Die spielenden Torhüter garantieren Slapstick-Tore
Kolumne: Kopfball zum großen Kick – Thema: Das moderne Torwartspiel.
Franz-Josef Schlömer | 20.03.2023
Kolumne: Kopfball zum großen Kick – Thema: Das moderne Torwartspiel.
Franz-Josef Schlömer | 20.03.2023
Es ist wieder passiert. Mal wieder. Eigentlich jedes Wochenende. Schalkes Verteidiger lassen sich immer weiter zurückdrängen, ihr letzter Ausweg ist Torhüter Ralf Fährmann. Ein Meter vor der Torauslinie muss er in Bedrängnis aus dem Stand den Befreiungsschlag machen. Augsburgs Maier fängt diesen kurz hinterm Strafraum ab, Doppelpass mit Demirovic, Tor. Und Fährmann, der Garant des Schalker Aufschwungs, ist der Dumme. Er hat keine spielerische Lösung gefunden, so der Sprachjargon im modernen Fußball. Noch schlimmer erging es Leipzigs Keeper Janis Blaswich letzte Woche in der Champions League bei Manchester City. Seine ängstlichen Mitspieler wählen, wenn sie mal irgendwo den Ball bekommen, immer nur den Rückwärtsgang. Letzter Ausweg Janis Blaswich, die ärmste Sau, die wieder spielerische Lösungen finden muss. Wenn sich dann ein Willi Orban auf der Torauslinie anbietet, geht der Pass des Keepers mal ins Toraus. Ecke, Kopfball, Hand, Elfmeter, Tor. Direkt danach laden die Mitspieler ihre Verantwortung wieder an Blaswich ab. In höchster Not von Haaland attackiert, das 0:2 beim 0:7 folgt. Früher in der Schule oder auf dem Bolzplatz wurden beim Wählen die Letzten oft ins Tor gestellt. Auch in der Jugend fand sich für die fußballerisch nicht so versierten Kicker noch ein Platz im Tor. Bayerns Rekordspieler Sepp Maier fing, wenn er die Torlinie verließ, jeden Ball im Strafraum ab, ohne fausten zu müssen. Aber mit dem Fuß? Bei Olli Kahn befürchteten wir sogar Unheil, wenn er mit dem Fuß zum Ball ging. Bis Manuel Neuer ins Spiel kam. Manu der Libero, der uns 2014 gegen Algerien auf WM-Titelkurs grätschte. Selbst Neuers modernes Torwartspiel ist längst altmodisch. Heute muss ein Torhüter vor allem ein Spielmacher sein. Praktisch eine klassische „10“, die spielerische Lösungen findet. Den Kurzpass beherrscht, aber auch mit exakten 50-m-Pässen am besten zwölf Gegner überspielt. Vielleicht sollte man in den jüngsten Jahrgängen die technisch versiertesten Kids ins Tor stellen, denn dort werden sie zu den besten Spielmachern ausgebildet. Das bisschen Halten lernen sie nebenbei. Beim vergeblichen Suchen nach spielerischen Lösungen befinden sich Ralf Fährmann und Janis Blaswich in bester Gesellschaft. Leverkusens Lukas Hradecky, von Monacos Breel Embolo bedrängt, stolperte jüngst den Ball ins eigene Tor. Unvergessen das fatale Dribbling von Bayerns Yann Sommer, das Matthijs de Ligt mit seiner Monstergrätsche ausbügelte. Selbst Liverpools Alisson Becker schoss Madrids Vinicius Junior an, von dessen Körper der Ball zum 2:2 ins Netz trudelte – der Anfang vom 2:5-Untergang der Klopp-Giganten in der Champions League. Die Spieleröffnung durch den Torwart bis zum Exzess – das kann auch schöne Seiten haben. Die Münchner Tafel freute sich über die von Sommer an de Ligt versprochenen 700 Kilo Schokolade. Schalkes Marius Bülter glättete mit seinem späten Ausgleichstor die Kummerfalten des fast zum Deppen verurteilten Fährmann. Und wir dürfen uns auf die nächsten Slapstick-Tore freuen, die von zu Spielmachern verdonnerten Torhütern auf der Suche nach Lösungen produziert werden.„Heute muss ein Torhüter vor allem ein Spielmacher sein.“Franz-Josef Schlömer
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