Christine Schütze verzaubert ihr Publikum mit bissigem und hintergründigem Humor
Ihre Beobachtungen verpackte sie in Lieder, die es in sich hatten und Titel tragen wie "Shoppen gegen Kapitalismus". Ganz nebenbei erhielten die Besucher ein Coaching im richtigen Wording.
Christine Schütze begeisterte ihr Publikum derart, dass am Ende Beifallspfiffe, Zugaberufe und tosender Applaus standen. Foto: Heinzel
Mit einem musikalischen Kommentar zum Geschehen in Europa steigt Christine Schütze in den Abend ein. Die Kabarettistin und Konzertpianistin singt über einen kleinen Mann, der die Freiheit auslöscht und davon träumt, Zar zu sein. Gemeint ist Wladimir Putin. Beim Refrain dar das Publikum erstmals während der Veranstaltung mitsingen, und zwar „Witali haut dich k.o. im Nu, und die Welt hätte wieder Ruh!“
Christine Schütze präsentierte ihr Kabarettprogramm „Also, mir wär sie zu dünn ...“ im Bussjans Hof in Dinklage. Mit 80 Gästen war die Veranstaltung ausverkauft. Silvia Dierken brachte es auf den Punkt: „Die Bude ist mal wieder gerammelt voll.“ Die Buchhandlung Thalia hatte die Veranstaltung gemeinsam mit der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Dinklage, Anne Brinkmann, organisiert.
Meisterlich verwebt Schütze ihr Klavierspiel und ihre Erzählung, die in ein Lied übergeht, miteinander und setzt so gezielt ihre Pointen. Christine Schütze analysiert dabei messerscharf gesellschaftliche Entwicklungen und Erwartungen und formt aus ihren Einsichten und Erkenntnissen Lieder, die kleine Kunstwerke sind. Die ganze Art der Präsentation ist phänomenal. Dass sie nicht nur mit dem Stilett arbeiten kann, zeigt sie beim Dicken-Bashing. Dicke Menschen seien nicht dick, sondern horizontal herausgefordert. So vermittelt sie das notwendige „Wording“ beim „Framing“.
Dabei wird aus einem Seitensprung eine sexuelle Herausforderung, welche letztlich für die Beziehung von Vorteil sein könnte. Am Ende ihres thematisch dazu passenden Songs singt sie: „Fallt aus dem Deutungsrahmen, aber bleibt im Bilde.“ Während dieses Programmpunktes wird die Manipulierbarkeit der Menschen deutlich – und wie Worte eine Realität formen können.
Humor ist Trumpf: Das Publikum hatte sichtlich Spaß an der Wortakrobatik mit Hintergedanken. Foto: Heinzel
An diesem Abend spricht und singt sie zudem über „emotional aufgeladene Mitlebende“ oder wie man auch sagen könnte: „Wutbürger“, die Eigenarten der Spezies „Norddeutscher“, etwa das Faible für Kopfsalat mit gezuckertem Joghurtdressing, und die junge Generation. Letztere watscht sie mit dem Lied „Kai“ ab. Dort heißt es: „Glücksfall oder Schweinerei – ihm blieb alles einerlei.“
Sie singt über den „perfekten Mann“, der im Bett ein „Mitgestalter“ ist und an Weihnachten „Sissi 1 bis 3 und dann noch Pretty Woman“ anschaut. „An diesem Mann ist kein Haken dran, nicht mal eine Öse.“ So entstand der Wunsch nach einem normalen Mann. Anschließend versetzt sie sich "sensitiv" in Wonderwoman hinein. Immer perfekt gestylt, sexy und gut gelaunt verbindet sie universitäre Karriere und Familie, schmeißt den Haushalt und findet Zeit zum Sport. Sie demonstriert gekonnt, wie absurd und lebensfremd diese Vorstellung ist.
Alliterationen wie etwa „Ficken für den Frieden“, die Kolleginnen von Suchtpotenzial lassen grüßen, leiten über zum „Shoppen gegen den Kapitalismus“. Diese Tätigkeit sei genauso sinnig wie „Saufen gegen Alkoholismus“ oder ein „Charitydiner gegen den Hunger in der Welt“.
Zwischendurch schlüpft die Kabarettisten noch in die Rolle eines Karrierecoaches und schafft den Anwesenden die Möglichkeit, mit ihren Tipps zu „Highperformern“ zu werden. In geschickter Eigenwerbung meint sie, aus Menschen, die nicht zu den hellsten Kerzen auf der Torte gehörten, immer noch Armleuchter zu machen. Und so lernt das Publikum „sicher sinnfrei zu sprechen“, und dabei erinnert Christine Schütze an die Worte Mark Twains: "Man muss die Tatsachen kennen, bevor man sie verdrehen kann."
Ihr Auftritt war ein voller Erfolg. Die Besucher spendeten nicht nur frenetischen Applaus, es waren auch lautstarke Beifallspfiffe und Zugabe-Rufe zu hören. Christine Schütze führte den Abend zu einem Ende, indem sie gemeinsam mit dem Publikum Leonard Cohens „Halleluja“ sang. Und das Spannende war, es wirkte in keinster Weise deplatziert.
Christine Schütze wird übrigens bald wieder in Dinklage zu Gast sein, und zwar am 4. Mai, um ein Zusatzkonzert ihres Programmes „Also, mir wär sie zu dünn …“ zu spielen.