Man möchte sich beim Lesen der Meldung verwundert die Augen reiben: Die Kultusministerkonferenz hat sich auf einen gemeinsamen Beschluss geeinigt. Für diese grundsätzlich uneinige Diskussionsrunde ist das ein bemerkenswertes Ereignis, denn normalerweise lassen sich in der Bildungspolitik, der letzten Domäne der Bundesländer, so unterschiedliche Standpunkte wie die von Bayern und Berlin nicht unter einen Hut bringen.
Bei einem näheren Blick auf das Papier zeigt sich indes, dass sich daran wenig geändert hat. Die Angleichungen wirken marginal, es gibt zahlreiche Entweder/Oder- und Kann-Vorschriften. Bei der Anzahl der Leistungskurse wird sich wenig ändern, die Zahl der Klausuren insgesamt lässt bei den zahlreichen alternativen Vorgaben zu viel Spielraum für eine echte Vergleichbarkeit.
"Die Anforderungen an ein modernes Bildungswesen haben sich in den letzten Jahrzehnten massiv verändert, die Bundesländer haben darauf unterschiedlich und selten stringent reagiert."Heiner Stix
Vor allem aber haben die Kultusminister die wichtigste Regel jeder Prozessoptimierung außer Acht gelassen: Wenn ein Prozess am Ende krankt, muss man mit der Fehlersuche und -behebung an seinem Beginn starten. Denn das Abitur ist ja vor allem deshalb nur schwer vergleichbar, weil die Laufbahn dorthin überall unterschiedlich ist.
Die Anforderungen an ein modernes Bildungswesen haben sich in den letzten Jahrzehnten massiv verändert, die Bundesländer haben darauf unterschiedlich und selten stringent reagiert. Die Wechsel von G9 zu G8 und zurück sind nur ein Beispiel dafür. Außer wirtschaftlich geprägten Lippenbekenntnissen zum "Rohstoff" oder zum "Standortfaktor" Bildung und einer Vielzahl punktueller, mit viel Geld ausgestatteten Sofortmaßnahmen ist seit Jahren nicht wirklich etwas passiert. Auch nach der Abi-Einigung gilt: Dem deutschen Bildungssystem fehlt eine Idee und ein Konzept.