Für die Seele sorgen in den Zeiten von Corona
Die Virus-Pandemie beeinflusst auch massiv die Arbeit der katholischen und evangelischen Kirche im Landkreis.
Florian Ferber | 20.03.2020
Die Virus-Pandemie beeinflusst auch massiv die Arbeit der katholischen und evangelischen Kirche im Landkreis.
Florian Ferber | 20.03.2020

Teilen ein Schicksal: In der evangelischen (vorne) und katholischen Kirche Goldenstedt sind nur noch Einzelgebete möglich. Foto: Ferber
Das grassierende Coronavirus stellt auch die Kirchen beider Konfessionen vor ungeahnte Herausforderungen. Öffentliche Gottesdienste werden von höchster Stelle – Bistum Münster und evangelisch-lutherische Kirche in Oldenburg – abgesagt. Verbindlich oder immerhin als Empfehlung. Gleiches gilt größtenteils für Taufen und Trauungen – oder es gilt wie bei Beerdigungen: Nach individueller Besprechung nur im kleinen Familienkreis. Pfarrheime und angeschlossene Büchereien sind geschlossen, Pfarrbüros telefonisch in der Regel noch erreichbar. Die Kirchenräume bleiben für Einzelgebete meist geöffnet. So wird in diesen Zeiten auf anderen Wegen der Kontakt zur Gemeinde gepflegt – und St.-Vitus-TV hofft am Sonntag auf besonders hohe Einschaltquoten. Um 9 Uhr, ist der Homepage der katholischen Kirchengemeinde in Visbek und Rechterfeld zu entnehmen, beginnt der Livestream der Heiligen Messe aus der Pfarrkirche. Anschließend ist die Eucharistiefeier ab 11 Uhr jederzeit in der eigenen Mediathek verfügbar. Zudem findet sich eine Gebetsammlung zum Runterladen für den Hausgebrauch auf der Internetseite. Die Kirchengemeinde kann schon länger via St. Vitus-TV an den sonntäglichen Gottesdiensten aus der Visbeker Pfarrkirche teilhaben. Am 22. März soll dort auch der Kirchenmusiker Orgel spielen, berichtet Pfarrer Hermann Josef Lücker, „sodass die Leute zu Hause mitsingen und mitbeten können“. Insgesamt, schildert Lücker, erlebe er die momentane Situation als „herausfordernd“. „Viele Leute kommen mit ihren Fragen und sind verunsichert. Wir haben versichert, dass wir täglich die Eucharistie feiern und die Anliegen der Menschen mit ins Gebet nehmen. Aber das passiert natürlich immer unter Ausschluss der Öffentlichkeit“, erklärt der Geistliche. Nach wie vor liefen seelsorgliche Gespräche – in gebührendem Abstand und was per Telefon und E-Mail gemacht werden könne, werde auf diese Weise erledigt. Das Verständnis für die Maßnahmen sei bei den Gläubigen vorhanden, sagt Hermann Josef Lücker. „Der Südoldenburger an sich ist ja erstmal ein bisschen skeptisch, ob das sein muss. Es hat aber noch keiner geschimpft oder gemeckert.“ Mit Blick auf Sonntag lädt Lücker alle Familien ein, sich um den heimischen Bildschirm zu versammeln und die Messe mitzufeiern – und sich vorher mit einem Gotteslob „zu bewaffnen“. Karsten Hilgen, Pfarrer der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Bakum und ab Mai mit seiner Frau Andrea Hilgen-Frerichs auch für die evangelisch-lutherische Kirchengemeinde Visbek-Langförden zuständig, muss sich in Sachen Seelsorge momentan größtenteils aufs Telefon beschränken. Vor allem zu älteren Gemeindemitgliedern, die in den sozialen Medien nicht unterwegs sind, soll so, oder auch auf postalischem Weg, Kontakt gehalten werden. Für das Verhalten während der Coronavirus-Pandemie gebe es strikte Anordnungen. „Wir sind angewiesen, nur mit zehn Personen draußen auf dem Friedhof eine Beisetzung durchzuführen“, nennt Hilgen ein Beispiel. Verständnis sei da, berichtet der Pfarrer weiter. Bereits beim vorerst letzten öffentlichen Gottesdienst sei auf Körperkontakte und Umarmungen verzichtet worden. „Insgesamt ist es sehr schmerzlich für Menschen, die in der Kirche ihre Heimat gefunden haben.“ Um diesen Schmerz zu lindern, soll eine Hausandacht verschickt werden, mit dem die Mitglieder ein paar Texte an die Hand bekommen, um ihren Glauben auch zu Hause praktizieren zu können. In der katholischen Kirchengemeinde St. Gorgonius Goldenstedt versichert Pfarrer Martin Knipper, halte man sich genau an die Dienstanweisungen der Bischöfe. „Es ist eine sehr einsame Situation und ich mache mir Gedanken über den Zusammenhalt in unserer Gemeinde“, erklärt Knipper. Gemeinde komme von Gemeinschaft. „Und wir sind jetzt alle vereinzelt, das macht mich sehr, sehr traurig.“ Seelsorge sei nur per Telefon möglich, so Knipper, denn seine „alten Leutchen“ könnten ganz schlecht mit E-Mails umgehen. „Und ich finde das auch eine sehr unpersönliche und bescheidene Form der Kommunikation.Wenn ich höre, das was ist, rufe ich da an und das geht dann auch von mir aus.