Die Staatsanwaltschaft Oldenburg hat ein Verfahren gegen "einen im Landkreis Vechta niedergelassenen Hausarzt wegen des Anfangsverdachts der versuchten/vollendeten Körperverletzung eingeleitet". Der Polizei sei der Fall vom örtlichen Gesundheitsamt berichtet worden. "Eine ausdrückliche Strafanzeige oder anonyme Hinweise waren bei der Staatsanwaltschaft Oldenburg zuvor nicht eingegangen", sagt der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Matthias Renneberg.
Landkreis hatte die Praxis zeitweise geschlossen
Am vergangenen Donnerstag hatte Heiger Scholz, Staatssekretär im niedersächsischen Sozialministerium und Chef des Corona-Krisenstabs der Landesregierung, den Fall des Arztes aus dem Landkreis Vechta in Hannover zum Thema gemacht. OM online hatte am 28. Januar erstmals über eine Goldenstedter Praxis berichtet, die vom Landkreis wegen Hygienemängel vorläufig geschlossen worden war.
Ob die Staatsanwaltschaft nun tatsächlich gegen diesen Arzt aus Goldenstedt ermittelt, wollte Renneberg nicht bestätigen. Die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um den Mediziner aus dem Nordkreis handelt, ist jedoch hoch. Bereits Ende November hatte dieser in einem Leserbrief in der Oldenburgischen Volkszeitung öffentlich die Verhältnismäßigkeit der Corona-Regeln angezweifelt. Der Arzt hat sich – nun bestätigt – selbst mit Corona infiziert und wurde zwischenzeitlich wieder aus der häuslichen Quarantäne entlassen.
Laut Zeugen soll der Mann bei Patientenbehandlungen zumindest nicht immer eine Maske getragen haben. Rund 200 Patienten soll er ohne Corona-Maskenschutz behandelt haben. Der Mediziner hatte seine Patienten auch dann noch ungeschützt behandelt, als er selbst Anzeichen einer Corona-Erkrankung zeigte.
"Die nun zu führenden Ermittlungen gelten der Prüfung, ob ausreichende Verdachtsmomente eines strafbaren Verhaltens nachzuweisen sind, die Grundlage einer Anklageerhebung sein könnten", erklärt Renneberg. In Betracht käme hier eine Strafbarkeit wegen (versuchter/vollendeter) Körperverletzung. Der vorgesehene Strafrahmen ließe dabei gemäß § 223 StGB die Verhängung von Geldstrafen bis hin zu Freiheitsstrafen von bis zu 5 Jahren Dauer zu. Den Ausgang der Ermittlungen bezeichnete Renneberg als "zum jetzigen Zeitpunkt noch offen".
Entzug der Approbation?
Helmut Scherbeitz, Geschäftsführer der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) Bezirksstelle Oldenburg erklärt, dass seine Stelle nicht in den Fall „in Goldenstedt“ eingebunden sei. "Das hat auch seinen Grund, da es sich um den allgemeinen Verstoß gegen die Maskenpflicht, also gegen Corona-Auflagen handelt. Diese zu verfolgen, ist aber Sache des Landkreises."
Im Fall der Ermittlungen gegen den Mediziner im Kreis Vechta müsse zuerst zwischen Zivil-/Strafrecht, Berufsrecht und Kassenarztrecht unterschieden werden, ergänzt Detlef Haffke Sprecher der KVN in Hannover. "Grundsätzlich scheint der Arzt gegen Berufsrecht verstoßen zu haben. Für dieses ist die Ärztekammer Niedersachsen zuständig", so Haffke. Erst danach greife das Kassenarztrecht. "Nach Prüfung der Angelegenheit wird sich gegebenenfalls ein Disziplinarausschuss mit dem Fall beschäftigen. Die Sanktionsmöglichkeiten reichen von einer Rüge bis zum Entzug der Kassenarztzulassung."
Ansonsten stütze sich auch die KVN auf die Ermittlungen von Kommunen und Staatsanwaltschaft, führt Scherbeitz weiter aus. "Gebe es aufgrund festgestellter, gravierender Verstöße eine strafrechtliche Verurteilung, dann kommen ganz sicher Ärztekammer und KVN ins Spiel". Verfahren kämen zwar selten vor, sagt Scharbeitz, aber es habe durchaus Fälle gegeben, in denen die Ärztekammer unter Anwendung des Berufsrechtes und der Feststellung der "Ungeeignetheit" für den Beruf Medizinern die Approbation entzogen habe.
