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Anders festlich

Gästebuch: Es muss nicht immer alles perfekt sein. Weihnachten kommt – so oder so.

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Weihnachten kann ganz schön laut sein. Das hören wir auf den meisten Adventsmärkten. Dort bewegen wir uns auf einem musikalischen Klangteppich. In diesem Jahr wird die Musik auf vielen Märkten jedoch komplett heruntergedreht. Die Gema-Gebühren reißen ins Geld. Und so haben manche Veranstalter entschieden, dass es im Advent auch mal stiller gehen sollte.

Doch oft ist der innere Lärm das größere Hindernis. Es kann beruflicher oder persönlicher Lärm sein, der uns bis unter den Weihnachtsbaum verfolgen könnte. Doch es könnte auch anders sein. Aber nur, wenn wir selbst anders werden. Wenn wir anders festlich sind an Weihnachten.

Der Dichter Rainer Maria Rilke kannte den inneren Gedankenlärm gut, nicht nur an Weihnachten. Tiefe Selbstzweifel haben ihn immer wieder heruntergezogen: Werde ich jemals der Dichter sein, der ich werden möchte? Reicht mein Talent überhaupt aus? Er fand einen Namen für unsere lauten Gedanken. Er nannte sie in einem Gedicht die „Lärmenden“. Darin heißt es: „Wer seines Lebens viele Widersinne versöhnt … der drängt die Lärmenden aus dem Palast, wird anders festlich.“

„Es gehört einige Übung dazu, die Quelle des Lärms zu erkennen.“

Die „Lärmenden“ in uns selbst können verschiedene Namen haben. Es kann der Lärm der Weltpolitik sein, der uns gerade beunruhigt. Es können auch alte Themen sein, die an den Feiertagen sehr laut werden: Die Tante fragt, warum man noch nicht verheiratet ist, der Onkel erzählt wieder die Geschichte vom Weihnachtsbaum, der 1982 umgefallen ist – und alle verdrehen die Augen. Gedankenlärm.

Es gehört einige Übung dazu, die Quelle des Lärms zu erkennen. Das habe ich als junger Priester kurz vor dem Abschluss meiner Promotion erlebt. Die Zeit vor den Feiertagen drängte. Der Weihnachtsbesuch stand beinahe schon vor der Tür. Und der Weihnachtsputz? Ach, du Fröhliche! Die inneren Ansprüche wurden immer lauter, doch die Entscheidung stand: Diesmal findet der Putz nach Weihnachten statt. Das Beste daran war: Es wurde trotzdem Weihnachten. Es wurde anders festlich. Äußerlich nicht perfekt. Kleine Staubwölkchen gehörten dazu.

Aber „Staub“ ist auch nur ein Gedanke. Das ist eine sehr befreiende, geistliche und sogar philosophische Einsicht: Auch der Gedankenstaub kann sich auflösen. Das gelingt nur, wenn wir den inneren Lärm wie die grelle Musik auf den Weihnachtsmärkten hin und wieder herunterdrehen. Dann können uns Momente der Stille geschenkt werden. Anders festlich werden – das ist möglich, auch wenn das Krippenkind vor uns im Staub liegt.

Zur Person

  • Pfarrer Dr. Marc Röbel ist Akademiedirektor der Katholischen Akademie
    in Stapelfeld.
  • Der Kontakt zum Autor ist möglich unter der E-Mail-Adresse
    redaktion@om-medien.de.

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