Das Nachrichtenportal vonMünsterländische Tageszeitung MT undOldenburgische Volkszeitung OV

Handschreiben fällt vielen Kindern schwer

Mehr als ein Drittel der Schüler hat Probleme mit leserlicher Schrift. Wer mit Füller und Stift Buchstaben zu Papier bringt, anstatt mit der Computertastatur zu arbeiten, der trainiert sein Gehirn.

Artikel teilen:
Kinder sollen wieder flüssig und leserlich Schreiben lernen: Das fordert der Bildungsverband VBE. Denn eine Studie stellt heraus: Handschreiben macht schlau. Foto: dpa/ Pleul

Kinder sollen wieder flüssig und leserlich Schreiben lernen: Das fordert der Bildungsverband VBE. Denn eine Studie stellt heraus: Handschreiben macht schlau. Foto: dpa/ Pleul

Immer mehr Kindern fällt es schwer, mit Füller oder Stift zu schreiben. Oft verbinden sie Handschreiben sogar mit Schmerzen im Handgelenk. Nur zwei von fünf Jugendlichen in der Sekundarstufe sind in der Lage, 30 Minuten beschwerdefrei Buchstaben zu Papier zu bringen. Das ist eines der Ergebnisse der „Studie über die Entwicklung, Probleme und Interventionen zum Thema Handschreiben“ (STEP) aus dem Jahr 2019. Befragt wurden bundesweit mehr als 2000 Lehrkräfte im Auftrag des Verbands Bildung und Erziehung (VBE) und des Schreibmotorik Instituts.

Angesichts der Studienresultate schlägt der VBE Alarm. Denn das Handschreiben habe eine große Bedeutung für die Verbesserung der Lese- und Rechtschreibfähigkeiten sowie für das Textverständnis, erklärt der niedersächsische VBE-Vorsitzende Franz-Josef Meyer aus Langförden. Das heißt: Die Fähigkeit des Handschreibens und des Lernerfolgs hängen eng zusammen. Meyer sagt zudem: Was die Studie bundesweit festgestellt habe, das zeige sich auch an den Schulen im Oldenburger Münsterland. Bundesweit fragen sich Pädagogen und Wissenschaftler, wie es mit der Zukunft der Handschrift aussieht – und damit auch mit der Entwicklung der kognitiven Fähigkeiten des Nachwuchses.

Dr. Marianela Diaz Meyer, Leiterin des Schreibmotorik Instituts, bringt es so auf den Punkt: „Handschreiben macht schlau.“ Einige Einzelergebnisse der STEP-Studie: 89 Prozent der befragten Grundschullehrer waren der Meinung, dass die Kompetenzen, die Schüler als Voraussetzung für die Entwicklung einer Handschrift mitbringen, nicht ausreichend seien und sich sehr verschlechtert haben. Aus Niedersachsen stimmten sogar 100 Prozent dieser Einschätzung zu. Die bundesweiten Ergebnisse für den Sekundarbereich sehen ähnlich aus. Hier beurteilen 86 Prozent der Lehrer die Entwicklung der Handschrift von Schülern negativ. Sehr zufrieden sind laut Studie nur zwei bis vier Prozent der Lehrer. Außerdem: Mehr als ein Drittel der Kinder (37 Prozent) hat Probleme, eine gut leserliche, flüssige Handschrift zu entwickeln. Bei den weiterführenden Schulen sind es den Angaben zufolge sogar 43 Prozent.

Wo aber liegen die Gründe für diesen Abwärtstrend? „Vor allem zu wenig Routine, schlechte Motorik und Koordination sowie Konzentrationsprobleme und ein übermäßiger Medienkonsum“, zählt VBE-Chef Meyer als Ursachen auf, die die Studie anführt. Udo Beckmann, VBE-Bundesvorsitzender, kritisiert hier besonders die Bildungspolitik: „Es fehlt an den Grundlagen. Wie sollen wir den Kindern das Schreibenlernen beibringen, wenn den Lehrkräften schlicht die Zeit fehlt, sie individuell zu unterstützen?“, fragt er. „Wenn Kinder dann noch motorische Defizite aufweisen, weil sie auch zu Hause nicht die notwendige Unterstützung bekommen können, geraten wir an die Grenze des Machbaren“, beklagt er die Situation.

