Das Nachrichtenportal vonMünsterländische Tageszeitung MT undOldenburgische Volkszeitung OV

Familie wartet zehn Stunden in Notaufnahme

Vierjähriger wird nach Sturz am Nachmittag erst in der Nacht behandelt. Am Samstag herrschte in der Abteilung offenbar Ärztemangel.

Artikel teilen:
Notaufnahme der Wahl: Die Lohner entschieden sich für das Vechtaer St. Marienhospital, weil es hier eine Kinderambulanz gibt. Foto: Chowanietz

Notaufnahme der Wahl: Die Lohner entschieden sich für das Vechtaer St. Marienhospital, weil es hier eine Kinderambulanz gibt. Foto: Chowanietz

Nicole und André Mönicke hatten auf schnelle Hilfe gehofft. Ihr Sohn war gestürzt, hatte eine Platzwunde am Kopf. Der Vierjährige klagte über Kopfschmerzen, ihm war übel. Die Eltern fürchteten, der Junge könnte eine Gehirnerschütterung haben. André Mönicke sagt: Es heiße ja immer, ein Arzt solle das vorsichtshalber abklären. Außerdem: Ein Pflaster hätte nicht geholfen.

Also fuhren die Lohner mit dem Jungen am Samstagnachmittag in die Notaufnahme des Vechtaer St. Marienhospitals. Um 15.16 Uhr meldeten sie sich nach eigenen Angaben am Empfang, erledigten die Formalitäten und nahmen mit dem Jungen im Wartezimmer Platz.

Nicole Mönicke beschreibt das als Beginn einer „Odyssee“. Am Ende sollte es zehn Stunden dauern, bis der diensthabende Arzt den Vierjährigen untersuchen und behandeln würde. Erst spät in der Nacht, um 1.22 Uhr, konnte die Familie das Marienhospital verlassen. Die Behandlung habe letztendlich nur fünf Minuten gedauert.

Die Familie gehörte offenbar zu mehreren Betroffenen, die extrem lange Wartezeiten hinnehmen mussten. Krankenhaus- Geschäftsführer Aloys Muhle sagt: Die Situation am Samstag sei „völlig inakzeptabel“ gewesen. Innerhalb von zwei Stunden müsse bei jedem Patienten „etwas passiert sein“. Notfälle hätten Vorrang, die Notaufnahme müsse die Dringlichkeit bewerten. Im Zweifel müsse aber bei weniger schweren Fällen zumindest an eine andere Aufnahme verwiesen werden.

Das geschah am Samstag nicht. André Mönicke und seine Frau hatten, wie sie erzählen, nach etwas mehr als zwei Stunden Wartezeit erstmals nachgefragt, wann ihr Sohn denn behandelt würde. Da sei ihnen mitgeteilt worden, dass nur ein Chirurg da sei und es viele Notfälle gebe.

Krankenhaus nennt Notfälle als einen Grund für Wartezeit

Auch Aloys Muhle sagt, es habe am Samstag „geballt“ außergewöhnlich viele, mitunter schwere Notfälle gegeben. Der eingesetzte Honorararzt – laut Geschäftsführer Muhle eine Vertretung für den ursprünglich eingeplanten Chirurgen – habe auf die Situation offenbar nicht gut reagiert. Der Mediziner habe versäumt, eine Verstärkung anzufordern.

Das Vechtaer Krankenhaus werde auf die Zusammenarbeit mit diesem Mediziner künftig verzichten, betont Muhle. Eine weitere Konsequenz: Das Personal in der Aufnahme bekomme mehr Befugnisse. Es könne künftig auch ohne Ansage eines Arztes eine Verstärkung rufen – was am Samstag nötig gewesen wäre, verspricht Muhle. Drei Fachärzte stünden bei Bedarf immer im Hintergrund zur Verfügung, versichert er.

Einen Kontakt zu dem Vertretungs-Arzt, um ihm die Chance auf eine Stellungnahme zu geben, konnte die Klinik gestern nicht vermitteln. Er sei kurzfristig über eine Agentur vermittelt worden, erklärt Muhle. Üblicherweise werde über den Einsatz eines Honorararztes – er ist teurer als eine angestellte Fachkraft – auf Grundlage eines Profils entschieden. Entscheidend seien Ausbildung, Erfahrung und Referenzen. Die hätten auf den ersten Blick gepasst Die Situation in der Notaufnahme konnten Nicole und André Mönicke nur erahnen. Sie hatten immer wieder überlegt, einfach zu gehen. Ihnen sei aber gesagt worden, dass dies auf eigene Verantwortung geschehe. Auch fürchteten sie, sich in einer anderen Notaufnahme wieder hinten anstellen zu müssen. Also blieben sie, überbrückten die Zeit. Ein Verwandter brachte Essen vorbei.

Andere Patienten hätten irgendwann aufgeben und seien gegangen. Darunter eine Person mit einer offensichtlichen Armverletzung, erzählt André Mönicke. Ein Wartender habe sich telefonisch nach einer Behandlung in der Notaufnahme in Diepholz erkundigt.

Um 23.35 Uhr sei die Familie dann in ein Behandlungszimmer gebeten worden. Um 1.15 Uhr sei der Arzt gekommen und habe das inzwischen schlafende Kind untersucht. Die Platzwunde sei mit fünf Klebestrips versorgt worden.

Diese Strips wird sich die Familie jetzt selbst kaufen, sagt André Mönicke. Er werde so schnell nicht mehr in eine Notaufnahme fahren. Dem Vechtaer Personal könne er nichts vorwerfen, sagt der Lohner. Die Unterbesetzung sei offensichtlich gewesen. Seine Frau und er hätten sich nun schriftlich mit ihrer Geschichte ans Krankenhaus und an die Ärztekammer gewandt. Sie bitten um Stellungnahme. Die Wartezeit sei für eine Notaufnahme unmöglich – auch wenn ihr Kind keine lebensdrohliche Verletzung gehabt habe und in der Aufnahme viel los gewesen sei.

Aloys Muhle will sich nun bei der Familie entschuldigen. Er sieht die Geschehnisse vom Samstag als Rückschlag. Das Krankenhaus habe zuletzt viel getan, um die Abläufe in der Notaufnahme zu verbessern.

Gut und kompakt informiert zum Feierabend: Abonnieren Sie jetzt kostenlos unseren neuen WhatsApp-Kanal und erhalten den Newsletter „N'Abend, Oldenburger Münsterland“. Und nicht vergessen, die Benachrichtigungen auf dem Glocken-Symbol zu aktivieren! Hier geht es direkt zum WhatsApp-Kanal

Hier klicken und om-online zum Start-Bildschirm hinzufügen

Familie wartet zehn Stunden in Notaufnahme - OM online