Technischer Fortschritt durch Künstliche Intelligenz (KI)? Da scheiden sich die Geister. Nichts Neues: Schon während der ersten, zweiten und dritten industriellen Revolution wurde der Teufel der Maschinisierung an die Wand gemalt. Im Endeffekt verbesserte sich das Leben für Millionen von Menschen.
Allerdings scheinen die Vorzeichen für die Arbeitswelt 4.0 anders zu sein. Erstmals könnte die Technologie mit eloquenten Chatbots wie Chat-GPT (Microsoft) oder Bard (Google) nicht nur Computer und Mensch näherbringen, sondern die geistige Arbeit des Homo sapiens übernehmen – und vielleicht überflüssig, weil besser machen.
Kinderkrankheiten bringt beinahe jedes neue Produkt mit sich
Doch: ruhig Blut. Auch wenn politische Kampfbegriffe wie Wegrationalisierung und Gewinnmaximierung seitens Unternehmen, die zukünftig voll auf KI setzen wollen, schnell auf der Agenda der ewig Mahnenden stehen, ist bei den modernen Robotern mit algorithmischem Bewusstsein noch viel Luft nach oben. Das Widersprüchliche: Die Chatbots legen teils menschliche Attribute an den Tag. Wenn sie etwas nicht wissen, stellen sie einfach frei erfundene Fakten auf. Selbst wenn nachgehakt wird, beharrt die "Intelligenz" auf ihrer Lüge oder gibt sich mit einer "Fehlermeldung" geschlagen. Von wegen allwissend.
Nichtsdestoweniger sind die Chatbot-Systeme – ähnlich wie selbstfahrende Taxen – auf dem Vormarsch. Kinderkrankheiten bringt beinahe jedes neue Produkt mit sich. Gemessen an der Schnelligkeit der Entwicklung, dürften sie schnell passé sein. Fortschritt durch Technik, in Echtzeit. Die Künstliche Intelligenz ist bald womöglich intelligenter als der Durchschnittsmensch. Sind wir also der KI hilflos ausgeliefert?
"Dass Künstliche Intelligenz für böse Zwecke missbraucht wird, ist bereits heute klar."Max Meyer
Mitnichten. Der Mensch entscheidet. Getreu William Shakespeare ist "nichts weder gut noch böse, das Denken macht es erst dazu". Im Endeffekt verhält es sich genauso mit der Entwicklung von Technologie, sprich Künstlicher Intelligenz. Wenn ihre Schöpfer sie richtig anwenden, kann sie eine Bereicherung sein. Dazu bedarf es einer sorgfältigen Abwägung, um die Zukunft durch KI angenehm(er) zu gestalten. Natürlich gebunden an ethische und moralische Standards, die ausführlichst debattiert werden müssen. Immer wieder aufs Neue.
Dass das nicht immer gelingt, zeigte schon der Bau der Atombombe. Albert Einstein bilanzierte folgerichtig: "Der Mensch erfand die Atombombe, doch keine Maus der Welt würde eine Mausefalle konstruieren." Ein ganz ähnliches Bild lässt sich auch mit Blick auf die Entwicklung Künstlicher Intelligenz zeichnen. Und wie Recherchen der Süddeutschen Zeitung (SZ) zeigen, ist der Missbrauch jener Technologie brandaktuell. Wie ein Datenleak einer Hackergruppe offenbart, nutzt der russische Staat Künstliche Intelligenz, um Regimekritiker zu entlarven. Wer den Angriff auf die Ukraine im Internet kritisiert, Wladimir Putin zum Clown macht, homosexuelle Beziehungen befürwortet, der wird von der russischen Zensurbehörde Roskomnadsor erfasst und sein Beitrag aus dem Internet gelöscht. Dabei machte der Propagandaapparat nach Informationen der SZ auch nicht Halt vor Tech-Riesen wie Google oder Apple. Er forderte sie dazu auf, Apps, die die Opposition nutzt, aus den Stores zu werfen. Weiter noch: Die russische Regierung will mithilfe von Software-Programmen menschliche Nutzer in Chatgruppen nachahmen, um Regimekritiker auszuhebeln. Schöne neue Welt.
Rechtsstaaten droht eine massive Überforderung
Allein das Beispiel Russland zeigt, was Künstliche Intelligenz in den falschen Händen bewirken kann. Weitere Paradebeispiele dafür sind Nordkorea oder China, die versuchen, ihre Bürger maximal von der digitalen Außenwelt abzukappen. Und dieser Missbrauch ist nicht zwingend ein Instrument von diktatorischen Staaten. Auch Demokratien sind dafür empfänglich.
Der Hype um Chat-GPT, Bard und Co. hat also auch eine Schattenseite. Dank der Schnelligkeit, die die Entwicklungen rund um Künstliche Intelligenz an den Tag legen, droht Rechtsstaaten eine massive Überforderung. Es reicht allein ein Blick auf Cyberangriffe, deren Auswirkungen Behörden, Krankenhäuser, Flughäfen etc. für Wochen, gar Monate außer Betrieb nehmen können. Nicht auszudenken, was ungesicherte Software mit Blick auf Datenschutz und Persönlichkeitsrechte ausrichten kann.
Alarmierend sind die Entwicklungen allemal, aber sie müssen kein Grund zur Panik sein. Noch entscheidet der Mensch, welche Rolle KI für sein Leben spielen soll. Das war im Übrigen in allen drei industriellen Revolutionsetappen der Fall, in denen neue Maschine die Arbeit veränderten. Setzt er den falschen Rahmen, ist Missbrauch programmiert. Nur dieses Mal mit weitaus gravierenderen Folgen.