Meyer fordert nach Bekanntwerden der Studie ebenso eine stärkere Berücksichtigung der Rechtschreibung und des Handschreibens im Deutschunterricht an der Grundschule. Außerdem sollte eine Stunde pro Woche schreibmotorisches Training im Lehrplan verankert werden. „Für die individuelle Förderung sollte es zudem mehr Unterstützungspersonal geben“, sagt Meyer. Auch eine jüngere Studie des Mercator-Instituts für Sprachförderung und Deutsch als Zweitsprache mit den Titel „Handschrift in der digitalisierten Welt“ stellt heraus: Beim Handschreiben sei die Informationsverarbeitung besser als beim Schreiben mit der Tastatur, da die niedrige Schreibgeschwindigkeit dazu zwinge den Inhalt in eigenen Worten wiederzugeben.

Auch die Gedächtnisleistung sei effektiver. Beim Verfassen von Texten per Tastatur würde das Arbeitsgedächtnis entlastet werden, da Korrekturen leichter vorzunehmen sind, was weniger Planung erfordere. Davon könnten zwar Schüler mit einer Lese-Rechtschreib-Schwäche profitieren. Das Institut kommt aber letztlich zu diesem Schluss: Es ist das Handschreiben, das einen positiven Einfluss auf die kognitive Entwicklung habe und daher weiterhin zur Schulbildung gehören müsse. Schreiben mit der Tastatur solle aber als Teil der Berufswelt möglichst früh in den Unterricht sinnvoll integriert werden. Auch VBE-Landeschef Meyer sagt: Das Handschreiben und die digitale Technik seien keineswegs Widersprüche. So zeige sich schließlich die „Integration des Handschreibens in digitale Medien“ bereits in aktuellen technologischen Entwicklungen. Er verweist auf das interaktive Whiteboard, das Tablet und den Stylus Pen.

Dr. Marianela Diaz Meyer, Leiterin des Schreibmotorik Instituts, betont: Handschreiben fördere „die Merkfähigkeit, das inhaltliche Verständnis und die Kreativität“ und das seien Eigenschaften, „die auch im Zeitalter der Digitalisierung weiter gefragt sein werden“. Unterdessen wird eine spezielle Form des Handschreibens in der Gesellschaft neu entdeckt und immer beliebter: das „Handlettering“. Bei dieser Kunstform, die eng mit der Kalligraphie (Schönschreiben) verwandt ist, geht es darum Buchstaben möglichst kreativ, ästhetisch ansprechend und individuell zu gestalten. Dabei können verschiedene Stile und Schriftarten miteinander kombiniert werden. So erklärt es Elisabeth Vink, Leiterin des Schreibwarengeschäfts „Bastelbogen“ in Lohne. Sie gibt als freiberufliche Dozentin im Ludgerus-Werk Lohne auch Kurse im „Handlettering“, die von allen Altersklassen besucht werden.

„Es ist wirklich ein Hype“, erklärt Vink. „Es sollte in Schulen thematisiert werden, denn es macht den Kindern Spaß.“ Vink hat auch schon auf Kindergeburtstagen das „Handlettering“ vorgeführt. „Man merkte, wie die Kinder total konzentriert dabei waren“, berichtet sie. Auch der meditative Charakter sei hierbei nicht zu unterschätzen. Für VBE-Chef Meyer ist klar: Das Handschreiben bleibt auch bei fortschreitender Digitalisierung eine grundlegende Kulturtechnik. Und: „Es steigert die schulischen sowie beruflichen Bildungschancen.“

Gut und kompakt informiert zum Feierabend: Abonnieren Sie jetzt kostenlos unseren neuen WhatsApp-Kanal und erhalten den Newsletter „N'Abend, Oldenburger Münsterland“. Und nicht vergessen, die Benachrichtigungen auf dem Glocken-Symbol zu aktivieren! Hier geht es direkt zum WhatsApp-Kanal

Hier klicken und om-online zum Start-Bildschirm hinzufügen

Handschreiben fällt vielen Kindern schwer - OM online