“ Zum Glück sei seine Gemeinde sehr mitteilsam. Ebenfalls, und noch mehr als sonst sitzt, Elke Koopmann, Pfarrerin der evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Goldenstedt, dieser Tage am Telefonhörer. Persönliche Gespräche, das Verschieben von Taufen und Konfirmationen, das Absagen von Veranstaltungen, im Moment sei eine Menge zu regeln. „Es geht in dieser Zeit einfach nicht anders. Man muss Gemeinsinn walten lassen und seinen kleinen Egoismus hinten anstellen.“ Verständnis verspüre sie, wenngleich es immer schwer sei, aus Gewohnheiten auszubrechen. „Wenn man Leute trifft, stellt man sich mit Respektabstand auf den Parkplatz und kann mit ihnen sprechen. Und das Angebot nehmen sie auch gerne wahr“, beschreibt Koopmann ein einfaches, praktisches Beispiel wie man sich in Corona-Zeiten behelfen kann. In der katholischen Stadtgemeinde St. Mariä Himmelfahrt in Vechta hat man derweil das „TV-Programm“ ausgebaut. Aus der Propstei St. Georg werden nun täglich um 18 Uhr die Gottesdienste mit Propst Michael Matschke oder Kaplan Albert Lüken via Livestream übertragen, berichtet Pastoralreferent Daniel Richter. Es seien „vollwertige Messfeiern“, eröffnet mit dem Angelusgebet, nur eben ohne Publikum. Zuletzt, so Richter seien 60 Zugriffe im Netz registriert worden. Zwar mute es etwas seltsam an, eine Eucharistiefeier, die von der Gemeinschaft lebe, ohne Gläubige zu feiern. „Aber es sind Notzeiten und wir wollen zeigen: Wir halten daran fest.“ Ansonsten, erklärt der Pastoralreferent, finde „das Kerngeschäft“ nach den Anweisungen des Bistums momentan nicht statt. Doch es gebe weiterhin, auch im Homeoffice, eine Menge zu tun, etwa die Kontaktpflege zu Jugendgruppenleitern oder das Bespielen der sozialen Medien. Zudem werde regelmäßig ein geistiger Impuls auf der Homepage veröffentlicht und auch telefonische Seelsorge sei weiterhin möglich. In einer Mitteilung schreibt Daniel Richter: „Generalvikar Dr. Klaus Winterkamp und Weihbischof Wilfried Theising gehen davon aus, dass sämtliche Gottesdienste bis einschließlich Ostermontag entfallen. Für Weißen Sonntag geben sie die Empfehlung, die Erstkommunionfeiern zu verschieben, was wir für Vechta auch so entschieden und mitgeteilt haben.“ Auch vom Seelsorgeteam um Pastoralreferentin Christine Gerdes von der katholischen Kirchengemeinde St. Gertrud in Lohne ist dieser Tage Kreativität gefragt. Während Erstkommunionen bereits frühzeitig verschoben wurden, werden vor allem über Facebook, Instagram und die eigene Homepage Ideen verbreitet, „wie wir Gemeinschaft leben können, ohne nah beieinander zu sein“. Ein Beispiel: Jeden Abend werden nun um 19.30 Uhr die Kirchenglocken läuten – verbunden mit der Bitte, eine Kerze ins Fenster zu stellen und das Vater Unser zu Hause zu beten. Weiterhin, und schon vor Corona geplant, sind Impulse via Broadcast in der Karwoche und eventuell kurze Videos angedacht. „Wir sind aber weiter auch als Seelsorgeteam verfügbar“, betont Christine Gerdes – am Telefon, oder in Notfällen, etwa bei der Krankensalbung. Im Südkreis begegnet die katholische Pfarrei St. Viktor in Damme den Auswirkungen der Corona-Krise mit der Aktion „Klangfenster“, wie Kirchenmusiker Gabriel Isenberg mitteilt. Dabei „erscheint jeden Tag ein neues Orgelstück – mal kürzere Werke, mal längere, mal mit bewegten Bildern, mal nur mit einzelnen Bildeindrücken, Musik aus allen Epochen und Stilen. Dazu gibt es jeweils ein paar Erläuterungen und Gedanken zum Musikstück“. Hintergrund sei, schreibt Isenberg, dass an vielen Orten Musiker nun ihre Fenster und Türen geöffnet haben, um ihre Musik auf die Straßen und Plätze hinaus erklingen zu lassen. „Auch in der Pfarrei St. Viktor Damme möchten wir die Kirchenfenster virtuell öffnen und so die Klänge aus der Kirche zu Ihnen bringen.“ Die täglich neuen Aufnahmen findet man unter www.kirchenmusik-damme.de. Ferner werden vom Bistum Osnabrück, zu dem die Kirchengemeinde St. Paulus in Neuenkirchen-Vörden gehört, ab übermorgen immer sonntags um 11 Uhr und von Montag bis Freitag um 19 Uhr nicht öffentliche Gottesdienste aus dem Osnabrücker Dom live unter www.bistum-osnabrueck.de übertragen. Das Bistum hat darüber hinaus unter der Telefonnummer 0541/318801 ein Gesprächsangebot eingerichtet. Es steht montags bis freitags von 10 Uhr bis 12 Uhr und von 16 Uhr bis 18 Uhr zur Verfügung.„Der Südoldenburger an sich ist ja erstmal ein bisschen skeptisch...“
Pfarrei St. Viktor in Damme öffnet ihre Fenster virtuell
Gebet:
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