. Brake hat gewonnen. Insgesamt musste Sarah Willms in diesem Spiel sechs gelbe Karten vergeben. Mit alkoholfreiem Sekt stießen sie und ihre beiden Assistenten auf das letzte Spiel der Saison an. „Ein Spiel ist gut, wenn man nicht von einem redet“, sagt Willms. Heute wurde nicht über sie geredet, ein gutes Zeichen.


Hintergrund:

  • Die OM-Medien zeichnen 2025 zum vierten Mal eine Entscheiderin aus dem Oldenburger Münsterland, die in besonderer Weise die gesellschaftliche Entwicklung vorantreibt, mit dem Award „OM-Zukunftsmacherin“ aus.
  • In der Berichterstattung vorab stellen wir in diesem Jahr vor allem Frauen vor, die sich auch ehrenamtlich engagieren.
  • Unterstützt wird das Projekt OM-Zukunftsmacherin von den Firmen Südbeck, Grimme, Bergmann, Wernsing, Zerhusen und der LzO.
  • Gekürt wird die Preisträgerin von einer Jury. Ihr gehören Silvia Breher (Parlamentarische Staatssekretärin und CDU-Bundestagsabgeordnete, Lindern), Christine Grimme (Grimme Gruppe, Damme), Dr. Jutta Middendorf-Bergmann (Ludwig Bergmann GmbH, Goldenstedt) und Annette Vetter (Leiterin Bereich Personal, Landessparkasse zu Oldenburg) an. Für OM-Medien ist die stellvertretende Chefredakteurin Anke Hibbeler dabei.
  • Die Auszeichnung findet am 19. Juni (Donnerstag) im OM-Medienhaus in Emstek statt. 2022 vergab die Jury den Award an Sarah Dhem aus Lastrup; 2023 an Marion Schouten aus Cloppenburg; 2024 an Stephanie Barlage aus Dinklage.
  • Alles zur Vorgeschichte, zur Jury und zu Vernetzungsmöglichkeiten finden Sie hier.

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