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Eine einmalige Chance fürs Wahlrecht

Thema: Das Wahlrecht und der Widerstand der CSU – Die Wahlrechtsreform der Ampel würde für eine exakte Abbildung der Mehrheitsverhältnisse sorgen. "Schurkenstaat"-Vorwürfe laufen da ins Leere.

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In Bayern könnte man in den Wahlkreisen Besenstiele aufstellen und CSU draufschreiben – sie würden gewählt. Bei der letzten Bundestagswahl gewannen die Christsozialen 45 von 46 Direktmandaten. Dass das weit mehr waren, als der Partei nach ihrem prozentualen Wahlergebnis zustanden, war schön für die vielen CSU-Politiker, die so zu einem Bundestagsjob kamen, ist für das Ansehen der Demokratie aber ein Problem. Denn weil das Zuviel der CSU bei den anderen Parteien durch Zusatzsitze ausgeglichen werden musste, schwoll der Bundestag auf aktuell 736 Abgeordnete an. Rekord.

Das Ansehen der Demokratie war für die CSU in der seit Jahren dauernden Reformdebatte bisher kein Argument. Sie tat und tut so, als seien nur Direktmandate wirklich demokratisch. Und weil sie an der Seite der CDU immer Teil einer Koalition war, konnte sie ihren Besitzstand per Veto stets erfolgreich verteidigen. Jetzt aber gibt es eine Regierung ohne CSU, und schon spricht ihr Generalsekretär Martin Huber von „Schurkenstaat“. Hat der Mann es nicht eine Nummer kleiner?

Nach den Plänen der Ampel soll die „Zweitstimme“ künftig allein über die Stärke der Parteien im Bundestag entscheiden. Sie war immer schon die eigentliche „Hauptstimme“, was auch ihr neuer Name sein soll. Die „Erststimme“ entscheidet darüber, welche konkreten Personen das Mandat bekommen, aber wenn eine Partei wie die CSU zu viele Wahlkreissieger hat, müssen die mit den schlechtesten Ergebnissen künftig zurückstehen. Mehr als 598 Sitze soll es nicht geben. Mit der Reform werden die Mehrheitsverhältnisse exakt abgebildet, niemand wird prozentual benachteiligt. Es gibt nur nicht mehr so viele Mandate zu verteilen. Von wegen Schurkenstaat.

"Selbst in der CDU haben die meisten kein Problem mit dem Ampel-Vorschlag."Werner Kolhoff

Etwas anderes wurmt die Bayern womöglich noch mehr: Gelingt die Reform, dann ist der Spieß dauerhaft umgedreht. Denn um wieder zum alten Wahlrecht zurückzukehren, müsste die CSU ihrerseits eine Mehrheit im Bundestag finden. Blockieren reicht dann nicht mehr. Weit und breit ist aber keine Konstellation erkennbar, die das jemals mitmachen würde. Selbst in der CDU haben die meisten kein Problem mit dem Ampel-Vorschlag.

Zwar ist es immer besser, eine Wahlrechtsreform im Konsens zu verabschieden. Angesichts der jahrelangen kompromisslosen Blockadehaltung der Christsozialen kann man der Ampel aber nur raten, ihr Vorhaben jetzt durchzusetzen. Es ist eine einmalige Chance.


Zur Person:

  • Der Lohner Werner Kolhoff (66) hat für den Berliner Tagesspiegel und die Berliner Zeitung gearbeitet, war Sprecher des Berliner Senats und leitete ein Korrespondentenbüro.
  • Heute ist er in der Hauptstadt als politischer Kolumnist tätig.
  • Den Autor erreichen Sie unter redaktion@om-medien.de.

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