So zynisch es klingen mag: Im Katastrophenfall gibt es immer Nutznießer. Das könnte nun in der von Erdbeben und tausenden Toten und noch mehr Verletzten geplagten Türkei der amtierende Präsident, Recep Tayyip Erdoğan, sein. Und das, obwohl er einen Teil der Misere höchstwahrscheinlich selbst zu verantworten hat.
3 Monate vor den Präsidentschaftswahlen kann sich der konservativ-islamische Politiker als erfolgreicher Krisenmanager inszenieren. Außenpolitisch wurden bereits erste Brücken gebaut, etwa zu Griechenland. Die Staaten haben sonst ein angespanntes Verhältnis, in der Krise zeigen sie Zusammenhalt. Das wird Erdoğan als sein Verdienst verbuchen, genauso wie die schnelle Hilfe aus Schweden, dessen Nato-Beitritt er vehement blockiert.
Erdoğan kann sich als Held in der Not zeigen
Der Bevölkerung braucht dringend Hilfe; die kommt von Erdoğan. In solchen Momenten ist es zweitrangig, dass jener Präsident gar nichts gegen den Katastrophenfall getan haben soll. Wie aus Recherchen der Süddeutschen Zeitung hervorgeht, soll Erdoğan die 1999 erhobene Erdbebensteuer zweckentfremdet haben, um seinen desolaten Haushalt zu finanzieren.
Trotz der schwachen wirtschaftlichen Lage, der hohen Inflation, der Tatsache, dass durch das Erdbeben große Kurdenregionen betroffen sind, dass mit Nordsyrien ein Land von der Katastrophe betroffen ist, in dem sich Millionen von Bürgerkriegsflüchtlingen drängen, scheint es so, als würde Erdoğan profitieren. Die Opposition braucht ein Bündnis aus 6 Parteien, um einen noch nicht bekannten Gegenkandidaten aufzustellen und kann derzeit kaum reagieren. Dem AKP-Gegenkandidaten Erdoğans droht ein Gerichtsverfahren. Erdoğan kann sich also als Held in der Not zeigen – wenn sein Land ihm das noch abkauft.