Ihrer ersten größeren Herausforderung sah sich Linda Stärk als 17-Jährige gegenüber, als sie für längere Zeit alleine ins Ausland ging. „In einem anderen Land mit einer fremden Sprache, ohne jemanden zu kennen, das war mein erster größerer Schritt in Richtung Selbstständigkeit“, erinnert sie sich an ihren mehrmonatigen Schulaufenthalt in England.
Viele weitere Schritte und Herausforderungen später ist die 32-Jährige seit einigen Monaten gemeinsam mit ihrem jüngeren Bruder Robert in der Geschäftsführung der Firma Zerhusen Kartonagen in Damme tätig. Auf dem Weg dahin waren ihre Schritte stets gut bedacht. „Ich bin wenig impulsiv, auch wenn man das manchmal vielleicht mehr sein dürfte“, sagt sie von sich selbst. „Meine Stationen im Leben habe ich immer sehr gut – manchmal auch zu viel – durchdacht und gewählt getroffen“, reflektiert sie.
Sie war ihren Eltern immer dankbar, dass sie und ihre Geschwister nie die Aufforderung verspürt haben, in den Familienbetrieb einsteigen zu müssen. „Wir durften stets frei entscheiden!“ Nichtsdestotrotz war für die junge Frau schnell klar, dass ein Schwerpunkt die Betriebswirtschaft werden soll – aber nicht nur. So entschied sie sich 2011 für ein Studium im Bereich der Wirtschaftspsychologie – zunächst in Iserlohn für den Bachelor und später in Köln für den Master. „Rückblickend kann ich sagen, dass es genau die richtige Entscheidung war“, sagt sie.
Fester Grund als Einstiegskriterium
Das Unternehmen ihrer Eltern war von Kindesbeinen an präsent und auch während der Schul- und Studienzeit hat sie dort immer wieder gearbeitet. „Das hatte den Vorteil, dass man die Kolleginnen kannte und mit ihnen aufgewachsen ist.“ Genauso wichtig war es ihr aber, in andere Unternehmen hineinzuschnuppern und Erfahrungen zu sammeln. Erfahrungen, die sie zum einen persönlich vorangebracht haben, die sie zum anderen aber auch später im elterlichen Betrieb mit einbeziehen konnte.
Obwohl für sie mit der Zeit feststand, dass sie irgendwann bei Zerhusen Kartonagen arbeiten würde, war es ihr umso wichtiger, dass es dafür einen festen Grund geben sollte. „Ich wollte nicht nur aufgrund meines familiären Hintergrundes irgendeine Position im Betrieb übernehmen“, sagt sie. Als sie zunächst eine Trainee-Anstellung bei der Firma Pöppelmann annahm, kam „der Auslöser“ schneller als gedacht. Eine Umstrukturierung der Vertriebsleitung bei der Zerhusen Kartonage GmbH machte Linda Stärk bewusst, dass eine betriebswirtschaftliche Veränderung bevorstand.
Organisation ist bei Familie und Firma die halbe Miete
Mit nur 28 Jahren stand sie schließlich gemeinsam mit ihrem Kollegen als junges Team an der Spitze des Vertriebs. Nach und nach gelang es ihr – auch dank ihrer bis dahin gesammelten Erfahrungen und Fremdsprachenkenntnisse – einige Großkunden zu akquirieren. „Das war zunächst eine Herausforderung, da ich mich in alle technischen Hintergründe und Abläufe unserer Produktion einarbeiten musste“, erzählt sie. Hier galt das Prinzip „learning by doing“, und Linda Stärk ging mit dem Warenfluss einmal durch das komplette Unternehmen – von der Warenannahme über die Wellpappherstellung bis zum Versand.
Ihren Fokus richtete sie zunehmend auf die strategische Ausrichtung und kaufmännische Leitung des Unternehmens. Bis schließlich im Herbst 2022 mit der Geburt ihres Sohnes ein neuer Abschnitt in ihrem Leben begann. „Die Rolle der Mutter war anfangs auch eine Herausforderung – eine schöne“, sagt sie. Seither sind Zeitmanagement und Organisation die halbe Miete. „Ich war und bin sehr froh, dass wir familiäre Unterstützung bei der Kinderbetreuung haben“, sagt Linda Stärk. „Ansonsten wäre der Spagat zwischen Firma und Familie um einiges schwieriger. Wir haben zum Glück taffe Omas und Opas“, schmunzelt sie und fügt hinzu: „So hat man den Kopf frei und kann sich voll und ganz auf die Firma konzentrieren.“
„Man sollte wissen, was man möchte, und das mit voller Überzeugung verfolgen.“
Linda Stärk
Daher sei es für sie und ihren Bruder auch eine große Ehre und ein Vertrauensbeweis, dass sie vor wenige Monaten zu Geschäftsführern berufen wurden. Mutter und Geschäftsführerin eines Unternehmens mit über 700 Mitarbeiterinnen sein – manchmal wünscht sich Linda Stärk, ein Tag sollte mehr als 24 Stunden haben. „Da ist es umso wichtiger, sich zwischendurch Zeit nur für sich selbst zu nehmen“, sagt sie. Den Ausgleich findet die leidenschaftliche Reiterin bei ihren Pferden. Hier kann sie abschalten und Kraft tanken für die nächsten Herausforderungen und Aufgaben.
Bei Zerhusen sind Frauen in Führungspositionen kein seltenes Bild, deswegen ist es für Linda Stärk auch kein Privileg, sondern normal, dass sie als junge Frau in der Geschäftsführung tätig ist. „Ich war immer offen, habe geschaut, was kommt, und mich den entsprechenden Herausforderungen gestellt“, rät sie Frauen, mutig ihren Weg zu gehen. „Man sollte wissen, was man möchte, und das mit voller Überzeugung und Willenskraft verfolgen. Wenn man sich entscheidet, die Führungsverantwortung zu übernehmen, dann muss man da auch voll dahinterstehen.“ Ihr ganz persönlicher Schlüssel zu ihrem Erfolg war, dass sie stets ihren Weg gehen und ihre eigenen Entscheidungen fällen konnte.
Fakten:
- Die OM-Medien zeichnen 2024 zum dritten Mal eine Entscheiderin aus dem Oldenburger Münsterland, die in besonderer Weise die gesellschaftliche Entwicklung vorantreibt, mit dem Award „OM-Zukunftsmacherin“ aus.
- Unterstützt wird das Projekt OM-Zukunftsmacherin dabei von den Firmen Südbeck, Pöppelmann, Grimme, Bergmann, Wernsing, Zerhusen und der LzO.
- Gekürt wird die Preisträgerin von einer Jury. Ihr gehören Silvia Breher (CDU-Bundestagsabgeordnete, Lindern), Christine Grimme (Grimme Gruppe, Damme), Tanja Sprehe (Bereichsleiterin Marketing & Innovation, Pöppelmann, Lohne), Dr. Jutta Middendorf-Bergmann (Ludwig Bergmann GmbH, Goldenstedt) und Annette Vetter (Leiterin Bereich Personal, Landessparkasse zu Oldenburg) an. Für OM-Medien ist die stellvertretende Chefredakteurin Anke Hibbeler dabei.
- Die Auszeichnung findet am 23. Mai im OM-Medienhaus in Emstek statt. 2022 vergab unsere Jury den Award an Sarah Dhem aus Lastrup; 2023 an Marion Schouten aus Cloppenburg.