Das Nachrichtenportal vonMünsterländische Tageszeitung MT undOldenburgische Volkszeitung OV

Die "Ballon-Affäre" und das geringere Übel

Kolumne: Die Generation Z zeigt's Ihnen – Die Spionage-Vorwürfe gegenüber Chinas Ballon-Einsätzen sorgen für viele Gerüchte. Dabei erinnert es eigentlich an ein ernstes außenpolitisches Problem.

Artikel teilen:

US-Präsident Joe Biden muss sich in den vergangenen Tagen immer wieder zu Abschüssen von Ballons im amerikanischen und kanadischen Luftraum äußern. In den Medien ist bereits von einer "Ballon-Affäre" die Rede. Eine gängige Vermutung lautet dabei, dass es sich bei den Flugkörpern um Spionage-Werkzeuge der Volksrepublik China handelt. Gleichzeitig weist die Kommunistische Partei alle Vorwürfe von sich und behauptet, es handele sich dabei wohl um harmlose Wetterballons.

Derweil kursieren im Internet viele Gerüchte zu dem Thema. Einige werden dabei befeuert von Verschwörungstheoretikern, die darin – wen wundert's – den handfesten Beweis für die Existenz von Außerirdischen sehen. Das weckt bei mir ungleich Erinnerungen an den sogenannten "Storm Area 51"-Hype aus dem Jahr 2019, bei dem sich besagte "Aluhutträger" auf Facebook verabredeten, um nach dem Motto „They can't stop all of us“ den gleichnamigen Sperrbezirk der Air Force in der Wüste Nevadas zu stürmen.

Im Hinblick auf solche vermeintlichen Verschwörungen hat eine Reporterin den Befehlshaber des Nördlichen US-Kommandos gefragt, ob es sich bei den abgeschossenen Flugkörpern um das Werk von Aliens handele. Dabei hat mich seine Antwort noch mehr zum Staunen gebracht, als die überflüssige Frage der Reporterin: Er könne es nicht ausschließen und überlasse dies den Geheimdiensten, erklärte der Befehlshaber. Eine Einladung für alle Anhänger des „sehenden Auges“, die in ihrer Freizeit scheinbar nichts besseres zu tun haben, als Rauchtöpfe zu schwenken.

"Da sind fliegende Raketen aufgrund von Hobby-Ballons zwar übertrieben, aber trotzdem das geringere Übel."Tobias Thomes

Aber genug Aufregung um die Alien-Fanatiker. Mittlerweile wurden einige Überreste der abgeschossenen Flugkörper eingesammelt und mit dem Verschwinden eines Wetterballons einer Gruppe von Hobby-Meteorologen scheint es, dass zumindest einer der Ballons nicht aus Spionage-Zwecken im amerikanischen Luftraum umherflog. Tatsächlich würde es sich bei dem besagten Hobby-Ballon um eine selbstgebastelte Version eines Wetterballons handeln, der in der Produktion umgerechnet 12 Euro gekostet haben soll. Die Raketen, mit der die Flugkörper abgeschossen wurden, kosten Medienberichten zufolge jeweils etwa 400.000 Dollar. Sollte das der Wahrheit entsprechen, war das nicht nur ein ganz schön teurer Abschuss, sondern er verdeutlicht auch den Ernst der Lage.

Bei all dem öffentlichen Aufruhr und dem Aufwand des Militärs wird nämlich deutlich: Die Aufrüstung und wechselseitige Spionage ist jetzt zwar wieder in den Köpfen der Menschen präsent, findet aber auch sonst hinter verschlossenen Türen statt. So hat Chinas Staatschef Xi in einer Rede von 2014 bereits die Zusammenführung von Luftwaffe und Raumfahrt angekündigt. Die Ballons konnten nun zufällig durch Menschen entdeckt werden, bei Satelliten ist das nicht der Fall. 

China möchte dem eigenen Selbstverständnis nach scheinbar zur einzigen Weltmacht heranwachsen. Dabei sollte doch der mittlerweile seit einem Jahr andauernde Krieg in der Ukraine deutlich gemacht haben: Der Westen darf sich nicht abhängig machen und muss sich positionieren. Und das bleibt schwierig, wenn die Volksrepublik durch Spionage oder beispielsweise die neue Seidenstraße weiterhin einen immensen Druck auf den Westen ausüben kann. Da sind Raketenabschüsse von Hobby-Ballons zwar übertrieben, aber trotzdem das geringere Übel.


Zur Person:

So verpassen sie nichts mehr. Mit unseren kostenlosen Newslettern informieren wir Sie über das Wichtigste aus dem Oldenburger Münsterland. Jetzt einfach für einen Newsletter anmelden!

Das könnte Sie auch interessieren

Hier klicken und om-online zum Start-Bildschirm hinzufügen

Die "Ballon-Affäre" und das geringere Übel - OM online