Das Nachrichtenportal vonMünsterländische Tageszeitung MT undOldenburgische Volkszeitung OV

Erstes Messer als Fünfjähriger gefertigt

Jannis Scholz aus Friesoythe schmiedet aus exklusiven und historischen Werkstoffen moderne Küchenmesser. Seine Kunden leben in der ganzen Welt.

Artikel teilen:
Fertig: Jannis Scholz lässt einen letzen Blick schweifen. Foto: cl

Fertig: Jannis Scholz lässt einen letzen Blick schweifen. Foto: cl

Die Handvoll kleiner Nägel ist 2000 Jahre alt. Damals schützten sie Römersandalen vor Abnutzung, heute schreiben sie auf einer Messerklinge Geschichte. Das Eichenholz für den Griff stammt aus einer Wikinger-Wehranlage, das Renneisen ist eigenhändig verhüttet, der Teil des Mauerankers auf 1450 datiert. Aus historischen Werkstoffen ist ein modernes Schneidewerkzeug geworden, aus exklusiven Materialien ein individuelles Einzelstück.

Jannis Scholz kreiert viele seiner Messer selbst, erfüllt aber auch Kundenwünsche und gibt ihnen mit seinen ganz eigenen Kompositionen den letzten Schliff. Er steht für höchste Qualität, Funktionalität und Ästhetik, möchte aber nicht für die Vitrine, sondern fürs wahre Leben produzieren. „Meine Messer sollen benutzt werden“, sagt der 36-Jährige bestimmt, der mit seiner Frau und seinem Sohn in Friesoythe sesshaft geworden ist.

Am Schlachthaus-Atelier betreibt er seine Schmiede und vertreibt seine Produkte weltweit an Menschen, für die ein gutes Messer mehr als ein mechanischer Gegenstand ist und die bereit sind, dafür auch tief in die Tasche zu greifen

Stundenlang  beim Hufbeschlagen zugeschaut

Mit hochwertigen und handgeschmiedeten Küchenmessern hat sich der gebürtige Sandhausener (bei Bremen) in der Szene einen Namen gemacht. Köche und Foodscouts wissen Technik und Geometrie, Performance und Präzision zu schätzen. Entstanden aus dem Anspruch, „in jedem Bereich das Beste zu leisten“, sagt „Xerxes“, der seinen Spitznamen aus der Uni zur Handelsmarke gemacht hat. Schon als Fünfjähriger hat ihn die Schmiedezunft fasziniert. Stundenlang konnte er beim Hufbeschlagen zuschauen, hat selbst Nägel geformt und das erste kleine Messer auf einem Stein als Amboss gefertigt..

Seinen ersten echten bekam er mit zehn von einem Nachbarn zu Weihnachten geschenkt. „Man hätte mir damals kein schöneres Geschenk machen können“, erinnert sich der Schmied, der auf der 30-Kilo-Variante noch heute die Klingenrohlinge richtet. Geschmiedet wird auf 250 Kilo.

Am Luftschmiedehammer: Jannis Scholz bleibt zum Formen nur wenig Zeit. Foto: clAm Luftschmiedehammer: Jannis Scholz bleibt zum Formen nur wenig Zeit. Foto: cl

Mit zwölf richtete er sich dann im alten Pferdestall der Eltern eine kleine Schmiede für sein großes Hobby ein, das ihn nie losließ und das nach dem Abitur ein bisschen die Kasse aufbesserte, während er Geschichte und Wirtschaft studierte, um Lehrer zu werden. Doch an der Tafel wäre es nur der Beruf gewesen, am Amboss ist es Berufung. Und es brauchte nur noch einen kleinen Impuls vom Freund und vom Vater, um die finale Entscheidung zu treffen. Das Studium wurde dennoch zu Ende gebracht, bevor sich eine Ausbildung im Bereich Feinmechanik und Maschinenbau anschloss. Messerschmieden bedeutet lebenslanges Lernen, sagt Jannis Scholz als Autodidakt, der im alten Handwerk immer wieder neu denkt, ausprobiert, Abläufe analysiert und optimiert. Da er schon als Jugendlicher mit fehlerfreien Damastklingen verblüffte, ohne es gelernt zu haben, freute er sich auf eine vielversprechende Selbstständigkeit. Doch der Weg war zunächst kein leichter, der Lebensplan auf Messers Schneide. Bürokratische, gesundheitliche und daraus resultierend auch finanzielle Hürden waren zu meistern. Zähne zusammenbeißen, Klinken putzen, aber nicht aufgeben, lautete die Devise des jungen Unternehmers, der sich mit der Fertigung hunderter einfacher Klingen und Rohlinge über Wasser hielt. Die Wende kam durch Profikoch Sebastian Stiegler, auf dessen Initiative Jannis Scholz eine Küchenmesser-Kleinserie produzierte. Der Weg aus der Krise hin zur erfolgreichen Karriere.

Gusseiserner Handlauf soll sich wiederfinden

Jannis Scholz heizt die Gasesse auf und stellt den Luftschmiedehammer an. „Es gibt keinen Besseren“, beschreibt er die Maschine von 1956, die immer noch wie ein Uhrwerk läuft und verlässlich ihre Arbeit verrichtet. Das sogenannte Ausgangspaket für eine Drei-Lagen-Klinge wird auf rund 1000 Grad erhitzt, dann bleiben dem Schmied nur wenige Sekunden, um die Stähle zu formen. Wird der Zeitpunkt verpasst, „war alles umsonst“. Das aktuelle Küchenmesser ist eine Auftragsarbeit mit Vorgaben, Freiheiten und einer persönlichen Note: ein gusseiserner Handlauf aus einer alten Villa soll sich wiederfinden. Und womit schneidet Hobbykoch Scholz sein eigenes Fleisch und Gemüse? „Ausschließlich mit Prototypen“, verrät er und fügt augenzwinkernd hinzu: „Meine Messer könnte ich mir auch gar nicht leisten.“

Gut und kompakt informiert zum Feierabend: Abonnieren Sie jetzt kostenlos unseren neuen WhatsApp-Kanal und erhalten den Newsletter „N'Abend, Oldenburger Münsterland“. Und nicht vergessen, die Benachrichtigungen auf dem Glocken-Symbol zu aktivieren! Hier geht es direkt zum WhatsApp-Kanal

Hier klicken und om-online zum Start-Bildschirm hinzufügen

Erstes Messer als Fünfjähriger gefertigt - OM online