Seit dem 1. Juli 2021 gilt: Das Verbreiten, Erwerben oder der Besitz von kinderpornografischen Inhalten ist kein Vergehen mehr, sondern ein Verbrechen. Das Sexualstrafrecht wurde nach Fällen von Lügde, Bergisch-Gladbach und Münster deutlich verschärft. Tätern drohen Freiheitsstrafen von einem bis zu 10 Jahren. Diese Verschärfung des Sexualstrafrechts war richtig, doch führt sie in ihrer jetzigen Form an der Realität vorbei. Niedersachsens Justizministerin Kathrin Wahlmann (SPD) will sich jetzt für Veränderungen bei ihren Ressortkollegen einsetzen. Das ist ein richtiger Schritt.
Das Problem bei der bisherigen Regelung ist: Findet eine Mutter in einem Chat ihres Kindes kinderpornografische Inhalte und schickt diese zur Warnung etwa an die Lehrer weiter, macht sie sich strafbar. Staatsanwaltschaften müssen hier ermitteln – im schlimmsten Fall droht der Mutter, trotz vermeintlich guter Absichten, eine Haftstrafe. Das ist realitätsfern.
"Das darf aber nicht bedeuten: Wahre Täter werden geringer bestraft."Jan-Christoph Scholz
Der Gesetzgeber muss an dieser Stelle Ausnahmen zulassen. Statt eines Verbrechens sollte es hier bei einem Vergehen bleiben. Das darf aber nicht bedeuten: Wahre Täter werden geringer bestraft. Hier muss der Rechtsstaat mit voller Härte vorgehen. Zudem gilt: Bisherige Strafmaße müssen erweitert werden. Immer wieder kommen Täter, die Kinder jahrelang missbraucht haben, mit vermeintlich geringen Strafen davon.
Die Zeit, das Sexualstrafrecht erneut zu reformieren, eilt. Denn Gerichte und Staatsanwaltschaften sind so aktuell gezwungen, ihre Zeit mit Bagatellen zu verbringen, anstatt sich mit der Ermittlung und der Verurteilung der echten Sexualstraftäter zu beschäftigen. Schwere Fälle könnten so erst spät ans Licht kommen. Kinderpornografie gehört verboten. Der Staat muss alles daran setzen, die Kinder zu schützen – nicht die Täter.