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"Hillen Fiti" meint: Bildung löst alle Probleme

Im Porträt "Mensch der Woche": Der 72-jährige Friedrich Hillen aus Essen ist seit 43 Jahren Vorsitzender des örtlichen Bildungswerks.

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Bildung ist wichtiger als der DAX: Für Friedrich Hillen sollten Bildungserfolge die Börsenwerte überflügeln. Foto: Bernd Götting

Bildung ist wichtiger als der DAX: Für Friedrich Hillen sollten Bildungserfolge die Börsenwerte überflügeln. Foto: Bernd Götting

Es gibt Spitznamen, die lassen schon vieles über eine Person erahnen, bevor man sie überhaupt kennt. „Fiti“ ist so ein Name, und wer sich dabei eine humorvolle, lebhafte und umtriebige Person vorstellt, wird bei Friedrich Hillen aus Brokstreek ganz sicher nicht enttäuscht. Schon bei der simplen Frage nach dem Alter blitzt der Schalk im Nacken des Mannes hervor, der sich einmal als „Deutschlands einziger Schulleiter ohne Abitur“ bezeichnete. „Hillen Fiti“, wie man ihn rund um Essen nennt, gibt sein Alter mit „72 Jahre netto“ an. „Brutto bin ich über achtzig“ . Auch wenn ihm jeglicher Hang zur Selbsterhöhung fremd ist, dürfte der Hinweis auf ein reiches Arbeitsleben nicht vor der Hand zu weisen sein.

"Klaug schnacken" schon in jungen Jahren

Stets aufgeschlossen, neugierig und seinen Mitmenschen zugewandt, begann sein Start in die Arbeitswelt auf dem elterlichen Bauernhof. Ganz normal für viele Südoldenburger. Scheinbar folgerichtig ging es dann auf einen Lehrbetrieb in Calveslage. Dort ödete ihn aber so manche Arbeit an und er ahnte auch schon, dass er das nicht ewig machen würde. Die Ausbildung zog er dennoch durch und wurde somit gelernter Geflügelzüchter. Dann ging es zu den Pionieren bei der Bundeswehr. Gewitzt und heimatverbunden entdeckte er gerade hier seine Liebe zur Landwirtschaft wieder, verhalfen ihm doch die vielen Ernteeinsätze zu manchem Sonderurlaub. Ungefähr zu dieser Zeit begann eine Glückssträhne, die ihn schon sein Leben lang begleitet. Immer wieder traf er Menschen, die ihm etwas mitgaben oder ihn mental bereicherten. Und recht bald wuchs auch das Bedürfnis, etwas davon zurückzugeben.

„Klaug schnacken“ konnte er schon in jungen Jahren und tatsächlich erkannte ein guter Freund, dass der junge „Fiti“ Einfluss auf andere Menschen hatte. Doch wohin mit diesem Talent? Die sogenannte Immaturenprüfung an der Hochschule in Vechta zeigte den Weg in die Zukunft. Denn auch ohne schulische Hochschulzugangsberechtigung bestand schon vor rund 50 Jahren für beruflich qualifizierte Bewerber die Möglichkeit des Studiums. Friedrich Hillen schaffte diese Hürde und der Weg ins Lehramtsstudium nahm seinen Lauf. Heute gesteht er freimütig ein, dass ihm der Abschied von der Landwirtschaft mindestens genauso wichtig war. Das Studium musste also gelingen.

Was ihm als Schüler nicht gelang, schaffte er als Student fast mühelos. „Meine Motivation war enorm, ich habe geschrieben und gebüffelt wie nie zuvor“, blickt er heute zurück. Die Bildung brachte ihn weiter. Der Erfolg stellte sich ein, er wurde Lehrer in Löningen und Lindern und schließlich für 17 Jahre Rektor der Grundschule Hengelage. Legenden ranken sich inzwischen um diese Jahre, in denen Hillen sich immer näher an den Schülern als an Lehrplänen oder Konferenzen bewegte. So unkonventionell sein eigener Weg ins Lehramt verlief, so waren auch seine Methoden. Handfeste Projekte, lebensnahe Themen und ein hoher Erlebniswert kennzeichneten seine Unterrichtsstunden. Die Devise: Anpacken, wenn andere noch schnacken. Die Tonlage: freundlich, zugewandt, respektvoll. Damit machte er sich nicht nur Freunde, auch viele Kritiker kamen auf den Plan. „Ich habe Höhenflüge erlebt, aber auch absolute Tiefpunkte“, blickt er zurück.

Bildung entwickelt die Gesellschaft weiter

„Der Schüler, egal wie gut oder schlecht, muss immer seine Würde behalten, Hoffnung haben und wir müssen seine Persönlichkeit stärken. Schaffen wir das nicht, ist der Zugang für Bildung so gut wie verloren. Darin liegt für mich der Schlüssel für eine erfolgreiche Schulbildung“, rät der rastlose Pensionär jedem Pädagogen. Bildung ist für ihn nicht nur das beste Mittel gegen Dummheit, sondern vor allem der Schlüssel zur Welt und zur Weiterentwicklung einer Gesellschaft. Dazu passt auch sein liebstes Zitat in Sachen Bildung. Es stammt von John F. Kennedy: „Es gibt nur eines, was auf Dauer teurer ist als Bildung – keine Bildung“.   Und so wundert es kaum, dass Hillen bereits seit 43 Jahren Vorsitzender des Bildungswerks Essen ist und dort unter anderem unzählige Reisen und Theaterfahrten organisiert hat. Besonders die jährlichen Sprachreisen mit Schülerinnen und Schülern nach England sind für ihn ein Stück lebensnahe und wertschätzende Bildung. Ebenso sind plattdeutsche Abende, mit denen ein sprachliches Kulturgut gepflegt wird, für ihn persönliche Highlights. Den schönsten Lohn für seine unkonventionelle Arbeit als Lehrer erhielt Friedrich Hillen von einem früheren Schüler mit einer schweren Lese- und Rechtschreibschwäche. Dieser hatte die Hoffnung nie verloren und widmete seine Masterarbeit seinem früheren Grundschullehrer.

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