Musikern droht die „Porzellan-Hochzeit“
Ein Cloppenburger hält Harpface & the Heydays seit 19 Jahren zusammen. Am 10. Oktober tritt die Band in Garrel auf.
Hubert Kreke | 27.09.2020
Ein Cloppenburger hält Harpface & the Heydays seit 19 Jahren zusammen. Am 10. Oktober tritt die Band in Garrel auf.
Hubert Kreke | 27.09.2020
Bunte Gruppe: Seit 19 Jahren halten „Harpface & the Heydays“ zusammen. Im Bild von rechts: Jürgen Schnieders, Ute Behrends (Bass), Olli „Guitar Watson“. Sören Jünemann (Schlagzeug) und Rainer „Harpface“ Söchting, der Harmonika-Solist. Foto: Kreke
Schwerer Blues-Rock, rauer Honky-Tonk-Western und hüpfender Reggae-Rhythmus gehen gar nicht zusammen. Eigentlich. Die fünf Musiker von „Harpface & the Heydays“ wagen den ultimativen Stilmix trotzdem – nicht alles in einem Song verpackt, aber auf einer kunterbunten CD vereint. Nach 19 Jahren hat die Band um den Cloppenburger Frontmann Jürgen Schnieders zum ersten Mal ein komplett selbst komponiertes und getextetes Album veröffentlicht, ohne auf Cover-Versionen zurückzugreifen. Schnieders, der seit 19 Jahren die Band zusammenhält und das Booking managt, erklärt den ungewöhnlichen Stilmix mit der offenen und gleichberechtigten Arbeitsweise im Probenraum: Jeder bringt Ideen aus seiner musikalischen „Abstammung“ mit. „Dann probieren wir alles aus“, erklärt Rainer „Harpface“ Söchting, der Mann hinter der schnellen und bluesigen Mundharmonika. Denn: „Erst wenn Du's hörst, kannst Du's beurteilen.“ Gitarrist Olli („Guitar“ Watson) kommt mit Soul und Garagepunk, immer im Vintage-Sound. Drummer Sören Jünemann kann Metal wie Reggae gleichermaßen. Und Bassistin Ute Behrends hat einst mit Ska angefangen, damals nach der musikalischen Früherziehung in der Haupt- und Realschule Wardenburg. Wie geht das zusammen? Da Schnieders und Söchting aus dem schwärzesten Blues schöpfen, entsteht im Zusammenspiel der vermutlich traurigste Reggae der Musikgeschichte, gefolgt von einer Up-Tempo-Nummer, die direkt durch die texanische Prärie hoppelt. Dieser „Blue Train“ klingt, als wäre die Band mit der Nordwestbahn zurück ins Zeitalter der Western Railways gerollt. „Money rules“ klingt dagegen so, als ob Radio Niedersachen eine sendefähige Blues-Ballade angefordert (und bekommen) hätte. Söchting, der hauptberuflich als Krankenfpleger im Schichtdienst arbeitet und dennoch hochprofessionell spielt, ahnt die Gefahr: „So viele Stile, das kann jetzt wie Kraut und Rüben klingen.“ Tut's aber nicht. Blues und Soul halten die Mischung erdig am Boden. Wer die fünf nicht kennt und ihre CD zum ersten Mal hört, würde vermutlich eher auf die Südstaaten als auf Neusüdende (wo der Probenraum liegt) oder Cloppenburg tippen, wo Schnieders seine Karriere begann. Die Songs im Radio wollte der Junge vor über 40 Jahren nachspielen und schnitt sich mit der Laubsäge seine erste Gitarre aus. Für die Saiten mopste Klein-Schnieders Maurerschnur aus Vaters Werkzeugkiste. Inzwischen ist der Cloppenburger etwas weitergekommen. Nach einer privaten Gitarrenschule, die er zusammen mit Burkhard Schubert (geb. Jäger) aus Cloppenburg gründete, arbeitet der Autodidakt heute als pädagogischer Mitarbeiter mit seiner Gitarre in einer Oldenburger Grundschule und lehrt abends in der evangelischen Familienbildungsstätte Erwachsenen die ersten Griffe und Akkorde. Was die Band so lange zusammenhält, ist offensichtlich ein großes Vergnügen aneinander und miteinander. Zum Fototermin in einem kubanischen Cocktailgarten in Oldenburg überschlagen sich die Fünf mit wahnwitzigen Vorschlägen für die Schlagzeile („Epizentrum des Crossover-Bluesrock“) und Ironie untereinander. Die Aussicht, im nächsten Jahr am 28. Dezember „Porzellan-Hochzeit“ als Band feiern zu können, amüsiert die Gruppe. Ute, die tagsüber als Sozialpädagogin Familien berät, kündigt an: „Wir genießen das, so lange es geht.“ Und Gitarrist Olli will spielen, „bis wir umkippen“. Bei allem Spaß wächst Kreativität. Die Band hat inzwischen so viele Songs selbst geschrieben, dass sie nach Lust und Laune auswählen kann. „Es gibt Stücke, die spielen wir gar nicht mehr“, erzählt Söchting: „Nicht, weil sie schlecht wären, sondern weil sie uns langweilen.“ Und das will keiner. Jeder bringt Ideen aus seiner musikalischen "Abstammung" mit
Mit einer Laubsäge schnitt sich Schnieders seine erste Guitarre aus
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