Es glich fast einer schweren Geburt: Jetzt ist endlich auch der letzte Angeklagte im Holt-Prozess zu einem Geständnis bereit. Heinz L., der frühere Finanzdirektor der windigen Unternehmensgruppe, räumte am Dienstag vor der Wirtschaftsstrafkammer des Osnabrücker Landgerichts ein, dass die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft im Wesentlichen zutreffen. Demnach hatte er nicht nur Kenntnis von den Fälschungen und den erfundenen Projekten, sondern hat mit seiner Marktkenntnis auch aktiv daran mitgewirkt. Daran gebe es "nichts zu beschönigen", hieß es vor Gericht. L. räumte zudem ein, das Vertrauen, das ihm von anderen entgegenbrachten worden sei, missbraucht zu haben. Und er kündigte an, daran mitwirken zu wollen, etwaige vorhandene Gelder zurückzuführen.
Zwei Prozesstage lang hatte sich der Finanzdirektor zuvor gesträubt, seine Taten einzuräumen. Er versank regelrecht in Selbstmitleid und versuchte mit der Schilderung seines Lebenslaufes und mit endlosen Erklärungen seine eigene Tatbeteiligung klein zu reden und dem Gericht eine neue Sichtweise auf das Verfahren zu eröffnen. Das misslang. Der Vorsitzende wusch ihm anschließend regelrecht den Kopf, machte ihm klar, dass er damit vor Gericht wenig Erfolgsaussichten hat. Seine beiden Verteidiger teilten offensichtlich diese Sichtweise und hatten offensichtlich die Zwischenzeit genutzt, um ihren Mandanten zur Einsicht zu bringen.
So war es dieses Mal auch nicht Heinz L., der sich selbst vor Gericht erklärte, sondern einer der Verteidiger, der das Statement vorlas. Der zusammen mit Heinz L. Hauptangeklagte ist Hendrik Holt, dessen Mutter, Schwester und Bruder bereits weit früher im Sinne der Anklage Geständnisse abgegeben hatten. Allen wird vorgeworfen, internationale Energiekonzerne mit erfundenen Windparks und mittels gefälschter Unterlagen um mehr als 10 Millionen Euro gebracht zu haben.
Laut Anklage handelte es sich dabei um bandenmäßigen Betrug. Davon will Heinz L. jetzt aber nichts wissen. Über die seitens des Verteidigers verlesene Erklärung ließ er zwar im Gegensatz zu den anderen Angeklagten durchaus Reue erkennen, machte aber deutlich: Das Geständnis "erstreckt sich aber ausdrücklich nicht auf Bandenabrede". Holt und er seien keine Bande gewesen. Vielmehr habe Hendrik Holt allein die maßgeblichen Entscheidungen gefällt.
Gefängniszeit im Libanon wird mit Faktor 3 angerechnet
Dass sich Heinz L. jetzt zu dem Geständnis durchrang, hat mit dem zu erwartendem Strafrahmen zu tun. Allen Angeklagten war frühzeitig mitgeteilt worden, mit welchen Strafen sie zu rechnen haben, wenn sie sich rechtzeitig geständig zeigen und somit den Prozess verkürzen. Heinz L. ist jetzt spät dran, das Verfahren fast gelaufen, die Beweislast erdrückend. Dennoch gelang es dem Verteidiger mit der Staatsanwaltschaft eine Verständigung zu erzielen. Der Ex-Finanzdirektor kann sich daher auf günstige 8 Jahre Haftstrafe einstellen, wobei die im Libanon verbrachte Gefängniszeit wegen der dort herrschenden widrigen Verhältnisse mit dem Faktor 3 angerechnet werden soll.
Heinz L. war dort im Sommer 2020 festgenommen und erst später nach Deutschland ausgeflogen worden. Hendrik Holt sitzt hingegen bereits seit Mitte April 2020 in Untersuchungshaft. Obwohl es mit Deutschland kein Auslieferungsabkommen gibt, war es der Staatsanwaltschaft gelungen, L. innerhalb weniger Wochen in ein deutsches Gefängnis zu bekommen. Jetzt werden sich die Strafverfolger erneut über den internationalen Dienstweg mit Beirut in Verbindung setzen müssen. Denn zum damaligen Zeitpunkt war noch nicht bekannt, dass Holt und L. Geschäftsleute aus dem Ruhrgebiet zur Bestechung afrikanischer Diplomaten angestiftet haben sollen, um für sich an Diplomatenausweise zu kommen. Auch diesen Vorwurf räumte der Finanzdirektor am Dienstag ein. Um dies in die Gesamtfreiheitsstrafe einfließen lassen zu können, muss jetzt eine juristische Verständigung mit dem Libanon erzielt werden.
Bis dahin, versprach Heinz L. über seinen Verteidiger am Dienstag, werde er im Laufe der Verhandlung "proaktiv Angaben" zu seinen eigenen Tatbeiträgen machen. Während der nächsten Verhandlungstage sollen jedenfalls er und seine Mitangeklagten noch intensiv befragt werden. Die Fragen zu Ermittlungserkenntnissen wie beispielsweise überwachte Telefongespräche und dergleichen dürften interessante Einblicke bieten.
Unterschriften unter Nutzungsverträgen waren immer gefälscht
Während des Prozesses sind immer wieder Zeugen gehört worden, mit denen Holt-Firmen angebliche Nutzungsverträge über deren Grundstücke zum Bau von Windkraftanlagen geschlossen hatten. Geradezu gelangweilt verfolgten die Angeklagten das Geschehen. Denn die Aussagen waren immer gleich: Kein Kontakt, keine Verträge, gefälschte Unterschriften. Am Dienstag schreckten plötzlich alle Verfahrensbeteiligten auf. Ein Zeuge bejahte einen solchen Vertrag. Das Missverständnis klärte sich schnell auf: Der Mann hatte sich nur verhört.
Eines wurde aber auch deutlich: Es gab durchaus Grundstückseigentümer, die zwischenzeitlich entsprechende Nutzungsverträge für Windkraftanlagen mit Energieunternehmen geschlossen hatten. Wenn Holt, dessen Familie und Heinz L. tatsächlich vorgehabt hätten, Windparkprojekte zu realisieren, hätten sich durchaus Chancen geboten - mit echten Unterschriften unter den Verträgen.