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Die Jahrzehnte im Schnelldurchlauf

Kolumne: Batke dichtet – Jede Zeit hat ihre Sprache. Unser Kolumnist macht eine Zeitreise und fragt sich, welches wohl das Wort des Pandemie-Jahres 2020 wird.

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Der Jahresendspurt läuft. Untrügliches Zeichen: Der erste Rückblick Zwanzigzwanzig ist bereits versendet (ZDF am vergangenen Mittwoch), obwohl noch einiges passieren kann. Aber das ZDF mit seinem Welterklärer Markus Lanz wollte auch mal in der ersten Reihe sitzen.

Weiter geht’s im Reigen des Zurückblickens am kommenden Montag um 10 Uhr: Dann wird in der Wiesbadener Spiegelgasse, Sitz der Zentrale der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS), das „Wort des Jahres 2020“ proklamiert. Es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn es sich nicht um „Corona“ handelt. Oder doch „Covid 19“? Oder „Pandemie“? Auf jeden Fall wird das Wort des Jahres virusbehaftet sein.

Die Wahl hat Tradition, erstmals 1971 und dann regelmäßig seit 1977 kürt die GfdS einen Begriff, der das jeweilige Jahr in der öffentlichen Wahrnehmung und Diskussion maßgeblich geprägt hat. Ein Blick in die Liste der gewählten Wörter oder Begriffe zaubert einen bunten Streifzug durch die jüngere deutsche Historie hervor. Mit dem eher betulichen „aufmüpfig“ begann es vor knapp fünfzig Jahren – ein Begriff, der das sachte Aufbegehren der jüngeren Generation gegen die Konventionen der älteren dokumentieren sollte.

Der Mauerfall schafft es nicht in die Charts

Und auf Rang 3 tauchte ein Begriff auf, der uns durch die Jahrzehnte begleitete und an Relevanz nichts verloren hat: „Umweltschutz“.

Es macht Spaß, sich durch die Charts der zurückliegenden Jahre zu zappen; wenn man so will ein geschichtlicher Schnelldurchlauf (Dieter Thomas) Heckscher Ausprägung. Begriffe wie „konspirative Wohnung“ (1978), „Tschernobyl“ (1986), „Aids“ (1987), „Besserwessi“ (1991), „Fremdenhass“ (2. 1992, hinter „Politikverdrossenheit“), „Multimedia“ (1995), „Viagra“, (1998, 2. hinter „Rot-Grün“), „Millennium“ (1999), „der 11. September“ (2001), „Teuro“ (2002), „Hartz IV“ (2004), „Fanmeile“ (2006), „Raucherkneipe“ (2007, 3. hinter „Klimakatastrophe“ und „Herdprämie“), „Wutbürger“ (2010), „GroKo“ (2013), „Flüchtlinge“ (2015), „Jamaika-Aus“ (2017), „Heißzeit“ (2018) oder „Respektrente“ (2019) sind Schlaglichter einer spannenden und spannungsreichen Zeit.

Bemerkenswert: 1989 tauchte der Begriff „Mauerfall“ nicht in den Top Ten auf, dafür war „Reisefreiheit“ Wort des Jahres. Natürlich wird auch auf anderen sprachlichen Feldern kräftig gechartet. Erinnert sei an 2007, als die Aktion „Schönstes bedrohtes Wort“ lief. Am kräftigsten wurde in der Jury für „Kleinod“ gevotet – sorry: abgestimmt.

Die Plattdeutsch-Abteilung hat eigene Hitparadenstürmer

Im vorderen Feld befanden sich auch so schöne Begriffe wie „Labsal“, „Augenstern“, „fernmündlich“, „hold“ oder „Schlüpfer“. Auch in der plattdeutschen Sektion wird regelmäßig gewählt, der jüngste Hitparadenstürmer (2019) ist „utklamüsern“.  Ein Blick 20 Jahre zurück – in Zeiten der BSE-Krise mit dem Rinderwahn entschied sich die Platt-Jury für „Brägenklötrige Kauh“. Und für 2020 dürfte der „Snutenpulli“ (Mund-/Nasenschutz) gute Chancen haben.

Ach ja – und dann gibt es ja auch noch die Kategorie „Unwort des Jahres“. Gesucht wird nach dem Nachfolger für „Klimahysterie“. Als gesichert gilt: Es wird ein Begriff sein, der in Zusammenhang mit der Pandemie steht. Oder mit der US-Wahl. Oder mit beiden zusammen. Mein persönliches Unwort für 2020 ist „Osteomyellitis MFK V“. Hat was mit einem entzündeten Fuß zu tun. Und kann verdammt fies sein.


Zur Person

  • Alfons Batke (64) ist Journalist und lebt in Lohne.
  • Den Autor erreichen Sie unter: info@ov-online.de

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