Als nun in Washington erstmals seit Beginn der Corona-Pandemie das „Correspondent's Dinner“ stattfand, wurde nicht mit Spott gespart. In der Medienwelt ist das festliche Abendessen bekannt: Traditionell setzt der US-Präsident als Gastgeber im Weißen Haus viele gute Pointen – auch selbstironische. Joe Biden nahm diese Tradition nun wieder auf; eine Tradition, die unter seinem Vorgänger Donald Trump eingeschlafen war. Als Biden fertig war, sagte er spitz zum Moderator, dieser werde nun sicherlich über ihn, den Präsidenten, herziehen – und anders als in Moskau komme er dafür nicht ins Gefängnis.
Diese Pointe beweist nicht nur die Stilsicherheit von Bidens Redenschreibern und die Fähigkeit des US-Präsidenten zur Selbstironie – sie bringt auch zum Ausdruck, wie sehr 30 Jahre nach Ende des Kalten Krieges die Welt doch noch immer in Ost und West geteilt werden kann. In einen Westen, in dem Demokratie sowie Meinungs- und Pressefreiheit gelten – und einen globalen Osten um Russland und China, in dem regierungskritische Stimmen unterdrückt oder ganz zum Schweigen gebracht werden. Die Welt ist zurück in einem Systemkonflikt, und plötzlich sind die Dinge wieder schwarz und weiß.
Meinungsvielfalt nur durch viele Stimmen
Das ändert nichts daran, dass auch hierzulande die Meinungsvielfalt leidet – einer der Gründe ist die zunehmende Konzentration publizistischer Macht in den Händen weniger Häuser. Deshalb: Wer Meinungsvielfalt will, muss unabhängigen Journalismus bezahlen. Pressefreiheit, die geht uns alle an.