Klimaschutz ist das Kernanliegen der Grünen, dafür sind sie der Ampel-Koalition beigetreten. Beim Ausbau der Erneuerbaren Energien klappt das sehr gut, nachdem Russlands Angriffskrieg Blockaden gelöst hat. Doch im Gebäudebereich und im Verkehrssektor ist es anders. Seit 2006 schon herrscht hier Stillstand, den nicht die Grünen, sondern ausschließlich CDU/CSU, SPD oder FDP zu verantworten haben, die in dieser Zeit regierten. Hausbesitzer und Autofahrer sollten ihren Protest dorthin richten, denn die lange Verzögerung ist der Grund dafür, dass die Schritte, die nun gegangen werden müssen, drastischer ausfallen. Wäre in diesen Sektoren schon früher etwas passiert, dann wäre alles viel leichter.
Doch nun schreit die Union schon wieder „Verbotspolitik“ und die FDP blockiert. Ihr Verkehrsminister legt es gar auf einen Verstoß gegen das Klimaschutzgesetz an, um kein Sofortprogramm für seinen Bereich auflegen zu müssen, wie es vorgeschrieben wäre. Inklusive Tempolimit. Und der FDP-Parteitag beschließt, dazu ermuntert durch den Vorsitzenden Christian Lindner, das von ihm im Kabinett gerade erst mitbeschlossene Gebäudeenergie-Gesetz wieder zu entkernen. Das sind gravierende Verstöße gegen Geist und Inhalt des Koalitionsvertrages, den die Grünen an anderer Stelle, etwa beim liberalen Tabu von Steuererhöhungen, ihrerseits immer eingehalten haben. SPD-Kanzler Scholz, stets in Angst vor den Wählern, lässt es laufen.
"SPD und FDP sollten sich bewusst sein, dass auch für die Grünen Lindners berühmter Satz gilt: Besser nicht regieren, als schlecht regieren."Werner Kolhoff
Dass die FDP sich so aufstellt, verwundert nicht und ist auch absolut legitim. Nur kann sie nicht darauf setzen, dass ihr die Grünen dafür in einer Koalition klaglos den Steigbügel halten. Und Olaf Scholz auch nicht. Für die Grünen stellt sich nämlich allmählich die Koalitionsfrage. An ihrer Basis rumort es bereits. Die Grünen sind ihren Zielen seit Jahrzehnten treu geblieben: Sie sind in der Umwelt- und Klimaschutzpolitik weder Umfaller noch Populisten, sondern Antreiber. Das ist ihr Markenkern und um den geht es jetzt.
Nun beginnen die parlamentarischen Beratungen um das Gebäude-Energiegesetz. Da mag es hier und da Nachbesserungsbedarf geben, etwa bei den Förderungen oder bei den Ausnahmen. Aber nicht beim Ziel einer schnellen Ablösung von Öl- und Gasheizungen durch erneuerbare Energien. Und ebenso nicht bei der Einhaltung der Umweltziele im Verkehrssektor. SPD und FDP sollten sich bewusst sein, dass auch für die Grünen Lindners berühmter Satz gilt: Besser nicht regieren, als schlecht regieren.
Zur Person:
- Der Lohner Werner Kolhoff, Jahrgang 1956, hat für den Berliner Tagesspiegel und die Berliner Zeitung gearbeitet, war Sprecher des Berliner Senats und leitete ein Korrespondentenbüro.
- Heute ist er in der Hauptstadt als politischer Kolumnist tätig.