Würde einem Arzt die Approbation genommen, dann dürfe dieser auch nicht mehr als Kassenarzt arbeiten. Eine Folgewirkung des Entzugs der Approbation sei unter anderen, dass der Arzt keine Angestellten mehr beschäftigen dürfe – auch keine angestellten Mediziner.
"Beschwerden nehmen wir sehr ernst, wenn geschilderte Vorwürfe aus hiesiger Sicht nicht mit gewissenhaftem ärztlichem Verhalten vereinbar sind."
Thomas Spieker, Sprecher der Ärztekammer Niedersachsen
Der Sprecher der Ärztekammer Niedersachsen, Thomas Spieker, lässt erkennen, dass dieser der Fall des Mediziners aus Goldenstedt offensichtlich erst spät bekannt geworden ist. "Hier tut zunächst detaillierte Sachverhaltsaufklärung not", meint er auf Anfrage. Spieker verweist wohl auch deshalb erst einmal auf das allgemeine Vorgehen der Kammer. "Wenn wir Beschwerden erhalten, prüfen wir diese berufsrechtlich und holen in diesem Rahmen auch Stellungnahmen der betroffenen Ärzte ein."
Mediziner soll auch Gefälligkeitsatteste ausgestellt haben
Mittelbar geht Spieker dann aber doch auf die Vorwürfe gegen den Mediziner aus Goldenstedt ein, der Patienten öfter einmal ohne das Tragen einer Schutzmaske behandelt haben soll: "Beschwerden nehmen wir sehr ernst, wenn geschilderte Vorwürfe aus hiesiger Sicht nicht mit gewissenhaftem ärztlichem Verhalten vereinbar sind. So etwas wie Maskenverbote in Praxen sind zudem nicht erlaubt. Ein Arzt gefährdet damit die Gesundheit nicht nur seiner Patienten – sondern auch seine eigene. Eine Arztpraxis ist kein Ort für politische Agitation."
Der Mediziner soll auch Gefälligkeitsatteste ausgestellt haben. Spieker thematisiert auch das ungefragt in seiner Antwort: "Wir warnen auch vor Gefälligkeitsattesten zur Befreiung von der Pflicht, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen."
Die Berufsordnung lege fest, dass der Arzt bei "der Ausstellung ärztlicher Gutachten und Zeugnisse (…) mit der notwendigen Sorgfalt zu verfahren" hat. "Zuwiderhandlungen stellen einen Verstoß gegen die Berufsordnung dar", so Spieker.
Generell "kann man sagen, dass es sich bei Beschwerden über Ärzte im Zusammenhang mit Vorwürfen der vermeintlichen Leugnung von Corona bezogen auf unsere Gesamtmitgliederzahl von knapp 43.000 Ärztinnen und Ärzten um Einzelfälle im zweistelligen Zahlenbereich handelt".
Wie kann die Kammer jetzt strafen? "Gegebenenfalls mit der Verhängung einer Rüge oder der Beantragung eines berufsgerichtlichen Verfahrens", bleibt Spieker wenig konkret.
Betroffene Hausarztpraxis in Goldenstedt ist wieder geöffnet
Der betroffene Arzt soll die Viruserkrankung fest im Griff haben. Ende Januar war seine Praxis in Goldenstedt aus "infektionshygienischen Gründen" vorübergehend geschlossen worden. Das Gesundheitsamt habe die "Kontaktpersonen ermittelt und – sofern nötig – in Quarantäne versetzt", erklärt Kreissprecher Jochen Steinkamp. Der gesamte Fall sei "dokumentiert". Nun werde rechtlich geprüft. Das Gesundheitsamt habe sehr intensiv getestet. Es wurden bei mehr als 200 Personen Abstriche entnommen. "Neben allen K1-Kontakten haben wir auch K2-Kontakten einen Test angeboten – also jenen, die nur kurz und mit Maske in der Praxis waren."
Die betroffene Hausarztpraxis in Goldenstedt ist wieder geöffnet. Eine dort auch vorher tätige Ärztin behandelt weiterhin Patienten und wird dabei von Praxispersonal unterstützt.
Hinweis: Wir haben den Text aktualisiert (Samstag, 13. Februar). In einer früheren Fassung hieß es, der Arzt sei noch in Quarantäne.