Autofahrer sollen Fuß vom Gas nehmen
Die Unfallzahlen mit Wildtieren, darunter vor allem Rehe, sind kreisweit bereits seit Jahren hoch. Ein Problem: Die Stellen, an denen die Tiere die Straßen passieren, variieren.
Georg Meyer | 23.04.2020
Die Unfallzahlen mit Wildtieren, darunter vor allem Rehe, sind kreisweit bereits seit Jahren hoch. Ein Problem: Die Stellen, an denen die Tiere die Straßen passieren, variieren.
Georg Meyer | 23.04.2020
Zwei Unfälle innerhalb weniger Tage: An der Bartmansholter Straße mahnen gleich mehrere Dreiböcke zur Vorsicht. Foto: Meyer
Irgendwann hat es Rolf Sitterberg gereicht. Zehn Rehe verloren Anfang April ihr Leben an Straßen in der Gemeinde Essen. Der Jäger aus dem Darreler Revier regte deshalb seine Jagdkollegen zu einer Aktion an, um Autofahrer zu sensibilisieren. An den Unfallstellen errichteten sie leuchtend rote Dreibeine und hefteten daran Zettel mit dem Datum des jeweiligen Wildunfalls. Sie sollen auf die Gefahren für Mensch und Tier aufmerksam machen. Die Warnhinweise habe er zuvor im Raum Nienburg gesehen, berichtet Sitterberg. Die Idee gefiel ihm. Zwar weisen offizielle Verkehrsschilder auf Wildwechsel hin. Wo genau diese stattfinden, sei für die Verkehrsteilnehmer aber nicht erkennbar. Außerdem ändere das Wild sein Verhalten im Laufe des Jahres. Die Dreibeine dürften deshalb immer wieder versetzt werden müssen. Wie viele Tiere in den vergangenen Monaten bei einem Unfall verendeten, ist offiziell nicht bekannt. Wegen der Coronakrise fallen nämlich auch die Frühjahrsversammlungen der Hegeringe aus. „Dort werden üblicherweise alle Zahlen auf den Tisch gelegt“, erklärt Jörg Wolters. Der stellvertretende Hegeringleiter in Essen ist für die Öffentlichkeitsarbeit der Kreisjägerschaft zuständig. Aktuell ist das Wild aus verschiedenen Gründen mehr unterwegs als sonst. So haben trächtige Ricken ihren Nachwuchs aus dem vorigen Jahr inzwischen „vor die Tür“ gesetzt. Zugleich sorgen die Ackerarbeiten für Bewegung und auch die Corona-Krise könnte die Tiere in größere Unruhe versetzen. „In manchen Wäldern wimmelt es derzeit von Spaziergängern“, sagt Wolters, der zwar Verständnis für den Bewegungsdrang der Menschen hat, aber auf die seit dem 1. April bestehende Leinenpflicht für Hunde hinweist. Auch wenn sie noch nicht vorliegen: Die Fallwildzahlen für 2019 dürften nicht stark von den hohen Verlusten aus dem Vorjahr abweichen. Das bestätigt Kreisjägermeister Herbert Pitann. 2018 mussten die Jäger kreisweit fast 900 tote Rehe von den Straßen sammeln. Hinzu kamen 19 Stück Damwild und acht Wildschweine. Vermutlich gibt es eine Dunkelziffer, denn nicht jeder Wildunfall wird gemeldet. Autofahrer müssen laut Pitann nicht nur jetzt, sondern auch in der sogenannten „Blattzeit“ zwischen Juli und August besonders gut aufpassen. Dann nämlich haben die paarungsbereiten Böcke in ihrem Liebesrausch noch weniger Sinn für den Straßenverkehr als sonst. Und auch nach der Ernte, wenn den Tieren plötzlich die Deckung fehlt, komme es vermehrt zu Unfällen. Welche Maßnahmen am besten geeignet sind, um Zusammenstöße zu vermeiden, ist sogar unter Experten umstritten. Herbert Pitann etwa zeigt sich eher skeptisch, ob die Dreibeine tatsächlich etwas bringen. Viele Fahrer würden sie - wenn überhaupt - zu spät wahrnehmen, glaubt er. „Im Dunkeln helfen sie nicht“, sagt der Kreisjägermeister und favorisiert stattdessen Reflektoren, die im Scheinwerferstrahl ein bläuliches Licht zurückwerfen. Grundsätzlich begrüße er aber jede Initiative, die dazu beitragen könne, Unfälle zu vermeiden, betont Pitann. Genau das war auch Rolf Sitterbergs Absicht. Er ruft die Fahrer zur Vorsicht auf. Aus ihrem eigenen Interesse, denn auch für sie endet ein Wildunfall nicht in jedem Fall lediglich mit einem Blechschaden.
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