Der Vechtaer Verwaltungschef hebt vor allem diesen Nutzen im Kampf gegen das Corona-Virus hervor: Alle engen Kontaktpersonen, die die Software über die Handydaten identifiziert hat, werden informiert.
Digitaler Kampf gegen Corona: Die Warn-App soll helfen, Infektionsketten zu erkennen. Foto: dpa/Jaitner
Andere Länder haben schon eine, in Deutschland soll die Corona-Warn-App des Bundes am Dienstag vorgestellt und zur Benutzung freigeschaltet werden. Mit der App sollen die Corona-Infektionsketten besser erkannt werden – von den Gesundheitsämtern vor Ort. Und: Die App soll dafür sorgen, dass bei einer Lockerung des öffentlichen Lebens die Ausbreitung des Coronavirus nicht wieder stark ansteigt.
Die Installation und Nutzung des digitalen Hilfsmittels soll freiwillig sein. Das hat Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag erneut betont. Die App soll heute in Berlin vorgestellt werden. Letzte Tests seien gut verlaufen, hieß es. Zum Herunterladen dürfte die App nach dpa-Informationen bereits am Montagabend in den Stores von Google und Apple bereitstehen.
Deutliche Zustimmung: Landrat Herbert Winkel (CDU). Foto: M. Niehues
Auf deutliche Zustimmung trifft das Projekt beim Vechtaer Landrat Herbert Winkel (CDU): "Ich würde mich sehr freuen, wenn möglichst viele Bürgerinnen und Bürger die Corona-Warn-App installieren." Winkel verwies auf Anfrage von OM-online auch hierauf: Erst bei einer Installationsquote von 60 Prozent könne die App einen effektiven Beitrag leisten, um Infektionsketten schneller nachverfolgen zu können. Das sei "eine enorme Hürde", sagte der Verwaltungschef.
Gerade deshalb sei es "so wichtig, dass die Privatsphäre der Anwender geschützt bleibt. Nur so wird die App die notwendige Akzeptanz bei Smartphone-Nutzern finden", führte Winkel mit Blick auf die Datenschutzdebatte aus.
"Es geht hier also vor allem um Eigenverantwortung. Erst so lassen sich mit Hilfe der App Infektionsketten unterbrechen."
Herbert Winkel (CDU), Vechtaer Landrat
Landrat Winkel betonte auch, es gehe "vor allem um Eigenverantwortung". Erst dadurch würden sich mit Hilfe der App Infektionsketten unterbrechen lassen. Dabei würden die Vorteile der App "klar auf der Hand" liegen. Denn alle engen Kontaktpersonen, die die Software über die Handydaten identifiziert habe, würden informiert, sagte Winkel.
Und weiter: Je schneller eine gewarnte Person über das Risiko einer Ansteckung Bescheid wisse, desto schneller könne sie eigene Schutzmaßnahmen ergreifen, sagte Winkel. So könnten sich Betroffene etwa in häusliche Quarantäne begeben und sich testen lassen, um dadurch weitere Personen vor einer Ansteckung zu bewahren.
Winkel warnte zugleich vor zu hoch gesteckten Erwartungen. Die Warn-App sei trotz ihrer Nützlichkeit bei der Bekämpfung der Pandemie "allerdings kein Allheilmittel", sagte Winkel in Anlehnung an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). "Die App ist lediglich ein weiterer Baustein, um die Pandemie einzudämmen", sagte Winkel. Er erinnerte auch hieran: Unverändert gelte, "dass die Hygiene- und Abstandsregeln dringend einzuhalten sind".
Spahn stellt App den Gesundheitsämtern per Video vor
Die App soll am Dienstagvormittag von Gesundheitsminister Spahn, Innenminister Horst Seehofer (CSU), Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) und Vertretern der an der Entwicklung beteiligten Unternehmen - Telekom-Vorstandschef Timotheus Höttges und SAP-Chief Technology Officer (CTO) Jürgen Müller - präsentiert werden. Bundesgesundheitsminister Spahn will die Corona-Warn-App zudem den lokalen Gesundheitsämtern in einer Videokonferenz explizit vorstellen.
