Und? Wie ging es in letzter Zeit?
Insgesamt ist es gerade eine sehr herausfordernde Zeit für mich, sowohl privat als auch beruflich. Unser Sohn ist gerade 18 geworden und hat eine Ausbildung angefangen, während der Jüngere im neunten Schuljahr auf Praktikumssuche ist und noch gar nicht weiß, in welche Richtung es gehen kann. Wir haben zu Hause gemerkt, dass das schon eine Umstellung in unserem Alltag ist.
Beruflich bin ich ebenfalls sehr eingespannt. Als Referentin beim Landes-Caritasverband für Oldenburg bin ich zuständig für den Bereich der Migration und Integration. Der Bundeshaushalt sieht für diesen Bereich dramatische Kürzungen für das Jahr 2024 vor. Unter anderem sollen Migrationsberatungsdienste um bis zu 30 Prozent gekürzt werden. Es ist für mich und meine Kolleg*innen unverständlich, warum gerade in der Zeit der höchsten Zuwanderung seit der großen Fluchtbewegung nach Ende des Zweiten Weltkriegs und eines immer noch größer werdenden Fachkräftemangels die wichtigsten Angebote für Geflüchtete und Migrant*innen drastisch reduziert werden. Die Kürzungen hätten nicht nur massive Auswirkungen auf die Ratsuchenden, sondern auf unser gesamtes Gemeinwesen vor Ort – und das auf lange Zeit.
Was haben Sie sich einmal so richtig gegönnt?
Mein Mann und ich hatten am 27. Juli unseren 20. Hochzeitstag. Da haben wir uns eine teure Champagnerflasche gegönnt, obwohl ich eigentlich eher der Sparertyp bin.
Wenn Sie Königin von Deutschland wären: Was gehört als Erstes abgeschafft?
Der Bürokratiewahnsinn. Dass wir in einer Demokratie, in einem Sozialstaat um geregelte Strukturen nicht herumkommen, ist mir klar. Aber wenn wir an einem Punkt ankommen, an dem wir die Struktur soweit zugeschnürt haben, dass es uns die Luft zum Atmen nimmt, sollten wir über Lockerungen nachdenken. An dieser Stelle möchte ich gerne zwei reelle Beispiele aufzeigen: Da ist etwa ein junger Mann, der als Iraker nach Russland gezogen ist, um Medizin zu studieren. Dieses schließt er Ende 2014 ab und kann aber nicht zurück in den Irak, da die dortige IS zu diesem Zeitpunkt über religiöse Minderheiten der Bevölkerung herfällt. Als Ezide und somit stark bedroht, beschließt der nun junge Mediziner, nach Deutschland zu seinen Verwandten zu fliehen. Als er 2015 dort ankommt, muss er erst einmal um sein Aufenthaltsrecht kämpfen, hat also noch keinen Anspruch auf einen Integrationskurs und kommt später in eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme der Jobcenter, durch die er eine „angemessene“ Arbeit vermittelt bekommt: Pizzalieferant!
Es ist super, wenn Geflüchtete schnell in Arbeit kommen, weil sie dann eine Alltagsstruktur und einen ersten Zugang zur einheimischen Gesellschaft bekommen. Aber einen ausgebildeten Mediziner, der fließend Arabisch, Kurdisch, Englisch und Russisch spricht, dessen Fachkraft wir dringend benötigen, einfach in die nächstbeste freie Stelle zu stecken, nur um dann einen Haken dahinter machen zu können, verstehe ich nicht. Es erschließt sich mir noch viel weniger, dass ein anderer junger Mann mit Migrationshintergrund nach seinem ersten Ausbildungsjahr kündigt, um in einer Fabrik Vollzeit arbeiten zu können. Wenn er seinen Lebensunterhalt selbst bestreiten kann, hat er bessere Chancen, einen festen Aufenthaltstitel zu bekommen, womit wir wieder eine angehende Fachkraft verloren haben.
Welchen Traum werden Sie sich als nächsten erfüllen können?
