Gabriela Pollmann vermisst die Synagoge. Normalerweise würde die 54-Jährige regelmäßig zum Sitz ihrer Gemeinde nach Münster fahren und mit anderen Gläubigen ihrer Religion beten. Aber wegen Corona ist das derzeit nicht machbar. Dafür nutzt sie die Online-Angebote des Rabbiners zum Gebet. Während des einwöchigen Chanukka-Festes fällt das nicht ganz so auf, weil die Pädagogin der Kreisvolkshochschule Vechta sowieso zu Hause in Friesoythe mit ihrer Mutter verbringt und betet. „Chanukka ist ein häusliches Fest“, sagt Pollmann.
Chanukka, das ist eine ganze Festwoche. In diesem Jahr geht sie vom 11. bis zum 18. Dezember. Die Juden erinnern damit an die Wiedereinweihung des zweiten jüdischen Tempels in Jerusalem im zweiten Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung und den erfolgreichen Aufstand gegen die Griechen.
Im Zentrum des Rituals steht die Chanukkia
Wenn es dunkel wird, zündet Pollmann als erstes die Kerzen auf dem achtarmigen Chanukka-Leuchter, die Chanukkia an. Dazu nimmt sie die erste Kerze und erleuchtet sie. Das ist der Schamasch, die Dienerkerze. Am ersten Tag der Chanukka-Zeit zündet sie damit eine weitere Kerze an, am 2. Tag 2, bis am 8. Tag schließlich 8 Kerzen brennen. Den Schamasch steckt sie danach in die Mitte des Leuchters. Dem Ritual folgend befestigt Gabriela Pollmann die Kerzen von rechts nach links auf dem Leuchter. Angezündet wird aber – vom Fenster aus gesehen – von links.
Das Ritual bedeutet der Jüdin viel. „Ich bin sehr gläubig“, sagt sie von sich selbst. Deswegen hält sie auch in diesem Jahr die Traditionen so gut aufrecht, wie es möglich ist. Obwohl Chanukka nicht die Bedeutung anderer jüdischer Feste wie Yom Kipur hat, gibt es Geschenke. „Das hat sich wegen der zeitlichen Nähe zu Weihnachten so eingebürgert“, erklärt Pollmann. Dass sie in den Tagen trotzdem ins Büro muss, stört sie nicht. „In Israel wird an Chanukka auch gearbeitet“, erzählt die Jüdin.
Gereicht werden in Öl gebackene Speisen
Die Familie sitzt sowieso erst an den Abenden zusammen, singt jüdische Lieder und erzählt sich zum Beispiel die Geschichte von der Befreiung der Juden aus der Fremdherrschaft der Griechen. Eine besondere Rolle spielt das letzte Kännchen mit geweihtem Öl, das dem Volk geblieben war, um den siebenarmigen Leuchter im Tempel, der niemals ausgehen darf, zu erleuchten. Eigentlich sollte das Öl nur für 7 Tage reichen. Aber: Es brannte wie durch ein Wunder einen Tag länger als erwartet und ermöglichte es den Juden, neues geweihtes Öl herzustellen – woher auch das Ritual mit dem achtarmigen Leuchter kommt.
Passenderweise gibt es in Öl gebackene Speisen wie Sufganiyot (Krapfen) und Latkes (Kartoffelpuffer), erklärt Pollmann. Almosen werden traditionell an die Armen verteilt – heutzutage wird Geld gespendet.
Um sich mit ihren jüdischen Freunden zu treffen, muss Gabriela Pollmann weit fahren. Es gibt kaum gläubige Juden im Oldenburger Münsterland. Von einer jüdischen Infrastruktur mit Synagogen und Geschäften ganz zu schweigen. So schaffe es die Pädagogin auch nicht immer, koschere Lebensmittel zu verwenden, weil sie in der Region fast nicht zu bekommen seien, selbst in Oldenburg, der nächstgrößeren Stadt, nur vereinzelt.
Aber Gabriela Pollmann findet, dass das ihrem Glauben keinen Abbruch tut. Sie genießt die Abende vor der Chanukkia und freut sich, wenn die achte Kerze auch noch brennt. An Weihnachten genießt sie dann die Stille, ganz ohne Tannenbaum, ganz ohne Geschenke.
Hintergrund: Chanukka ist ein sogenannter Halbfeiertag – ein Tag, der nicht auf biblische Gebote, sondern auf historische Ereignisse zurückgeht. Deshalb können jüdischen Gläubige erst nach getaner Arbeit der Errettung Israels aus der Herrschaft der Griechen im Jahr 185 v. Chr. gedenken.
Damals, heißt es in einem Bericht des MDR, wurden die Juden von den Seleukiden unterdrückt: Mit ständig neuen Geboten und Gesetzen machten sie ihnen das Leben schwer. Am Ende verboten sie ihnen sogar, ihre Religion auszuüben.
Dagegen setzten sich die Juden zur Wehr. Angeführt von Judas Makkabäus und seinen Brüdern besiegten sie die Seleukiden im sogenannten Makkabäeraufstand. Ein Jahr später eroberten die Juden ihren von den griechischen Herrschern missbrauchten Tempel zurück. Das jüdische Lichterfest unterliegt in diesem Jahr den aktuellen Corona-Beschränkungen.
Da Chanukka am Donnerstagabend beginnt und bis zum 18. Dezember dauert, sind die Einschränkungen strikter als Weihnachten. Für die Verordnungen der Regierung zeigt der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster Verständnis. Er schrieb laut MDR auf Twitter: „Größere Familienfeiern zu Chanukka wird es in diesem Jahr wegen Corona nicht geben.“ ... „Pikuach Nefesch – der Schutz des Lebens ist für Juden das oberste Gebot. Möge uns das Lichterfest gerade in diesem Jahr Trost und Zuversicht geben.“