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Trainerbeben drückt Flicks Neuanfang in die Nebenrolle

Kolumne: Kopfball zum großen Kick – Thema: Deutschlands Neuanfang gegen Peru und Nagelsmanns Entlassung.

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Alles wieder gut. Raus aus dem WM-Katarrh, rein in die EM-Euphorie. Zwei Stürmer-Tore, kein Gegentor – die Nation, vor allem ihre Protagonisten, wähnen sich nach dem 2:0 gegen Peru wieder in der Spur. In der Erfolgsspur. Fußball ist halt ein Ergebnissport. Leidenschaft zeigen, Begeisterung entfachen – so die Vorgaben. Nüchtern betrachtet war’s recht bescheiden. Selbst in der passablen ersten Halbzeit dominierten die Gesänge der wenigen Peru-Fans die Stimmungslage im ausverkauften Stadion, die La-Ola-Welle kurz vor Schluss diente nach der enttäuschenden zweiten Halbzeit eher der Selbstbelustigung.

Immerhin ging es mal wieder nur um Fußball. Der Neuanfang in Mainz offenbarte nachträglich, dass auch Hansi Flick bei der WM einen kapitalen Fehler gemacht hat: Den im Flow befindlichen Neuner Niclas Füllkrug nicht in der Startelf zu bringen, dafür Raumdeuter Thomas Müller kurzfristig zum Neuner umschulen zu wollen – mit diesem Experiment scheiterte schon Jogi Löw bei der EM 2016, als seine Philosophie mit falschen Neunern versagte. Frühe Tore des klassischen Torjägers Füllkrug, der frech und ohne Allüren daherkommt, geben Sicherheit.

Nun, am Ende blieb dem Neuanfang aber nur eine Nebenrolle. Erdrückt vom Trainerbeben in Bayern. High Noon, mittags um zwölf überall TV-Übertragungen der Inthronisierung von Thomas Tuchel. Selbst bei reinen Nachrichtensendern, die sonst halbstündlich über die Entwicklungen im Ukraine-Krieg berichten. Verrückt, ja pervers. Per Liveticker sezierten Kicker und Bild jeden gesprochenen Satz, von „11.58 Uhr: Podium noch leer“ bis „13.09 Uhr: Das war’s“.

Ein schönes Schauspiel, wie Hasan Salihamidzic und Oliver Kahn verzweifelt um sportliche Argumente rangen, um das Feuern ihres gigantischen Millionen-Flops Julian Nagelsmann zu rechtfertigen. Zwei Jahre mit dem größten Trainertalent, die bis zu 60 Millionen kosten können – plus Gehalt für Staff und den Nachfolger. Die Konstellation habe nicht mehr gepasst. Neudeutsch: Nagelsmann soll die Kabine verloren haben. Jene Kabine, die ein Leroy Sané nicht immer pünktlich fand. Jene Kabine, in der sich die Führungsspieler Kimmich und Goretzka pudelwohl fühlten. Auch jene Kabine, die Manuel Neuer bald wieder lächelnd betritt. Alles kein familiäres Mia san mia.

Erfrischend seriös und souverän präsentierte sich indes Thomas Tuchel. Einst in Mainz und Dortmund unnahbar, verbohrt und streitbar. Kehrt er jetzt international gereift in die Bundesliga zurück? Erinnert an Jupp Heynckes, der bei seinem ersten Bayern-Engagement Anfang der 90er Jahre als verbissen, stur und unerfahren galt, dann aber im gesetzten Alter zum Trainer-Übervater der Herzen wurde. Taktikfuchs Tuchel verblüffte schon mal angesichts der wohl erschreckenden Bayern-Situation, es helfe, „einfach rauszugehen und Gras zu riechen“. Wahre kaiserliche Worte. „Geht’s raus und spielt’s Fußball“, sagte einst Franz Beckenbauer und machte uns zu Weltmeistern.

Davon träumte im Winter auch noch Hansi Flick, dann kam das WM-Desaster. Aber seit Samstag ist wieder alles gut. Auch wenn’s bescheiden war. Immerhin besser als in Katar. Eine zarte Hoffnung.

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