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Ein starker Power-Mann

Kolumne: Erwerbstätige Eltern werden nach wie vor mit zweierlei Maß gemessen. Das macht sich sogar subtil in Komplimenten bemerkbar, die eigentlich gar keine sind.

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Markus Söder ist ein echter Power-Mann. Seit 2018 ist der 56-Jährige Ministerpräsident von Bayern. Seine Karriere bei der CSU begann 1983, als er im Alter von 16 Jahren Mitglied der konservativen Partei wurde. Seit 1994 gehört er dem bayerischen Landtag an. Parallel schafft der Politiker erfolgreich den Spagat zwischen Familie und Beruf. Vier Kinder zog er groß, während er die Karriereleiter nahezu mühelos erklomm. So ein starker Mann hat eben jemanden an seiner Seite, der ihm bei der Kindererziehung und dem Haushalt behilflich ist. Da erblickte man in der Vergangenheit auch mal seine Ehefrau Karin Baumüller-Söder, Mitinhaberin der namhaften Baumüller-Gruppe, auf dem Spielplatz. Was für eine Stütze sie ist. Da können sich vermutlich so einige Ehefrauen eine Scheibe von abschneiden. So geht Gleichberechtigung!

Falls Sie bis hierhin durchgehalten haben – wie befremdlich fanden Sie den vorangegangenen Absatz? Eine Bemerkung darüber, wie fantastisch er meistens bei dem ganzen Stress auch noch aussieht – wie macht er das nur?! – habe ich mir übrigens verkniffen. Aber warum finden wir den obigen Absatz unpassend, aber stören uns deutlich weniger daran, wenn anstatt Markus Söder dort beispielsweise Annalena Baerbock und statt Karin Baumüller-Söder dort Daniel Holefleisch (Ehemann von Annalena Baerbock) steht? Anscheinend empfinden wir erfolgreiche Frauen, insbesondere Mütter, nach wie vor als Einhörner in der Herde erfolgreicher Menschen.

"Warum gibt es zum Beispiel keinen Power-Mann? Die Antwort ist meiner Meinung nach ziemlich einfach: Weil es ihn schlicht nicht braucht."Carina Meyer, Reporterin

Begrifflichkeiten wie „Power-Frau“ oder „starke Frau“ klingen dabei wie Komplimente – aber sind sie das wirklich? Warum gibt es zum Beispiel keinen Power-Mann? Die Antwort ist meiner Meinung nach ziemlich einfach: Weil es ihn schlicht nicht braucht. Denn die „Power-Frau“ ist lediglich ein Schein-Kompliment für eine Frau, die sich in einer Welt von Männern für Männer behauptet. Mit dem zusätzlichen Hinweis darauf, dass sie, falls sie auch noch Mutter ist, Karriere und Familie erfolgreich meistert, untermauern wir zudem nach wie vor das Narrativ, dass vor allem Frauen beziehungsweise Mütter für die Care-Arbeit zuständig sind.

Falls Ihnen der Begriff Care-Arbeit nichts sagt, hilft die Bundeszentrale für politische Bildung mit einer Definition weiter: „Care-Arbeit oder Sorgearbeit beschreibt die Tätigkeiten des Sorgens und Sichkümmerns. Darunter fällt Kinderbetreuung oder Altenpflege, aber auch familiäre Unterstützung, häusliche Pflege oder Hilfe unter Freunden. Bislang wurden diese Arbeiten überwiegend von Frauen geleistet, oft als unbezahlte Hausarbeit gesellschaftlich als notwendig und selbstverständlich angesehen.“

Erfolgreiche Frauen hören dann Fragen wie „Haben Ihre optischen Attribute Ihre Karriere beeinflusst?“,„Wie bringen Sie Familie und Karriere unter einen Hut?“ oder „Wer passt eigentlich auf die Kinder auf?“ – selbst von Journalistinnen und Journalisten. Die Unternehmerin Fränzi Kühme hat mal ein Best-of der Fragen, die ihr so gestellt wurden, gesammelt und sie erfolgreichen Männern gestellt. Das wirklich lesenswerte Ergebnis hat sie unter dem Titel „Was Männer nie gefragt werden – Ich frage trotzdem mal“ veröffentlicht. Die Absurdität mancher Fragen wird einem erst bewusst, wenn Gregor Gysi auf die Frage „Haben Ihre optischen Attribute Ihre Karriere beeinflusst?“ amüsiert mit „Sie meinen, weil ich so schön bin?“ reagiert.

Wir brauchen keine „Power-Frauen“. Wir brauchen Strukturen, die es überflüssig machen, dass Frauen geradezu Superkräfte brauchen, um genauso erfolgreich zu sein wie Männer. Dann sind wir mit der Gleichstellung auch ein großes Stück weiter.


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