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Bayer schüttelt bei Bayern die Opferrolle ab

Kolumne: Kopfball zum großen Kick – Thema: Das Bundesliga-Spitzenspiel am Freitagabend.

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Die Zeitenwende. Vor einem Jahr vom Kanzler erfunden, mit einem diffusen Deutschland-Tempo verknüpft. Viele Fußballfans warten hingegen seit einem Jahrzehnt auf die Zeitenwende, dem rasanten Champions-Tempo der Bayern hechelten die üblichen Verdächtigen immer vergeblich hinterher. Und schon wieder reihen sie sich früh hinter dem Rekordmeister ein. Borussia Dortmund, mit sieben Vize-Titeln im Bayern-Jahrzehnt der ungekrönte Vize-König, quält sich in Freiburg halbwegs in die Verfolgerspur, die Leipzig mit dem dritten Sieg in Serie gefunden hat.

Auf eine Zeitenwende deutet da nichts hin. Aber gut möglich, dass wir gerade die Geburt eines neuen Herausforderers erlebt haben. Im Gegensatz zu Titelanwärtern in den vergangenen Jahren nahm Bayer Leverkusen ein Spitzenspiel in München nicht in der Opferrolle an, sondern als echter Konkurrent. Auf Augenhöhe, mutig und beherzt, mit voller Überzeugung. Und dem nötigen Glück beim Elfer zum 2:2. Wenn ein Verteidiger einen Angreifer an der Wade berührt und dieser zusammenbricht, dann lassen sich halt Argumente für jede Seite finden.

In München bestanden, zweimal einen Rückstand aufgeholt, die Tabellenführung verteidigt – das sollte die Brust unter dem Trikot mit dem dicken Bayer-Kreuz noch breiter machen. Auf der Gegenseite hat es Thomas Tuchel in einem halben Jahr nicht geschafft, seinen wankelmütigen Kickern alte Souveränität zu vermitteln. Fehlende Konstanz über 90 Minuten bei Kompaktheit oder Spielkontrolle: Es verblüfft, wie begrenzt der Einfluss des oft rätselnden Tuchel im Spiel ist. Gut, dass Hansi Flick nicht direkt nach dem Katar-Desaster gefeuert wurde. Sonst wäre der im Winter arbeitslose Tuchel, damals neben Jürgen Klopp die einzige Lösung auf Welttrainer-Niveau, heute an der Fehlersuche im Nationalteam verzweifelt.

"Leverkusen scheint diesmal mehr als ein Versprechen zu sein"

Apropos Bundestrainer: Konzentriert sich wohl vieles auf Tuchel-Vorgänger Julian Nagelsmann. Bei Bayern stets als talentiert gelobt. Der Trainer-Azubi managte 2021 in der Corona-Zeit sogar erkrankt das 4:0 gegen Hoffenheim per Laptop aus seiner Küche. Der Bundestrainer-Job an sich ist machbar. An Wochenenden Top-Spiele anschauen, sich in den VIP-Logen stärken und sechs bis sieben Millionen im Jahr kassieren. Aber wie will ein Nagelsmann seine Laptop-Visionen vermitteln, wenn er die Nationalspieler nur zwei, drei Tage vorm Spiel um sich scharen kann?

Besser wäre ein Typ Xabi Alonso. Eine natürliche Autorität, die höchsten Respekt genießt. Halt ein Weltstar. Wie ein „Zehner“ dirigiert er von der Außenlinie. Gestikulierend, mitfiebernd – aber stets ein Gentleman. Vom vorletzten Platz hat er die Werks-Elf an die Spitze geführt. Mit Diaby den besten Stürmer verkauft, dafür mehrere Granaten geholt. Hinter Sturmtank Boniface lässt er Freigeist Wirtz wirbeln, Xhaka ordnet im Mittelfeld, alte Haudegen wie Tah und Hradecky blühen auf. Nur den Abwehrkanten Tapsoba und Kossounou muss er noch Bruder Leichtsinn austreiben. Auch die Bank besitzt höchste Qualität.

Leverkusen scheint diesmal mehr als ein Versprechen zu sein. Unterm Bayer-Kreuz werkeln sie mit großer Lust an einer Wunderpille gegen Langeweile im Meisterschaftskampf, quasi an einer Viagra gegen erschlaffende Fußballbegeisterung. Die Hoffnung lebt nach dem bestandenen Härtetest beim FC Bayern. Aber eine Zeitenwende? Noch ist nicht Mai 2024.

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