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Kopfbälle sollen deutlich reduziert werden

Die Wissenschaft sieht Einwirkungen auf den Kopf und das Gehirn. Ab 2024 soll es im Jugendfußball neue bindende Spielformen geben.

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Vorsicht, Ball kommt: Der Bundesjugendtag des DFB beschloss neue Richtlinien zum Kopfballspiel im Kinder- und Jugendfußball. Archivfoto: Wulfers

Vorsicht, Ball kommt: Der Bundesjugendtag des DFB beschloss neue Richtlinien zum Kopfballspiel im Kinder- und Jugendfußball. Archivfoto: Wulfers

Die Älteren werden sich erinnern: Flanke Manni Kaltz, Kopfball Horst Hrubesch. Nach diesem Strickmuster feierte der Hamburger SV in den 80er Jahren große Erfolge, mit dem Gewinn des Europapokals der Landesmeister 1983 als Höhepunkt. Wie oft der 1951 in Hamm geborene Hrubesch den Ball mit der Stirn ins Tor rammte, entzieht sich der Kenntnis des Chronisten. Ebenso die Frage, welche Langzeitschäden es bei dem als Kopfballungeheuer titulierten heute 70-Jährigen verursacht haben könnte.

Sei's drum: Die Wissenschaft entwickelt sich weiter und so sind nun auf dem Bundesjugendtag des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) in Duisburg Richtlinien zum Kopfballspiel im Kinder- und Jugendfußball beschlossen worden. Der DFB setzt beim verantwortungsvollen Umgang mit dem Kopfballtraining von Kindern und Jugendlichen auf altersgemäße Regelungen statt auf kategorische Verbote.

Während in England das Kopfballspiel im Training für Kinder unter zwölf Jahren aktuell untersagt ist, setzt der Fußball in Deutschland auf andere Lösungen. „Ein Trainingsverbot ist der falsche Weg, denn im Wettbewerb oder auch beim Kick auf dem Bolzplatz wird dann doch geköpft“, sagt Ronny Zimmermann, im DFB-Präsidium für Grundsatzfragen des Jugendfußballs und der Talentförderung zuständig. „Der junge Fußballer und die junge Fußballerin wenden möglicherweise eine falsche Technik an, die im schlimmsten Fall zu deutlich größeren Schädigungen führen kann. Wir meinen, eine sachdienliche Lösung gefunden zu haben.“

„Schluss mit der Bagatellisierung“Ronny Zimmermann (DFB-Präsidium)

Im Mittelpunkt der in Duisburg veröffentlichten Empfehlungen für die rund 23 500 Vereine des DFB stehen ab 2024 bindende neue Spielformen mit den Schwerpunkten auf Flachpassspiel, eine altersgerechte Vorgehensweise beim Erlernen des Kopfballspiels sowie eine Bewusstseinsbildung bei Trainern und Spielern. „Die durchaus verbreitete Einstellung, wenn der Schädel brummt, könne man doch weiterspielen, ist einfach falsch“, sagt DFB-Vizepräsident Zimmermann. „Schluss mit der Bagatellisierung.“

Prof. Dr. Dr. Claus Reinsberger, Lehrstuhlinhaber für Sportmedizin an der Universität Paderborn, der in der Medizinischen Kommission des DFB das Fachthema „Kopfverletzungen beim Fußball“ betreut, erklärt: „Wir wollen im Nachwuchsbereich achtsamer mit den Auswirkungen des Kopfballspiels umgehen. Neuere Befunde geben uns hierzu Anlass. Dass die Kleinfeld-Spielformen die Zahl der Kopfbälle im Kinder- und Jugendfußball ab der Saison 2024/2025 deutlich reduzieren werden, begrüßen wir aus medizinischer Sicht ausdrücklich. Es geht um ein Zusammenwirken von wissenschaftlicher Evidenz und trainingswissenschaftlichen Überzeugungen. Oder anders gedrückt: Die Trainerinnen und Trainer im Land sitzen mit der Medizin in einem Boot.“

Für Verunsicherung sorgte die 2019 veröffentlichte Studie der Universität Glasgow, der zufolge Fußballer rund dreimal häufiger als der Bevölkerungsschnitt an Demenz versterben. Die Forschenden hatten die Todesursachen von rund 7700 schottischen Ex-Fußballprofis ausgewertet und mit der Allgemeinbevölkerung verglichen.

Jugendtrainer Klaus Ebel hält Kopfbälle für unverzichtbar

Bereits im Januar 2021 hatte das DFB-Präsidium beschlossen, dass sich der organisierte Fußball in Deutschland den Uefa-Empfehlungen zum Umgang mit dem Kopfballspiel im Nachwuchsbereich anschließt. „Wichtigstes Ziel der Regelungen im deutschen Fußball ist eine langfristige Bewusstseinsbildung in dem Sinne, dass alle Beteiligten Einwirkungen auf Kopf und Gehirn nicht mehr bagatellisieren“, betont Prof. Dr. Tim Meyer , Vorsitzender der Medizinischen Kommission des DFB.

Klaus Ebel, Trainer der D-Junioren bei Hansa Friesoythe, will sich neueren Erkenntnissen zwar nicht verschließen, hält die Diskussion aber für übertrieben. „Sollen die Spieler die hohen Bälle jetzt fausten, oder wie soll das gehen? Im Wettkampf ist ein Verzicht auf Kopfball nicht umsetzbar, dann müsste man die Fußballregeln ja komplett ändern. Man muss Kopfbälle im Training sicher nicht intensivieren, aber mir ist wichtig, ihnen die Angst davor zu nehmen. Außerdem bin ich überzeugt davon, dass es nicht so gefährlich ist, wenn die Spieler den Ball exakt mit der Stirn treffen.“

Joachim Hochartz, Initiator des Förderkonzepts für Vereinsjugendtrainer, favorisiert eine Alterslösung: „Wenn es neue wissenschaftliche Erkenntnisse gibt, sollte man sich dem nicht verschließen. Von der D-Jugend an abwärts ist es sinnvoll auf Kopfbälle zu verzichten. Ab der C-Jugend soll man die Jugendlichen schon an Kopfbälle heranführen. Denn eines ist doch klar: Ohne Kopfbälle wird es im Wettkampf nicht gehen.“

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