Das Erasmus-Projekt der Geschwister-Scholl-Oberschule in Vechta trägt erste Früchte. Lehrer tauschen sich über ihre Arbeit aus, Schüler vertiefen neue Freundschaften. Seit ihrer Reise nach Ungarn im März dieses Jahres herrscht ein reger Schriftverkehr. Da bilden Linn Pohlmann und Samantha Stojkov keine Ausnahme. Die beiden Achtklässlerinnen nutzen Instagram, Snapchat oder Facebook, um mit den ungarischen Altersgenossen in Kontakt zu treten.
Normalerweise würden die Beteiligten jetzt Bergfest feiern, aber aufgrund der Corona-Pandemie geht das auf zwei Jahre angelegte Projekt in die Verlängerung. Nach dem hoffnungsvollen Start im September 2019 konnten mehrere Aktivitäten nicht stattfinden, etwa die Reisen nach Spanien und Rumänien. "Wir hoffen, dass wir die Fahrten im nächsten Schuljahr nachholen können", erklärt Engela Witte, die gemeinsam mit ihren Kolleginnen Edina Bense und Kelly Heitmann die Koordination übernommen hat.
Fünf Partnerländer beteiligen sich an Projekt
Deutschland, Spanien, Ungarn, Türkei und Rumänien sind die fünf Partnerländer, die sich an dem von der Europäischen Union geförderten Programm beteiligen. Der Geschwister-Scholl-Oberschule kommt dabei eine Doppelfunktion zu. Sie organisiert ein eigenes Projekt und ist zugleich Partner bei einem zweiten Projekt, das unter der Federführung einer ungarischen Schule steht. Somit sitzen viele verschiedene Schulen und Städte im Boot.
Der Titel des eigenen Projektes lautet "The value of different cultures", übersetzt: "Die Werte verschiedener Kulturen". Damit knüpft die Oberschule an ihre Projektwoche im Juli 2019 an. Sie stand unter dem Motto "Wir sind bunt". "Unsere Schüler haben in vielen unterschiedlichen Ländern und Kulturen ihre Wurzeln. Sie bringen Wissen und Fähigkeiten aus aller Welt in die Schule ein, sodass wir diese Kompetenz für ein Erasmus-Projekt nutzen wollten", erläutern die Koordinatoren.
Die Beschäftigung mit den unterschiedlichen Kulturen hat das Ziel, den Blick aller Schüler zu öffnen und sie dazu anzuregen, die Akzeptanz des Andersseins zu entwickeln und auszubauen. Dafür haben sich das Auftakttreffen im November in Vechta und die jüngste Reise nach Ungarn offenbar gelohnt. "Ich habe schon viel über andere Kulturen gelernt und bin sehr dankbar dafür, denn dadurch bin ich weltoffener geworden", berichtet Samantha Stojkov.
Für die teilnehmenden Schüler ist es eine wertvolle Erfahrung, die Gebräuche und Sitten der Partnerländer hautnah kennenzulernen und auch in den Unterricht hineinschnuppern zu dürfen. Unterdessen befassen sich die Lehrkräfte mit der Frage, wie die Schulen dazu beitragen können, dass die Kinder und Jugendlichen eine Weltoffenheit entwickeln und die unterschiedlichen Kulturen als gleichwertig und bereichernd annehmen.
"Es gibt Unterschiede, aber die sind gut. Wir können daraus lernen, dass wir verschieden sind."Engela Witte, Lehrerin und Mitglied des Koordinatorenteams
Um die kulturellen Unterschiede zu erkennen, genügt oft schon ein Blick auf den eigenen Schulhof in Vechta. Hier treffen Türken, Kurden und Jesiden aufeinander. Die Herkunft sei häufig ein Thema, vor allem wenn religiöse Feste wie zuletzt der Ramadan anstehen, berichtet Witte. "Es gibt Unterschiede, aber die sind gut. Wir können daraus lernen, dass wir verschieden sind", sagt sie. Die Gespräche förderten das gegenseitige Verständnis und sorgten für Aha-Effekte, und zwar bei Schülern mit und ohne Migrationshintergrund.
Auch abseits des Kernthemas liefert der Austausch nützliche Erkenntnisse für die Schule. "Wir haben die Rückmeldung bekommen, dass wir sehr gut strukturiert sind", berichten die Koordinatoren. Auch bei der Digitalisierung sei die Oberschule sehr weit, zumindest im Vergleich zu den Partnern in Ungarn. Von den Spaniern lässt sich derweil etwas lernen. Dort würden die sozialen Medien für den Austausch unter Schülern und Lehrern und auch für die Öffentlichkeitsarbeit intensiv genutzt, was sich gerade in der Corona-Krise bewähre. "Soweit sind wir bei uns noch nicht", räumt Witte ein.
Auch Linn Pohlmann hat bei ihrem einwöchigen Aufenthalt in Jászberény einige Unterschiede ausgemacht. "Die Schule in Ungarn ist nicht so streng wie bei uns. Außerdem haben die Kinder im Unterricht in der achten Klasse erst Themen, die wir schon in Klasse sechs und sieben hatten. Das finde ich beides aber gar nicht gut, denn so lernen die Schüler nicht so viel wie wir hier in Deutschland", meint die 14-Jährige.
"Ich bin sehr dankbar, diese Erfahrungen machen zu dürfen", ergänzt Witte. Sie habe sich schon vor dem Projekt als weltoffener Mensch gesehen, sei durch den Blick über den Tellerrand aber noch offener geworden. Nun freut sie sich auf weitere Begegnungen mit den Partnerschulen, an denen verschiedene Delegationen teilnehmen werden. Somit sollen möglichst viele Schüler und Gastfamilien direkt von dem Erasmus-Projekt profitieren.