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Die „Schleuse“ als Mutter aller Skandale

Kolumne: Batke dichtet – Wie das englische Wort "Gate" Karriere in Deutschland macht. Es ist ein Superlativ: Immerhin musste der US-Präsident nach "Watergate" zurücktreten.

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Manchmal ertappt man sich dabei, die Hände vors Gesicht zu schlagen und zu murmeln: „Herrgott, so lange ist das schon her.“ Ging mir vor kurzem so, als ich über den Skandal las, der zum bisher einzigen Rücktritt eines amerikanischen Präsidenten führte. Es ist ja nicht so, dass man sich das auch von anderen US-Staatslenkern gewünscht hätte: Aber insbesondere 1973, also vor 50 Jahren, baute sich so viel Druck auf, dass Richard M. Nixon im Jahr darauf keinen anderen Ausweg mehr sah, als die Brocken hinzuwerfen.

Den Anfang hatte das Unheil schon 1972 genommen, als in das Hauptquartier der Demokratischen Partei eingebrochen wurde – es war im Watergate Building von Washington D.C. untergebracht. Die Spur führte letzten Ende ins Weiße Haus zu „Tricky Dick“, wie Nixon wegen seiner häufig unlauteren Methoden genannt wurde. Aufgedeckt wurden die Verstrickungen des Präsidenten in die Bespitzelung des politischen Gegners maßgeblich durch die beiden Washington-Post-Reporter Bob Woodward und Carl Bernstein, die in Kollegenkreisen fortan ikonisch verehrt wurden und eine Blaupause für investigativen Journalismus geschaffen hatten. Und aus Watergate war gewissermaßen die Mutter aller Skandale geworden.

"Die ,Gatisierung' hat auch vor dem Show-Biz nicht halt gemacht. War es Absicht oder nur ein Versehen?"Alfons Batke

„Watergate“ übersetzt heißt „Schleuse“, und die öffnete sich nachhaltig mit dem „Gate“. In Deutschland wurde die Nachsilbe erstmals in Zusammenhang mit der Barschel/Pfeiffer-Affäre 1987 aktenkundig. Der „Spiegel“ enthüllte den „Waterkantgate“ und deckte damit die Machenschaften rund um die versuchte Demontage des damaligen SPD-Spitzenkandidaten Björn Engholm auf. Die Geschichte endete mit dem leblos in einer Badewanne des Genfer Luxushotels Beau Rivage aufgefundenen vormaligen Ministerpräsidenten Uwe Barschel tragisch. Ob Freitod, begleiteter Suizid oder Mord – die genauen Umstände von Barschels Tod konnten nie zweifelsfrei aufgeklärt werden.

Die „Gatisierung“ hat auch vor dem Show-Biz nicht haltgemacht. War es Absicht oder nur ein Versehen? – mit einer ruckartigen Bewegung entblößte Popstar Justin Timberlake während des Halbzeitauftritts beim Super Bowl 2004 im texanischen Houston die rechte Brusthälfte seiner Mitsängerin Janet Jackson. Worüber man heute nur müde lächeln würde, war vor knapp 20 Jahren ein Riesenskandal. Den damals übertragenden TV-Sender erreichten mehr als ein halbe Million Protestanrufe, der Vorfall ging als „Nipplegate“ in die Geschichte ein.

Wir sehen, Watergate hat seine Spuren hinterlassen. In Deutschland wählten Sprachforscher das „-gate“ zum „Anglizismus des Jahres 2013“, kaum ein für negative Schlagzeilen sorgendes Ereignis kommt ohne Gate aus. Die damalige Spendenaffäre, in dessen Mittelpunkt Ex-Bundeskanzler Helmut Kohl stand, wurde zum „Bimbesgate“, die Abhöraktion des amerikanischen Geheimdienstes gegen Angela Merkel bekam den Namen „Handygate“, die Plagiatsaffäre um den ehemaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg wurde klangvoll als „Guttengate“ bezeichnet und die wenig ruhmreiche Manipulation von Abgaswerten bei VW fand im „Dieselgate“ ihren Niederschlag.

Fehlt nur noch was Aktuelles. Da bietet sich wie immer der deutsche Rekordmeister im Fußball an. War mal wieder viel los im Münchener Intrigantenstadl – fulminantes Finale im „Bayerngate“: Kahn geht.


Zur Person:

  • Alfons Batke blickt auf eine über 40-jährige journalistische Laufbahn zurück.
  • Der 67-Jährige lebt als freier Ruheständler in Lohne.
  • Den Autor erreichen Sie unter redaktion@om-medien.de.

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