Jesus kommt ins Wohnzimmer
Mit wenigen Gästen feiert Heiner Zumdohme die Messe. Täglich wird ein Gottesdienst im Internet gezeigt. Ein Ortsbesuch
Dr. Philipp Ebert | 24.04.2020
Mit wenigen Gästen feiert Heiner Zumdohme die Messe. Täglich wird ein Gottesdienst im Internet gezeigt. Ein Ortsbesuch
Dr. Philipp Ebert | 24.04.2020

Aufgezeichnet: Heiner Zumdohme bringt Brot und Wein dar. Eine Videokamera überträgt den Gottesdienst ins Internet. Foto: Ebert
Um 18.45 Uhr rufen die Glocken der Dammer Pfarrkirche St. Viktor die Gläubigen zum Gebet. Nicht nur in Damme, auch an den anderen Kirchorten der Gemeinde, in Neuenkirchen, Osterfeine und Rüschendorf läuten die Glocken. Das Läuten und die von Gläubigen ins Fenster gestellten Kerzen sind das vielleicht eindrücklichste Zeichen, mit der Christen in dieser ungewöhnlichen Zeit ihre Verbundenheit bezeugen und bestärken wollen. Doch da zur Zeit noch alle öffentlichen Gottesdienste verboten sind, drängt niemand durch die großen Türen von St. Viktor. Nur eine kleine Christenschar versammelt sich an der Sakristei. Zwei Ehepaare und Schwester Elsina treffen hier auf Pfarrer Heiner Zumdohme. Der wird gleich die Messe feiern, die ins Internet und ins Dammer St. Elisabeth-Krankenhaus übertragen wird. Die Gäste, das sind neben Schwester Elsina noch Hildegard und Rainer Fischer aus Dümmerlohhausen und Maria und Johannes Malik aus Damme. Sie wurden von der Pfarrgemeinde eingeladen, an diesem Abend den Gottesdienst mitzufeiern - und dadurch die abwesende Gottesdienstgemeinde zu symbolisieren. Nach den Vorgaben des Bistums Münster sind drei bis fünf Gäste im Gottesdienst erlaubt, sofern dieser als Video übertragen wird, betont Pfarrer Zumdohme. Vor Beginn der Messe weist er seine heutigen Gäste ein: Wo haben sie zu sitzen, wie viel Abstand ist wegen des Infektionsschutzes geboten, wo können sie die Kommunion empfangen? Zumdohme spricht teils auf Hochdeutsch, teils auf Platt. Eigentlich ist alles wie immer, nur halt mit Abstand. Aber laut antworten sollen die Gäste, etwa auf die Eröffnung "Der Herr sei mit euch", sagt Zumdohme, damit die Zuschauer auch hören können, dass jemand sie vertritt. Dann legt sich Stille in den Dom, bis um 19 Uhr Zumdohme das kleine Glöckchen am Eingang der Sakristei läutet, an den Altar tritt und den Gottesdienst eröffnet. Jetzt nimmt alles seinen gewohnten Gang. Weil keine Orgel spielt, leitet der 45-jährige Geistliche den Gesang. Seine Stimme ist klar vernehmbar, auch den Gesang der Gottesdienstbesucher hört man im fast menschenleeren Kirchenraum. Bei den Antworten zur Eröffnung hingegen sind die Stimmen zunächst nur zögerlich zu hören, bevor sie an Selbstbewusstsein und zunehmen. Zu diesem Zeitpunkt dürften bereits hunderte Menschen auf den Link zur Videoübertragung des Gottesdienstes geklickt haben. An den Wochentagen, wo normalerweise zwischen zehn und 100 Menschen in den Gottesdienst kommen, verzeichnet die Pfarrei nun zwischen 100 und 400 Zugriffe. Samstags und Sonntags klicken jeweils um die 800 Menschen auf den Link zur Übertragung. An Ostern waren es mehr als 2000 Zugriffe. Einer davon kam von einem Dammer, der nun im US-Bundesstaat Ohio lebt. Er schrieb Zumdohme danach eine dankbare E-Mail. Zumdohme, der sich bei der Feier der Gottesdienste mit den anderen Geistlichen der Pfarrei abwechselt, findet das Format mit der leeren Kirche und den Gläubigen vor den Bildschirmen zwar "ungewöhnlich". Gleichzeitig aber sagt er: "Es ist schön zu wissen, dass da immer mehr als 100 Menschen mitfeiern." Für den Pfarrer sind die Übertragungen "eine Möglichkeit, miteinander in Kontakt zu bleiben". Deshalb findet er es wichtig, die Gemeindemitglieder nicht nur auf die Angebote katholischer Fernsehsender zu verweisen, sondern mit der Pfarrei selbst im Netz präsent zu sein. Zum Priester vor Ort hätten die Menschen "einen anderen Bezug", meint er und fährt fort: "Ich spüre, dass die Menschen dankbar sind, weil sie mit ihrem Pastor oder Kaplan Messe feiern können." Zurück im Dom: Die Lektorin trägt aus der Apostelgeschichte vor, Zumdohme verliest das Evangelium. Dann folgen die Fürbitten, heute für Flüchtlinge, Verantwortungsträger und jene, die im Gesundheitswesen arbeiten. Die Kommunion teilt Zumdohme später mit reichlich Abstand unter den Besuchern aus. Wie viele Menschen insgesamt zu diesem Zeitpunkt zusehen, ist nicht zu ermitteln. Insgesamt aber wird der Link an diesem Abend 261 Mal angeklickt. Manche verlassen wieder die Übertragung, aber in der Spitze waren gleichzeitig bis zu 126 Computer verbunden. Wie viele Menschen jeweils zusammen am Bildschirm sitzen, lässt sich nicht ermitteln. Ob er das Angebot auch nach Ende der Corona-Einschränkungen aufrecht erhalten will? Zumdohme meint: "Die Frage stellt sich durchaus." Immerhin könnten so Menschen, die nicht mehr selbst in die Kirche kommen können, mit ihrer Gemeinde verbunden bleiben. Ohnehin glaubt der Pfarrer, dass die Kirche "noch lange Zeit mit einer begrenzten Anzahl von Menschen Gottesdienst feiern wird", auch wenn die Verbote irgendwann aufgehoben werden sollten.Die Einweisung erfolgt teilweise auf Platt
An Ostern klickten mehr als 2000 Menschen das Angebot an

Vielleicht bleibt das Angebot auch nach Corona
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