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Nicht still sitzen können: Wie Maria Gerdes über das Restless-Legs-Syndrom aufklärt

"Mensch der Woche": Die 68-Jährige aus Vechta ist seit vielen Jahren von der Krankheit betroffen, die ihr Leben in zahlreichen Facetten beeinträchtigt. Den Lebensmut verliert sie aber nicht.

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Geht offen mit ihrer Erkrankung um: Maria Gerdes aus Vechta. Foto: Klöker

Geht offen mit ihrer Erkrankung um: Maria Gerdes aus Vechta. Foto: Klöker

„Man kann es nicht aushalten, still zu sitzen. In Ruhe einschlafen, Zeitung oder ein Buch lesen, ist ohne Medikamente nicht möglich.“ So schildert Maria Gerdes aus Vechta die Krankheit Restless-Legs-Syndrom (RLS), an der sie seit vielen Jahren leidet und die ihr Leben in vielen Facetten stark beeinträchtigt. Als Vorsitzende der RLS-Selbsthilfegruppe Vechta will sie Betroffene und die Gesellschaft allgemein stärker über die belastende Krankheit informieren.

Lehrerin an Handelsschule Lohne

Maria Gerdes ist in Wöstendöllen in der Gemeinde Visbek aufgewachsen. Die 68-Jährige ist seit 45 Jahren mit Karl-Heinz verheiratet. Das Paar hat 2 Töchter, einen Sohn und 6 Enkelkinder. Nach dem Abitur am Wirtschaftsgymnasium studierte Maria Gerdes Wirtschaftspädagogik in Göttingen. An den Handelslehranstalten in Lohne unterrichtete sie die wirtschaftlichen Fächer wie Rechnungswesen, Mathematik und Textverarbeitung. „Mir hat es Spaß gemacht, den jungen Menschen etwas zu vermitteln“, sagt sie.

Tiefschlaf wird zum Luxus

2018 ging Maria Gerdes vorzeitig in den Ruhestand. Ein Grund dafür war das Restless-Legs-Syndrom (RLS). Es bedeutet Erkrankung der unruhigen, ruhe- oder rastlosen Beine. „Man findet keine Ruhe. Vor allem nachts – man kann nicht einschlafen oder nicht durchschlafen. Der innere Bewegungsdrang wird so groß, dass man aufstehen und sich bewegen muss. Ein erholsamer Tiefschlaf wird zum Luxus. Die Folge sind Müdigkeit und eine deutliche Leistungsminderung. Dieser konstante Schlafmangel und die fehlende Möglichkeit, zur Ruhe zu kommen, beeinträchtigen die Lebensqualität immens. Ein Besuch im Theater oder Kino wird zur Herausforderung. Die verminderte Leistungsfähigkeit kann auch ein Problem im Berufsleben werden“, erklärt die Betroffene.

Ursachen für Kranheit noch nicht geklärt

RLS äußert sich durch Bewegungsdrang oder Brennen, Jucken, Kribbeln, Reißen oder Ziehen in den Beinen. „Die Ursachen für die Krankheit sind noch nicht geklärt, aber es kann ein Dopaminmangel im Gehirn, ein gestörter Eisenstoffwechsel oder eine genetische Belastung sein.“

"Diese Unruhe in den Beinen. Es ist kein richtiger Schmerz. Ich kann einfach nicht still sitzen. Es ist schrecklich"Maria Gerdes

Maria Gerdes vermutet, dass die Krankheit bei ihr angeboren ist. Schon im Studium hatte sie sporadisch entsprechende Anzeichen. „Dann war es mal mehr, mal weniger, mal ein Abend, mal eine Nacht.“ Aber: „Je älter man wird, desto schlimmer wird die Krankheit.“ Bei Maria Gerdes verschlimmerte sich die Lage ab dem 50. Lebensjahr massiv. „Diese Unruhe in den Beinen. Es ist kein richtiger Schmerz. Ich kann einfach nicht still sitzen. Es ist schrecklich. Wer nicht betroffen ist, kann es nicht nachvollziehen.“

