Die Feuerwehruniform sitzt auch nach 80 Jahren wie angegossen
Otto Niemann ist das treueste Mitglied aller Feuerwehren im Landkreis Vechta. Ganz freiwillig ist der heute 96-Jährige während des Zweiten Weltkrieges jedoch nicht zu den Brandschützern gekommen.
Otto Niemann kann auf die Auszeichnung für seine langjährige Mitgliedschaft stolz sein. Neben der Urkunde hält der Jubilar seinen uralten Feuerwehrausweis in den Händen. Foto: Speckmann
Mit einem zufriedenen Lächeln schaut Otto Niemann auf seine gute alte Feuerwehruniform. Der blaue Rock und die Hose haben über Jahrzehnte im Kleiderschank gehangen, sind zuletzt kaum noch getragen worden, aber sie passen immer noch wie angegossen. Die silberfarbenen Knöpfe sind blank poliert, die Schulterklappen und Ehrenabzeichen glänzen wie zur ersten Stunde. Kurz noch die Mütze gerade gerückt, und schon kann der feierliche Einsatz im Haus Teresa in Vechta beginnen.
Die Komplimente lassen nicht lange auf sich warten, als der Jubilar sein Zimmer verlässt und im Rollstuhl durch das Foyer kommt. "Was siehst du heute schick aus!", ruft eine Pflegekraft dem Herrn zu und erntet ein zustimmendes Nicken von den Mitbewohnern, die sich bei sonnigem Wetter vor dem Eingang des Alten- und Pflegeheims versammelt haben. Vor ihnen ist bereits eine Delegation angetreten. Vertreter von Feuerwehr und Kommune sind gekommen, um dem 96-Jährigen für seine Treue zu danken.
Niemann ist das Mitglied mit der längsten Zugehörigkeit im Kreis
Seit sage und schreibe 80 Jahren ist der nach wie vor geistig rege Senior dem Feuerwehrwesen verbunden. "Das ist schon eine Hausnummer", erklärt Kreisbrandmeister Matthias Trumme. Damit ist Niemann das Mitglied mit der längsten Zugehörigkeit aller 20 Feuerwehren im Landkreis Vechta. Auch auf Landes- und Bundesebene dürfte es bisher nur ganz wenige Menschen geben, die an diese rekordverdächtige Marke heranreichen.
Auszeichnung mit Seltenheitswert: Kreisbrandmeister Matthias Trumme heftet die goldene Ehrennadel des Landesfeuerwehrverbandes Niedersachsen an Otto Niemanns Uniform. Foto: Speckmann
Trumme geht davon aus, dass aufgrund der Altersstruktur in den nächsten Jahren weitere Kameraden mit einer entsprechenden Zugehörigkeit folgen werden. Zudem werde das Engagement in der Jugendfeuerwehr auf die Treue angerechnet. Bei der Auszeichnung in den höheren Kategorien gibt es ab 60 Jahren Mitgliedschaft bisher aber keine Unterschiede. Die goldene Ehrennadel des Landesfeuerwehrverbandes Niedersachsen ist das Maß aller Dinge.
"Das ist wirklich eine Leistung. Das müssen erstmal die anderen Kameraden nachmachen", sagt Bürgermeister Kristian Kater (SPD) voller Anerkennung. Er dankt dem Jubilar im Namen der Kommune für die Treue und würdigt die Einsatzbereitschaft während der aktiven Zeit in der Ortsfeuerwehr Langförden. Wie der Rest der Truppe hat er seine Freizeit geopfert, freiwillig und ehrenamtlich, ohne dafür auch nur einen Groschen zu verlangen.
Wobei das mit der Freiwilligkeit so eine Sache ist, als Niemann während des Zweiten Weltkrieges in den Kreis der Brandschützer eintritt. In der Bauerschaft Höltinghausen in der Gemeinde Emstek aufgewachsen, absolviert er eine Ausbildung zum Elektroinstallateur im rund 15 Kilometer entfernten Molbergen. Dort kommt er im Alter von 16 Jahren zur Feuerwehr. "Ich wurde verpflichtet", berichtet der Senior. "Der Brandschutz war damals nicht mehr gesichert, weil viele Männer eingezogen wurden."
