Das subjektive Gefühl unterscheidet sich oft von den Fakten – die jährliche Kriminalitätsstatistik liefert dafür ein gutes Beispiel. Beim Thema ÖPNV allerdings haben die Befragten die Tatsachen selbst zur Hand, in Form von Abfahrtszeiten, Fahrdauer und Erreichbarkeit der Haltestellen. Und sie stellen auf dieser Basis der Verkehrs- und Regionalpolitik nur auf den ersten Blick ein gutes Zeugnis aus.
Zwar geben 70 Prozent der Befragten dem ÖPNV gute Noten, 30 Prozent jedoch sind unzufrieden. Und die wohnen, wenig überraschend, überwiegend im ländlichen Raum. Da ein Zufriedenheitswert von 70 Prozent für Politiker jedoch einer Traumnote entspricht, besteht die Gefahr, dass sich nichts ändert.
"Und genau das kann den Staat nicht nur Geld, sondern auch Akzeptanz kosten und den sozialen Frieden gefährden."Heiner Stix
Das aber wäre nicht nur angesichts der angestrebten Verkehrswende oder mit Blick auf den Wohnungsmarkt in Großstädten eine kurzsichtige Politik. Den ÖPNV im ländlichen Raum weiter zu vernachlässigen (und nichts anderes macht die aktuelle Verkehrspolitik), würde bedeuten, dass sich Wirtschaft, Handel und Industrie, Kunst und Kultur, gesellschaftliches Leben und Freizeitmöglichkeiten weiterhin vor allem in Städten konzentrieren. Und das wiederum würde die – längst vorhandene – Spaltung von Stadt und Land weiter vorantreiben.
Und genau das kann den Staat nicht nur Geld, sondern auch Akzeptanz kosten und den sozialen Frieden gefährden. Schon 2018 beklagte Jochen Bittner in der Zeit eine "arrogante Teilblindheit einer städtischen Avantgarde" gegenüber dem ländlichen Raum. Nicht nur verkehrspolitisch hat sich daran nichts geändert.