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Die Vogelschiss-Connection

Thema: Die Causa Aiwanger – Der bayerische Wirtschaftsminister ist mit seiner Haltung in Bayern leider nicht allein.

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Eine einsame Grabstelle auf freiem Feld, nahe am Chiemsee in Bayern. Ein Kreuz aus Metall, an der Spitze ein Stahlhelm. Das Beet ist frisch angepflanzt, auch das Schild mit der Bezeichnung „Heldengrab“ in Frakturschrift wirkt neu. Offensichtlich liegt hier ein gefallener Wehrmachtssoldat. Also ein Beteiligter an Hitlers verbrecherischem Krieg.

Er war entweder selbst ein Verbrecher oder ein Mitläufer. Ein Held aber war er gewiss nicht. Das waren nur jene, die sich verweigerten, die desertierten, die Widerstand leisteten. Es gab in der deutschen Wehrmacht zwischen 1939 und 1945 nur sehr wenige Helden. Das namenlose Grab wird sorgsam gepflegt. Der Besitzer des dazu gehörenden Hauses will allen zeigen, dass er diese Ansicht genau nicht teilt. Dass er an dem Heldenbegriff von damals festhält.

Aschau liegt hiervon nur 6 Kilometer entfernt. Das ist jene Gemeinde im Chiemgau, in der letzte Woche der Chef der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, einen umjubelten Wahlkampfauftritt hatte. Mitten in der Affäre um die Nazisprüche in seiner Jugendzeit. „Du bist der letzte Politiker mit richtigem Rückgrat", wird er gelobt. Seine Umfragewerte steigen.

"Es wäre aber eine Schande für Bayern, wenn er solche Leute im vollen Wissen um ihr Denken und ihre Vergangenheit nach der Landtagswahl erneut mitregieren ließe."

Aiwanger hat sich zwar von dem Hetzflugblatt distanziert, das in seiner Schultasche gefunden wurde, als er 17 Jahre alt war. In dem Pamphlet wird „Vaterlandsverrätern“ ein „Freiflug durch den Schornstein in Auschwitz“ angeboten. Angeblich hat es sein Bruder geschrieben. Aber der noch amtierende Wirtschaftsminister hat sich für seine pubertären Entgleisungen nie so weit geschämt, dass er als Politiker je dazu aufgerufen hätte, alte und neue Nazis zu bekämpfen. Keine tätige Reue. Auch in Aschau nicht. Stattdessen schimpft er, dass man ihn fertig machen wolle und beklagt sich über die Enthüllungen.

Dabei „enthüllt“ man ihn nur im wahren Sinn des Wortes – man zeigt den Wählern, wes Geistes Kind er ist. Oder war. Eben einer aus jener Connection, für die die Nazizeit ein „Vogelschiss“ in der Geschichte ist (AfD-Mann Gauland) und die gefallene Wehrmachtssoldaten noch immer als „Helden“ feiert. Es gibt diese Connection überall in Deutschland. Von jeher war sie in Bayern auf dem Lande besonders stark. Es ist zwar verständlich, dass Ministerpräsident Söder jetzt keinen Koalitionswechsel mehr riskiert. Es wäre aber eine Schande für Bayern, wenn er solche Leute im vollen Wissen um ihr Denken und ihre Vergangenheit nach der Landtagswahl erneut mitregieren ließe.


Zur Person:

  • Der Lohner Werner Kolhoff, Jahrgang 1956, hat für den Berliner Tagesspiegel und die Berliner Zeitung gearbeitet.
  • Er war Sprecher des Berliner Senats und leitete ein Korrespondentenbüro.
  • Heute ist er in der Hauptstadt als politischer Kolumnist tätig.
  • Den Autor erreichen Sie unter redaktion@om-medien.de.

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