Die App misst über den Kurzstreckenfunk Bluetooth, ob sich Anwender über einen Zeitraum von 15 Minuten oder länger näher als ungefähr zwei Meter gekommen sind. Dabei werden stoßweise alle zweieinhalb bis fünf Minuten anonymisierte Identifikationsnummern übertragen. Der Ort der Begegnung wird dabei nicht erfasst. Wird ein Nutzer positiv auf Covid-19 getestet und diese Information in der App geteilt, werden die anderen Anwender informiert, dass sie sich in der Vergangenheit in der Nähe einer infizierten Person aufgehalten haben.
Landrat Winkel sagte, die Diskussion um die App habe eines erneut gezeigt: "Wir brauchen dringend einheitliche Software-Anwendungen in den Gesundheitsbehörden von Kommunen, Land und Bund." Noch immer würden gemeinsame digitale Schnittstellen fehlen, um Informationen schnell, störungsfrei und zuverlässig zu übertragen. "Wir brauchen hier modernste Technologie aus einem Guss“, forderte Winkel.
"Es ist klar, dass die App nicht dazu führen darf, dass der einzelne leichtsinniger im Umgang mit Kontakten ist."
Karl Lauterbach, SPD-Gesundheitsexperte
Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach warnte in der "Saarbrücker Zeitung" : "Es ist klar, dass die App nicht dazu führen darf, dass der einzelne leichtsinniger im Umgang mit Kontakten ist." Zugleich betonte er: "Wenn wir eine zweite Welle verhindern wollen, müssen wir alle Instrumente nutzen." Der Leiter des Instituts für Virologie der Universität Marburg, Stephan Becker, sagte: "Der Erfolg dieser Tracing App hängt davon ab, wie viele Menschen sie herunterladen. Sie ist möglicherweise neben Schutzmasken und Abstandhalten ein weiterer Faktor, um aus diesem Lockdown zu kommen."
Start war ursprünglich für Ende April geplant
Der Start der App war ursprünglich schon für Ende April geplant. Zu diesem Zeitpunkt entschied dann die Bundesregierung, nicht mehr das Projektteam, sondern die Unternehmen SAP und T-Systems mit der Umsetzung zu beauftragen.
Kanzleramtschef Braun räumte Versäumnisse bei der Entwicklung der App ein. "Aus heutiger Sicht hätten wir die Entscheidung, die Unternehmen mit der technischen Umsetzung der Corona-App zu betrauen, zehn Tage früher treffen sollen", sagte der CDU-Politiker der "Welt am Sonntag". Braun sprach auch von Differenzen im ursprünglichen Projektteam, die einen schnellen Erfolg verhindert hätten.
Bei der App wurde ein mehrstufiges Datenschutzkonzept umgesetzt. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber lobte die App. "Was vorliegt, macht insgesamt einen soliden Eindruck“, sagte er der "Saarbrücker Zeitung". "Mir ist besonders wichtig, dass die relevanten Dokumente zum Datenschutz, insbesondere die Datenschutzfolgeabschätzung, zum Start der App fertig sind." Sie sollten ab dem ersten Tag öffentlich sein, um in der Bevölkerung Vertrauen und Akzeptanz zu schaffen, so Kelber.
"Inzwischen sind wir überzeugt, dass wir eine gute Lösung haben, mit der man starten kann - auch wenn wir wissen, dass sie nicht perfekt ist."
Jürgen Müller, SAP-Manager
Der Datenschutzbeauftragte betonte weiter, nach der Veröffentlichung beginne die nächste Phase der notwendigen Arbeiten. „Ich bin zuversichtlich, dass die beteiligten Unternehmen offene Punkte und eventuell auftretende Erkenntnisse schnellstmöglich angehen.“ Nur dann würden sich genügend Bürger beteiligen.