Flugzeugabsturz weckt traurige Erinnerungen
Während der Nachwuchs heutzutage in spielerischer Form in der Kinder- und Jugendfeuerwehr auf die Arbeit in der Einsatzabteilung vorbereitet wird, erlebt Niemann den Sprung ins kalte Wasser. Seinen ersten Dienst in Molbergen hat der heute noch vor Augen: Die Brandschützer treffen sich im früheren Gasthaus Vorwerk, breiten auf dem Saal ihre Schläuche aus und üben das Kuppeln für den Löschangriff. "Es war bitterkalt", erinnert sich der Hauptfeuerwehrmann an seine Anfänge in den Wintermonaten.
In den letzten Kriegsjahren muss auch der junge Niemann in den Kampf ziehen. Er kommt zunächst als Panzergrenadier an der Ostfront, erlebt anschließend die Invasion der westlichen Alliierten in der Normandie und gerät schließlich nochmal an die West- und die Ostfront, bevor er nach Kriegsende unversehrt in die Heimat zurückkehrt und sich in Langförden niederlässt. "Es ist ein Wunder, dass ich noch lebe und heute hier sitzen kann", sagt der Rentner im Wissen um die vielen Opfer.
Auch während seiner aktiven Zeit in der Ortsfeuerwehr Langförden hat der Inhaber eines heimischen Betriebes für Gas-, Wasser- und Heizungstechnik einige denkwürdige Momente erleben müssen. Als er von dem tragischen Flugzeugabsturz am 2. Mai 1975 in Oythe berichten will, wird seine Stimme plötzlich ganz leise. Er ist den Tränen nahe. Die eingestürzten Häuser und der Tod von 10 Menschen, darunter mehrere Kinder, hat sich in das Gedächtnis der Einsatzkräfte eingebrannt.
"Wir haben gelöscht, auch im Hals."Hauptfeuerwehrmann Otto Niemann, 96 Jahre
Aber es gibt auch viele fröhliche Ereignisse, die der 96-Jährige mit der Feuerwehr verbindet. "Wir haben gelöscht, auch im Hals", sagt der Mann lächelnd. Die Geselligkeit ist für den Vereinsmensch stets wichtig gewesen. Bis vor etwa 10 Jahren hat er noch an Treffen der Ehrenabteilung teilgenommen. Während die Aktiven ihren Übungsdienst verrichten, klönen die Alterskameraden in der Florianstube.
Das Langfördener Feuerwehrlied, das die Kameraden gerne bei Ausflügen anstimmen, kennt Niemann immer noch auswendig: "Es heulen die Sirenen, es gellet das Horn", singt der Jubilar in Anwesenheit der Gästeschar und erntet prompt einen kräftigen Applaus. Nicht geringer ist das Staunen in der Runde, als er der Jubilar seinen uralten Feuerwehrausweis aus der Tasche zieht. Das Dokument befindet sich ebenfalls in bestem Zustand.
Stellvertretender Ortsbrandmeister Thomas Gerken, der als kleiner Junge am Feuerwehrschwimmen in Langförden teilnehmen durfte und dabei erstmals Bekanntschaft mit Otto Niemann machte, kann diese Verbundenheit nur in höchsten Tönen loben. Die Feuerwehr wäre gerne mit mehreren Kameraden im Haus Teresa erschienen, habe darauf aber wegen der Pandemie verzichtet. "Sie können gerne kommen, ich freue mich über Gesellschaft", sagt der Herr in der blauen Uniform.
Kleine Feierstunde vor dem Haus Teresa: Bewohner Otto Niemann (vorne links) freut sich über die Glückwünsche von Bürgermeister Kristian Kater (vorne rechts), Kreisbrandmeister Matthias Trumme (hinten links), Langfördens stellvertretendem Ortsbrandmeister Thomas Gerken sowie der Geschäftsführerin des Alten- und Pflegeheims, Cornelia Ostendorf. Foto: Speckmann