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Heilerziehungspfleger: Wenn der Berufsname den Job kaum beschreibt und der Nachwuchs fehlt

Einrichtungen der Behindertenhilfe und die Vechtaer Justus-von-Liebig-Schule arbeiten bei der inzwischen bezahlten Ausbildung künftig enger zusammen – für eine bessere Verknüpfung mit der Praxis.

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Arbeiten zusammen: Schulleiterin Gabriele Droste-Kühling, Matthias Warnking (Andreaswerk), Angelika Kürten-Schlarmann (Heimstatt-Clemens-August), Lehrerin Mechtild Gerke und Madlen Seelhorst (Landescaritasverband). Foto: Chowanietz

Arbeiten zusammen: Schulleiterin Gabriele Droste-Kühling, Matthias Warnking (Andreaswerk), Angelika Kürten-Schlarmann (Heimstatt-Clemens-August), Lehrerin Mechtild Gerke und Madlen Seelhorst (Landescaritasverband). Foto: Chowanietz

Es ist gar nicht mehr so lange hin, dann ist ein großer Teil von Angelika Kürten-Schlarmanns Team im Ruhestand. Viele erfahrene, gute Kräfte, viele Baby-Boomer. Junge Kollegen kämen sporadisch dazu, erzählt die Leiterin der Neuenkirchen-Vördener Heimstatt-Clemens-August. Auch im sozialen Bereich gebe es Fachkräftemangel.

Matthias Warnking, Geschäftsführer des Vechtaer Andreaswerks, sagt: "Wir haben ein Nachwuchsproblem." Da brauche man um den heißen Brei gar nicht herumreden. Die Träger der Behindertenhilfe brauchen dringend Heilerziehungspfleger für alle möglichen Bereiche ihrer Einrichtungen. Der Arbeitsmarkt sei leergefegt.

Die über die Caritas organisierten Träger der Behindertenhilfe wollen das Problem jetzt konkret angehen. Sie wollen selbst mehr Nachwuchs gewinnen. Das heißt auch mehr ausbilden. Nur: alleine können sie das gar nicht. Heilerziehungspflege ist eine schulische Ausbildung – wie viele Berufe im sozialen Bereich. Deshalb ist die Vechtaer Justus-von-Liebig-Schule der Partner der Wahl. Von der Zusammenarbeit sollen alle Seiten profitieren. Die Ausbildung in der Fachschule der Berufsbildenden Schule (BBS) nähert sich dabei der klassischen dualen Ausbildung an. 

Die Vechtaer Schule hat ein Alleinstellungsmerkmal

Schulleiterin Gabriele Droste-Kühling fällt es dabei leichter, für die Ausbildung zu werben: Wie in anderen Berufen können die Auszubildenden nämlich inzwischen mit einem Einkommen rechnen. 783 Euro gebe in den 3 Jahren monatlich als Zuschuss von der NBank, der Investitions- und Förderbank des Landes Niedersachsen – "selbstverständlich ohne Rückzahlung" und unabhängig vom Einkommen der Eltern. Weil es hier keine Abzüge mehr gibt, sei die Förderung über das Aufstiegs-Bafög dann auch vergleichbar mit der Ausbildungsvergütung in anderen Berufen.

Damit die Auszubildenden Anspruch auf den Zuschuss anmelden können, hat der Fachbereich der Schule um Leiterin Mechtild Gerke die Ausbildung umstrukturiert. Damit hat die Vechtaer BBS in der Region ein Alleinstellungsmerkmal.

Obendrauf soll es ab dem Sommer auch für die Praktikumszeiten ein Taschengeld für die Auszubildenden geben. Die Träger wollen eben für sich werben. Wer sich in einer Einrichtung wohlfühle und gute Arbeit leiste, soll sich dann möglichst auch nach den Abschlussprüfungen zu dem Träger zurückkehren, in dem sie Erfahrungen gesammelt haben. 

Träger wollen Nachwuchs für sich begeistern und binden

Das sei auch schon in der Vergangenheit üblich gewesen, sagt Angelika Kürten-Schlarmanns. Viele Mitarbeiter seien als Praktikanten angefangen, hätten sich als Auszubildende in den Ferien und an den Wochenenden als Aushilfen noch etwas Geld hinzuverdient und dann – wenn auch mit Unterbrechungen – bis zum Ende ihres Berufslebens dabei geblieben. Das sei im sozialen Bereich gar nicht so selten.

In ihrer Ausbildung sollen angehende Heilerziehungspfleger zwar in verschiedene Bereiche hineinschnuppern, die in der Caritas organisierten Träger bieten dabei aber feste Anlaufstellen an. Sie stellen unter anderem fixe Ansprechpartner innerhalb der Einrichtungen. Und sie arbeiten in der Partnerschaft eng mit der Vechtaer BBS zusammen.

Gabriele Droste-Kühling sieht als einen Grund für den Nachwuchsmangel in der Behindertenhilfe, dass die Ausbildung so lange nicht vergütet wurde. Das sei für junge Leute wenig attraktiv gewesen. Ein anderer Grund: das Berufsbild sei wenig bekannt.

Wenig mit Pflege zu tun

Mit der Berufsbeschreibung hat der Begriff Heilerziehungspflege wenig gemein. Pflege steht nicht im Mittelpunkt. Laut Berufsprofil helfen Heilerziehungspfleger Menschen jeden Alters, ihren Alltag möglichst selbstbestimmt zu bewältigen. Arbeitsfelder sind etwa in Wohnheimen, Internaten, Schulen, Tagesbildungsstätten, in Kitas, aber auch Seniorenheimen; Schwerpunkte die Begleitung und Förderung. 

Manfred Moormann, Geschäftsführer des Kardinal-von-Galen-Haus' in Dinklage, sagt: Das Treffendste an der Bezeichnung Heilerziehungspfleger sei wohl, dass es eben ein sehr vielseitiger Job ist.

Am Ende der Ausbildung müssen die Absolventen jedenfalls nicht nach einem Job suchen, sagt Matthias Warnking. Im vergangenen Jahr hatten alle Heilerziehungspfleger schon bei der Zeugnisübergabe einen Arbeitsvertrag in der Tasche.

Akademischer Titel

Neben der staatlichen Anerkennung bekommen Absolventen künftig auch den Titel "Bachelor Professional", eine Angleichung an einen akademischen Abschluss, und die Fachhochschulreife – die Zugangsberechtigung zum Studium.

  • Info: Die Anmeldung zur Fachschule Heilerziehungspflege ist auch über die üblichen Anmeldefristen möglich. Weitere Infos gibt es online auf der Seite der Justus-von-Liebig-Schule.

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