Krankheit ist nicht heilbar

Maria Gerdes nimmt Medikamente gegen die Krankheit. „Es handelt sich um Wirkstoffe, die auch bei Parkinson eingesetzt werden und viele Nebenwirkungen haben.“ Und: Der Körper stellt sich nach einer gewissen Zeit auf die Medikamente ein, so dass diese regelmäßig erhöht oder umgestellt werden müssen. Die Krankheit ist nicht heilbar, neben den Medikamenten kann der Verlauf auch durch die Ernährung in gewissem Maß beeinflusst werden. „Man sollte auf Süßigkeiten, Alkohol und Kaffee möglichst verzichten“, sagt die Vechtaerin. Auch die Kontrolle des Eisenstoffwechsels ist bei der Behandlung wichtig.

"Man glaubt kaum, mit wie wenig Schlaf man auskommen kann."Maria Gerdes

„Morgens geht es erst noch, abends wird es schlimmer“, sagt Maria Gerdes, die viele Nächte gar nicht zum Schlafen kommt. Wenn sie nachts nicht mehr liegen kann, bügelt Maria Gerdes beispielsweise. Und sie liest mitunter im Gehen. „Man kann nicht vorausschauen, wie es sich entwickelt. Und man glaubt kaum, mit wie wenig Schlaf man auskommen kann.“ Frauen sind von RLS insgesamt häufiger betroffen. In den westlichen Industrieländern erkranken etwa 10 Prozent der Bevölkerung an RLS, etwa 3 bis 4 Prozent davon sind therapiebedürftig. Maria Gerdes ist überzeugt, dass es viele Menschen gibt, die RLS haben, aber es selbst noch gar nicht wissen. Umso wichtiger ist ihr die Information der Öffentlichkeit.

Psychische Belastung

Die Krankheit ist für Maria Gerdes und alle Betroffenen auch eine psychische Belastung. „Häufig geht RLS mit Depressionen einher.“ Denn: „Es ist schlimm zu wissen, dass die Krankheit immer heftiger wird und die Hammer-Medikamente in höheren Dosen eingenommen werden müssen. Das ist wahrlich keine schöne Aussicht.“

Dankbar für grße Unterstützung

Maria Gerdes ist sehr dankbar für die große Unterstützung und das Verständnis im Familien- und Freundeskreis. Halt findet sie zudem in der RLS-Selbsthilfegruppe Vechta, die Alfred Hermes 2010 ins Leben gerufen hat. Seit 2 Jahren führt Maria Gerdes die Gruppe als Vorsitzende. Rund 20 Mitglieder, vornehmlich aus dem Landkreis Vechta, gehören der Gruppe an und treffen sich an 4 Terminen im Jahr im Niels-Stensen-Werk. „Man fühlt sich dort verstanden, kann Erfahrungen weitergeben und sich austauschen.“

Vortrag am 29. August

Informationen über Online-Vorträge oder Medikamente und ihre Wirkungen sowie Vorträge von Ärzten und Apothekern stehen dann auf dem Plan. Die nächste Veranstaltung findet am Dienstag (29. August) statt. Ab 16.30 Uhr referiert Dr. Svenja Happe im Veranstaltungsraum beim Bowling Center an der Lohner Straße über „Diagnostik und Therapie des Restless-Legs-Syndroms“. Die Chefärztin der Neurologischen Klinik in Telgte sowie Fachärztin für Neurologie und Schlafmedizin ist Expertin für RLS.

Mit Enthusiasmus an Familienchronik

In Vechta fühlt Maria Gerdes sich wohl, sie genießt die vielen familiären Verbindungen und den Garten. Mit großem Enthusiasmus arbeitet sie derzeit an einer Familienchronik. Wie der weitere Verlauf ihrer Erkrankung auch sein wird: Die Freude am Leben wird Maria Gerdes sich nicht nehmen lassen. Und sie will weiter über RLS aufklären. Denn: „Sowohl Betroffene, die Allgemeinheit als auch Ärzte wissen in zahlreichen Fällen noch viel zu wenig darüber.“

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