Die Entwickler der Corona-Warn-App sind nach ausführlichen Tests zuversichtlich, dass die geplante Entfernungsmessung per Bluetooth-Funk auch im Alltag funktionieren wird. "Inzwischen sind wir überzeugt, dass wir eine gute Lösung haben, mit der man starten kann - auch wenn wir wissen, dass sie nicht perfekt ist", sagte SAP-Manager Müller.
Testergebnisse gelten als vielversprechend
Das Fraunhofer Institut IIS in Erlangen spielte bei Tests der deutschen konkrete Szenarien durch: Sitzen in einem Restaurant, Schlangestehen, Aufenthalt in öffentlichen Verkehrsmitteln. Dabei wurde gemessen, wie präzise die Smartphones die Entfernung erkannten. "Beim realen Einsatz werden wir noch mehr lernen", sagte Müller.
Spahn sagte am Sonntagabend in der ARD, die Ergebnisse der Tests seien vielversprechend. Man sei im Zeit- und Kostenplan trotz hoher Anforderungen an den Datenschutz. Er wolle mit anderen für die App bei den Menschen werben.
Grüne und Linke hatten eine eigene gesetzliche Grundlage für die App gefordert, um Diskriminierungen bei Alltagsgeschäften für Menschen zu verhindern, die die App nicht einsetzen wollen.
Weitere Informationen:
Auf welchen Smartphones kann die App installiert werden?
Beim iPhone muss das Betriebssystem iOS 13.5 installiert sein. Das wird für Geräte ab dem iPhone 6s oder dem iPhone SE bereit gestellt. Ältere Modelle, wie das iPhone 5 oder 6, sind nicht mehr kompatibel. Die entsprechende Bluetooth-Funktion muss dann noch aktiviert werden. Das geht über Einstellungen - Datenschutz - Health.
Bei Android-Handys ist die Lage etwas unübersichtlicher. Hier muss zum einen Bluetooth LE unterstützt werden. Das ist ab Android 6 der Fall - diese Version wurde Ende 2015 veröffentlicht. Zum anderen müssen aber auch die Google Play Services laufen, weil der Konzern die Schnittstellen nicht über Android selbst zu Verfügung stellt, sondern über diese Google-Dienste.
Huawei will die App auch ohne die eigentlich erforderlichen Google-Dienste auf seinen neuesten Android-Smartphones anbieten. Als Folge des Handelsstreits zwischen den USA und China darf Google diese Dienste Huawei für die neusten Smartphone-Modelle nicht anbieten und setzt stattdessen auf eine Open-Source-Variante von Android ohne Google-Komponenten. Davon betroffen sind die Modelle Huawei Mate 30, Huawei P40 und Honor 30. Laut Huawei kann die App dank einer Aktualisierung der Version 4.1.0.301 von HMS Core genutzt werden.
Entleert sich die Batterie mit der App schneller?
Die Entwickler versprechen, dass sich der Akku nicht schneller entlädt. "Die App verwendet die energieeffiziente Bluetooth-Technologie BLE", erläutert SAP-Sprecher Schepp. BLE steht für Bluetooth Low Energy (zu deutsch: geringer Strombedarf). "Anders als bei der Bluetooth-Technologie, die bei drahtlosen Kopfhörern oder externen Lautsprecherboxen verwendet wird, hat das de facto keine Auswirkungen auf den Akku." Ob das Versprechen gehalten werden kann, wird die Praxis zeigen.
Kann der Arbeitgeber die App-Nutzung anordnen?
Eine bloße Anweisung des Arbeitgebers ist wohl nicht möglich, da sie zu "gewissen Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht führen" könnte, sagt Datenschutzexperte Ingemar Kartheuser von der Anwaltskanzlei Linklaters. Sein Rat: "Es sollten Betriebsvereinbarungen oder individuelle Vereinbarungen mit Mitarbeitern getroffen werden, die den Umgang mit der App regeln."
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