Mein Traum ist schon in Erfüllung gegangen. Ich bin als Flüchtlingskind nach Deutschland gekommen. Meine Eltern hatten damals alles Ersparte für die Flucht nach Deutschland ausgegeben. Ich bin daher nicht gerade in reichen Verhältnissen aufgewachsen; um nicht zu sagen, dass wir arm waren, aber es kam dem schon sehr nahe. Da wir Kinder sehr schnell die deutsche Sprache sprechen konnten, haben wir für unsere Eltern gedolmetscht. Ich wusste mit 8 Jahren schon, was ein Antrag auf Sozialhilfe ist. Und die Elterngespräche in der Schule für meine jüngeren Geschwister habe ich übernommen. Das passte vielen Lehrern nicht, aber mir passte das noch viel weniger. Deshalb bin ich heute umso glücklicher, wenn meine Kinder die Einladungen zu den Elternabenden bei mir abgeben und sie sicher sein können, dass der Rest Mamas oder Papas Sache ist und sie einfach Kind sein können. Wir haben ein Haus, eine feste Arbeitsstelle, mehr brauche ich nicht, um glücklich zu sein.
Was tun Sie am liebsten?
Wenn ich Zeit habe, dann nähe ich sehr gerne. Aus der Not entstanden, ist es zu einem Hobby geworden. Wie schon erwähnt, ich bin sehr sparsam aufgewachsen und freue mich, wenn ich mir dadurch etwas sparen kann. Wenn unsere Söhne ein schönes Kleidungsstück kaufen möchten, was aber nicht passt, fragen sie mich, ob ich es umändern kann. Ich werfe tatsächlich wenig weg und es macht mich glücklich, wenn ich aus Stoffresten noch für jemanden etwas Nützliches nähen kann.
Welche Eigenschaften mögen Sie an sich selbst? Und welche nicht?
Wenn ich die Zeit und die Möglichkeit habe, sage ich nie Nein, wenn man mich um etwas bittet. Leider ist das auch gleichzeitig eine Eigenschaft, die ich an mir nicht so sehr mag, weil ich mir manchmal zu viel vornehme. Aber ich arbeite gerade stark daran, mein Zeitmanagement in ein gutes und vor allem gesundes Gleichgewicht zu bringen. Dann bleibt mir nur noch die Schwäche für Eiscreme. Ich liebe Eis. Manchmal wird mir erst hinterher bewusst, dass ich mal wieder nur Eis in der Mittagspause gegessen habe, anstatt etwas Vernünftiges.
Welche TV-Sendung mögen Sie am liebsten?
Ich schaue unregelmäßig TV. Manchmal schalte ich den Fernseher zwischendurch ein. Und wenn dann ein guter Krimi läuft, dann schaue ich bis zum Ende, weil ich unbedingt wissen muss, wer denn nun der Mörder war.
Mit wem würden Sie sich gerne einmal treffen?
Mit George Clooney und seiner Frau. Früher habe ich gerne seine Filme geschaut, zumal er auch echt gut aussieht. Aber heute habe ich vor allem Respekt vor dem, was seine Frau Amal und er für unsere Menschenrechte tun. Sie sind sehr engagiert und man merkt, dass sie es nicht nur für den Medienrummel und eine gute PR tun, sondern weil ihnen die Menschen, für die sie sich einsetzen, wirklich nicht egal sind.
Was würden Sie gerne einmal wieder essen?
Ich kann jederzeit ein Lachsbrötchen vertragen und freue mich, wenn es Freitag ist. Dann gibt es nämlich Fisch in Vechta bei Kern.
Welches Thema bei OM-Medien hat Sie am meisten beschäftigt?
Ehrlich gesagt habe ich kein bestimmtes Thema. In der Regel überfliege ich die Seiten zuerst und bleibe dann meist bei den Lesermeinungen hängen. Oft wird dort auf Themen und Problemlagen aufmerksam gemacht, die ich so vorher nicht bewusst wahrgenommen hatte. Oder es entsteht eine andere Perspektive, aus der ich ein Thema noch einmal ganz anders bewerten und einschätzen kann.
Zur Person:
- Amira Hasso ist 38 Jahre alt, lebt in Vechta, ist verheiratet und hat zwei Söhne im Alter von 18 und 15 Jahren.
- In Vechta (BBS Marienhain) hat sie auch ihr Abitur nachgeholt und dann Soziale Arbeit an der hiesigen Uni studiert.
- Seit 2021 ist sie Referentin beim Landes-Caritasverband in Vechta für Integration/Migration sowie Besondere Lebenslagen.
- Ehrenamtlich engagiert sich Amira Hasso im Verein Hilfe für krebskranke Kinder und Jugendliche Vechta und ist Mitglied bei „Partnerschaft für Demokratie“ Vechta sowie bei den Vechtaer Christ Demokraten.