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Junge Bäuerin stellt sich auch kritischen Fragen

Marina Wilken bringt Kindern und Erwachsenen die Landwirtschaft nahe. Ihr Familienbetrieb ermöglicht einen unverstellten Blick frei von Klischees. Das kommt gut an.

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Klärt auf: Marina Wilken ist Bauernhofpädagogin. Foto: G. Meyer

Klärt auf: Marina Wilken ist Bauernhofpädagogin. Foto: G. Meyer

Festes Schuhwerk ist derzeit Pflicht auf dem Hof Wilken. Der Besuch wird sonst schnell zur Rutschpartie. Von der unerwarteten Rückkehr des Winters lässt sich Marina Wilken aber keineswegs ausbremsen. Die Bauernhofpädagogin führt regelmäßig Besucher durch den Familienbetrieb. Die Nachfrage ist riesig.

"Die Leute wollen raus", bestätigt die 34-Jährige. Ihr Angebot richtet sich konsequent an alle - von der Krabbelgruppe bis zum Kegelclub. Geworben wird zudem über den Zweckverband Erholungsgebiet Hasetal sowie den Landal-Park in Dwergte. Auch Kindergeburtstage richtet Marina aus. Kürzlich lud sie mehrere geflüchtete Familien aus der Ukraine ein. Die Resonanz war gut, zwei weitere kostenlose Termine folgen im April. Die Menschen, meist sind es Mütter, tauschen sich aus und knüpfen Kontakte, während ihre Kinder im Garten spielen. „Ich selber mag mir gar nicht vorstellen, wie schrecklich es sein muss, von zu Hause vertrieben zu werden“, sagt Marina Wilken.

Beliebt ist der Hof vor allem bei Kitas und Schulen. "Bis Ende Juli bin ich mit ihnen ausgebucht", verkündet die Lastruperin stolz. Wilken ist selbst gelernte Erzieherin und hat noch eine Stelle im St.-Agnes-Kindergarten. Den Draht zu ihrer wichtigsten Zielgruppe stellt die dreifache Mutter deshalb im Handumdrehen her. Und über die Kinder, so hofft sie, wird sie auch die Eltern erreichen.

Nach gutem Start kam die Corona-Flaute

Denn Aufklärung tut Not – sogar auf dem Land. Die Unwissenheit über den Alltag auf einem landwirtschaftlichen Betrieb ist nicht nur unter Städtern groß, hat Marina festgestellt. Mit Vorurteilen aufzuräumen und mehr Wertschätzung für die Arbeit von Bauern zu erreichen, war ihr wichtigster Antrieb, als sie sich 2019 dem Bildungsprojekt LaUB des Kreislandvolkverbandes anschloss. Der Start verlief vielversprechend. Im ersten Jahr führte Marina bereits 64 Veranstaltungen mit zusammen 1100 Besuchern durch. Bei der Landwirtschaftskammer absolvierte sie zwischendurch einen Zertifikatskurs. Der Hof schien sich schnell als außerschulischer Lernstandort zu etablieren – bis Corona alle Aktivitäten einfror. Im vergangenen Sommer ging es zum Glück wieder los. Marina wünscht sich, dass dieses Jahr endlich störungsfrei bleibt. Im Moment sieht es danach aus.

Der Lernbauernhof ist weitgehend eine „One-Woman-Show“. Die gebürtige Augustenfelderin kümmert sich um alles selbst, entwickelt die einzelnen Angebote, entwirft die Flyer und übernimmt natürlich die Führungen. "Das ist mein Baby", bekennt sie lächelnd. Läuft es weiterhin so gut, könnte die Bauernhofpädagogik irgendwann zu einem eigenen wirtschaftlichen Standbein werden. Die Wilkens halten 120 Milchkühe nebst Jungvieh und betreiben dazu Ackerbau. Eine kleine Biogasanlage, das "GüllEwerk", liefert selbst produzierten Strom. Für Marinas Ehemann Bernd gibt es also jeden Tag genug zu tun. Wie es sich für einen echten Familienbetrieb gehört, packen auch die Großeltern mit an. An die Besucher haben sich alle inzwischen gewöhnt. In einen Freizeitpark verwandeln wollen die Wilkens den Hof deswegen aber nicht. "Wer zu uns kommt, soll unseren Alltag kennenlernen. Wir bleiben immer authentisch", sagt Marina. Matschpfütze inklusive.

"Auch wir sind für mehr Tierwohl. Die Frage ist, wozu jeder Betrieb in der Lage ist." Marina Wilken

Unverstellt gibt sich Marina, die selbst nicht auf einem Bauernhof aufwuchs, auch im Gespräch mit ihren Gästen. Während die Kinder sich vor allem für die Tiere interessieren, den Kühen das Futter zufegen und die Kälbchen streicheln, sparen die Erwachsenen durchaus nicht mit kritischen Fragen. Marina geht ihnen nicht aus dem Weg und erklärt geduldig, warum es für ihren Hof schwierig wäre, die Kühe statt im geräumigen Boxenlaufstall auf der Weide zu halten. "Natürlich sind auch wir für mehr Tierwohl. Die Frage ist aber, wozu jeder Einzelne in der Lage ist", sagt sie. In der Öffentlichkeit werde zu wenig auf die Zwänge eingegangen, in denen die Betriebe heute steckten. Doch statt sich ständig darüber zu ärgern, leistet Marina lieber ihren eigenen Verständnis-Beitrag und findet dabei deutliche Worte. Spaß macht ihr das obendrein.

"Ich möchte jedem, der zu mir kommt, soviel Wissen, wie möglich, in den Rucksack packen", betont die Bauernhofpädagogin. Sie hofft, dass mehr Landwirte ihrem Beispiel folgen. Kreisweit öffnen aktuell nämlich nur eine Handvoll Betriebe ihre Tore für die Öffentlichkeit. Marina findet das schade und spricht den noch Unentschlossenen Mut zu. Besondere Voraussetzungen brauche es nicht, so gut wie jeder Betrieb sei geeignet. Der Verein LaUB biete außerdem Hilfe und Beratung an. Der Dialog mit den Verbrauchern sei unverzichtbar. "Wir müssen jetzt das Beste aus unserem Job machen", fordert die Lastruperin. 

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